Im Laufe eines Lebens kommt immer wieder einmal die Zeit, um Abschied zu nehmen. Ich bin kein Mensch, dem es leicht fällt, sich von etwas oder jemanden zu verabschieden. Es gibt sehr viele unterschiedliche Situationen, in denen wir Abschied nehmen müssen.
Zum Beispiel Abschied von der Jugend. Das passiert allerdings nicht von heute auf morgen, es ist ein längerer Prozess, der weder verhindert werden kann noch wirklich bemerkt wird. Wir sind nicht in einem Moment Jugendliche und im Nächsten gereift und erwachsen geworden. Unsere Eltern haben es sicherlich mehr bemerkt, als wir selber. Als heranreifender Jugendlicher ist es für sie nicht immer einfach mit uns gewesen.
Abschied vom Sommer. Auch das fällt mir anscheinend jedes Jahr schwerer. Die langen Tage, an denen es früh hell und spät dunkel wird, wechseln sich ab mit viel Dunkelheit, nassen und kaltem Wetter.
Ich habe das Gefühl, je älter man wird, umso schwerer fällt es einem, Abschied zu nehmen. Je älter man wird, um so intensiver werden auch die Abschiede. Denn je länger wir leben, um so öfter gibt es die richtigen, schweren Abschiede. Die, die nicht nur eine Zeit lang andauern und bei denen man die Tage zählen kann, bis sie überstanden sind. Ich rede von den schlimmsten aller Abschiede.
Wenn ein Mensch sehr alt geworden ist, hat er ein langes und hoffentlich erfülltes Leben gehabt. Wenn dieser nun von einem geht, sagen viele, dieser Mensch hatte ja auch sein Leben. Das ist sicherlich auch tatsächlich so. Für alle, die dieser Mensch jedoch zurücklässt, ist es ein sehr schwerer Verlust. Schließlich hat man nicht nur ein paar Jahre, sondern Jahrzehnte, vielleicht fast sein ganzes Leben mit ihm verbracht. Um so mehr Erinnerungen hat man dann auch abgespeichert, um so mehr Orte hat man gemeinsam erkundet. Einen solchen Verlust zu ertragen, ist dann sehr schwer.
Vor ein paar Tagen musste ich eine andere, mir völlig unbekannte Situation kennenlernen. Einen Erdenbürger zu verabschieden, der sein Leben gerade erst begonnen hatte. Der voller Tatendrang, voller Energie, voller Zuversicht, voller Leben war.
Wenn man noch nicht einmal zweiundzwanzig Jahre auf dieser schönen Erde verbringen durfte, fragt man sich, was Gott für einen Plan mit demjenigen hat. Diese Frage beschäftigte mich besonders, als es nun hieß, Abschied zu nehmen. In Gedanken sah ich meinen ehemaligen Kollegen vor mir, der immer für einen Spaß zu haben war.
Gemeinsam mit einem Kollegen haben wir uns für ihn als Auszubildenden entschieden. Manchmal kann man eine Person, die man kennenlernt, gut einschätzen. Nicht immer, aber meistens hatte ich mit meiner Meinung recht. Offen, gesprächig, sympathisch, erzählte er damals aus seinem Leben. Viele junge Leute sind bei einem Vorstellungsgespräch ängstlich, aufgeregt und es ist ihnen merklich unangenehm. Hier war es einfach ein nettes Gespräch. Daher waren wir uns schnell einig, dass wir uns freuen würden, ihn in unserem Team begrüßen zu dürfen. Und das haben wir auch nie bereut.
Offen, immer positiv, wissbegierig, hilfsbereit, immer für einen Schnack gut, entwickelte der junge Mann sich prächtig und hatte sich während seiner Ausbildung sehr viel Fachwissen angeeignet. Er erzählte gerne auch mal von seinen privaten Aktivitäten, und auch wenn ich zuletzt nicht mehr direkt mit ihm zusammengearbeitet hatte, wusste ich immer, wen ich anrufen konnte und wer mir bei bestimmten Fragen helfen würde. Meistens wurde dann, bevor es fachlich wurde, über das vergangene Wochenende geplaudert. Es war immer sehr angenehm, sich mit ihm zu unterhalten. Ich habe ihn sehr geschätzt.
Als ich nun den Raum betrat und die vielen Trauergäste sah, wusste ich, dass es nicht nur mir alleine so ging. Alle Stühle waren besetzt, viele waren gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. So einen Satz bei einem so jungen Mann überhaupt schreiben zu müssen, kostet Überwindung. Und als ich sein Foto anschaute, in sein lächelndes Gesicht sah, konnte ich es zunächst wieder gar nicht glauben. Seine Stimme im Kopf schaute ich erneut auf das Foto und dann auf ihn.
Es gibt Dinge, die unser Verstand einfach nicht greifen kann. Vielleicht ist das auch eine Art Schutz für unsere Seele und unseren Körper. Und als ich die Gegenstände, die neben ihm aufgebaut waren, erblickte, wurde meine Traurigkeit noch größer. Ein Rennwagen, ein Zauberwürfel. Gegenstände, die ihm Freude bereiteten.
Ich dachte darüber nach, welche Gegenstände wohl bei meinem Abschied aufgebaut werden würden. Mein Teddybär, Fotos von unseren Reisen, was würde es sein? Was würde ich selber für mich hinlegen? Mir fiel nichts ein.
Gerade einmal gute drei Jahre konnte ich ihn minimal auf seiner Reise begleiten. Und das nicht einmal wirklich aus der Nähe. Wir waren nur Kollegen, wussten nur wenig voneinander, hatten zuletzt wenig Berührungspunkte. Und trotzdem war und bin ich zutiefst traurig. Wie muss es erst seinen Eltern gehen? Für sie ist das Leid sicherlich kaum zu ertragen.
Es ertönt Musik in dem Raum. Filmmusik aus seinen Lieblingsfilmen. Eine schöne Idee. Vorne in diesem Saal ist ein großes, rundes Fenster an der Wand unter der Decke. Es scheint sehr viel Licht herein. Licht, das alle hier sicherlich genau in dieser dunklen Situation dringend nötig hatten. In diesem Moment flog plötzlich ein Schmetterling durch die Luft. Auf der Suche, nach dem Licht, das ihn anzog. Im ersten Moment sah es so aus, als könne er tatsächlich durch das runde Fenster in das warme Licht fliegen, doch es war verschlossen. Auch die anderen Fenster waren nicht geöffnet und für einen kurzen Augenblick wollte ich ihn am liebsten frei lassen. Doch ich habe mich nicht getraut. Nach einer Weile war er dennoch verschwunden.
Lieber Kollege, wo auch immer Sie jetzt sind, ich hoffe, Sie sind gut auf der anderen Seite angekommen. Angekommen im Licht, angekommen in der Unendlichkeit. Ich werde Ihre sympathische, immer freundliche, hilfsbereite und offene Art sehr vermissen.
Ich möchte allen, die diesen jungen Mann ebenfalls vermissen werden, versuchen etwas Trost zu geben, mit einigen Worten der Hoffnung.
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Das Foto oben habe ich übrigens 2008 geschossen. Es war ein wunderschöner Urlaub mit meiner Frau, meinen Eltern und Schwiegereltern.
Es war in Florida auf Key West. Ein Sonnenuntergang, den ich nie vergessen werde.
Eine Reise, die immer in meiner Erinnerung bleiben wird.