05.11.2024
Als wir am 08. November 2016 bei unserem Besuch in den USA, genauer gesagt in Florida, abends im Restaurant saßen und auf einen der vielen TV-Screens schauten, Fernseher hört sich für die USA irgendwie unpassend an, wunderten wir uns, was dort lief. Sport, Serien, normale Nachrichten und eine Menge Werbung. Vom eigentlichen Höhepunkt des Tages, der in die Geschichte eingehen sollte, war zunächst rein gar nichts zu sehen.
Es war bereits nach 21 Uhr und ich beobachtete die anderen Gäste. Alle waren mit essen, trinken, reden oder ihrem Smartphone beschäftigt. Keiner sah aus, als wäre er angespannt, nervös, gespannt oder vielleicht sogar leicht panisch.
Es schien mir, als wäre ich in dem Moment der einzige Gast, der nervös war. Obwohl alle anderen es wesentlich mehr betraf. Es war der Tag der Wahl zum 58. Präsidenten oder der, der die erste Präsidentin hervorbringen sollte. Letzteres hoffte ich wie 65,4 Millionen Amerikaner und Amerikanerinnen auch. Denn das war zumindest die Anzahl der Stimmen, die Hillary Clinton für sich gewinnen konnte. Ihr Gegenkandidat erhielt dagegen rund 2,6 Millionen Stimmen weniger, wurde aber durch das merkwürdige US-Wahlsystem von 306 Wahlleuten zum Präsidenten gewählt. Hillary kam nur auf 232 Wahlleute.
Im Gegensatz zu dem, was wir aus unserer Heimat kannten, nämlich dass unser Wahlergebnis nahezu um 18:01 Uhr bereits feststeht, dauert ein Wahlabend in den USA gefühlt unendlich. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass wir in unserem Hotel bereits im Bett lagen, gebannt auf den Fernseher schauten und die Landkarte immer mehr rot zeigte, die Farbe von Donald Trump.
Wir ließen das Programm auch die ganze Nacht laufen. Immer wieder, wenn ich mal kurz eingeschlafen war und dann wieder wach wurde, starrte ich auf den Bildschirm. Rot mit ein wenig Blau war zu sehen. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, in dieser Nacht träumte ich von einem Atomkrieg.
Dass 8 Jahre später wieder viele Menschen auf dem gesamten Planeten erneut eine schlaflose Nacht verbringen werden, weil derselbe Kandidat sich erneut zum Präsidenten wählen lassen will, hätte wohl auch kaum jemand geahnt.
Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da kann sogar ein Mann, der etliche Prozesse gegen sich laufen hat, theoretisch und wahrscheinlich sogar praktisch aus dem Knast regieren. Sein Spruch, dass er auf der Fifth Avenue mitten in New York auch einen anderen Menschen abknallen könnte und seine Wähler trotzdem hinter ihm stehen würden, hat bis heute Bestand.
Ich weiß gar nicht, ob das Wort Fake-News erst seitdem Trump sich politisch engagiert Bestand im Sprachgebrauch hat, aber er verkörpert es in Perfektion. Alle kann ich natürlich hier nicht aufzählen, aber einige der äußerst umstrittenen Falschbehauptungen schon.
Trump behauptete immer wieder, dass ihm die US-Wahl 2020 gestohlen wurde und weit verbreiteter Wahlbetrug stattgefunden habe. Dabei gab es zahlreiche Klagen, jedoch wurden fast alle von Gerichten abgelehnt, und es fanden sich keine Beweise für einen derartigen großflächigen Betrug.
Trump behauptete zu Beginn der Pandemie, dass COVID-19 nicht gefährlicher als die Grippe sei, was die Risiken verharmloste und viele Experten und die Medien alarmierte. In Wirklichkeit zeigte sich, dass COVID-19 weitaus gefährlicher und tödlicher war.
Trump wiederholte oft die Behauptung, dass Mexiko für den Bau der Grenzmauer zahlen würde, doch das ist nie geschehen. Die Finanzierung kam größtenteils aus den USA selbst und aus Mitteln, die umgeleitet wurden, um das Projekt zu finanzieren.
2019 behauptete Trump fälschlicherweise, dass der Hurrikan Dorian Alabama treffen würde, obwohl der Nationale Wetterdienst dies klar dementierte. Er bestand sogar darauf und ließ eine offizielle Wetterkarte mit einem schwarzen Filzstift modifizieren, um dies zu „beweisen“.
Trump bewarb seine Steuersenkungen als primär hilfreich für die Mittelschicht. Tatsächlich begünstigten die Senkungen jedoch hauptsächlich große Unternehmen und wohlhabende Bürger.
Das sind nur einige seiner Aussagen, die nicht zutreffen. Aber das ist auch völlig egal.
„In Springfield essen die Menschen, die neu dort sind, die Hunde. Sie essen die Katzen. Sie essen … sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben“, sagte Donald Trump in der Fernsehdebatte gegen Kamala Harris. Ganz nach dem Motto, je verrückter die Lüge klingt und um so häufiger man sie wiederholt, um so mehr Menschen glauben, es ist die Wahrheit.
Schon 1945 äußerte Hannah Arendt, eine jüdisch-deutsche Philosophin und politische Theoretikerin, diesen Satz, natürlich lange vor den Debatten um Fake-News: „Lügen erscheinen dem Verstand häufig viel einleuchtender und anziehender, als die Wahrheit, weil der Lügner den großen Vorteil hat, im Voraus zu wissen, was das Publikum zu hören wünscht.“
Die Idee der großen Lüge hatte auch Joseph Goebbels und Adolf Hitler. Ein gruseliger Gedanke.
Die USA, immer noch eines meiner Lieblingsreiseländer, ist weiterhin gespalten. Aber das geht vielen Ländern dieser Erde in diesen Zeiten ebenso. Auch in unserem Land wünschen sich viele Menschen einen Kanzler (oder auch eine Kanzlerin), der sein eigenes Volk mehr in den Fokus stellt.
Der Gedanke an weitere vier Jahre Trump lässt mich jedenfalls erschauern. Und ob danach der Spuk dann vorbei ist oder er sich wie andere Staatsoberhäupter auch zum ewigen Anführer macht, bleibt abzuwarten.
Ist Amerika, ist die Welt für eine Präsidentin bereit? Ich denke schon. Man hat ja vier Jahre Zeit gehabt, ansonsten einen anderen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden.
Aber warum in die Ferne schweifen, bei uns ist die Auswahl der Kandidaten bei der nächsten Wahl meiner Meinung nach auch mehr als beschränkt.
Der 05.11.2024 wird auf jeden Fall erneut ein Tag sein, der in die Geschichte eingeht. Hoffen wir zumindest friedlich und demokratisch.