Wenn ich mit meiner Frau in den Urlaub fahre, und das kommt ja meistens sechs Wochen im Jahr vor, ist meine Mama immer ein wenig traurig. Nicht, dass sie uns den Urlaub nicht gönnt, aber zum einen macht sie sich oft Sorgen, wenn es in die weite Welt geht, zum anderen fehle ich ihr natürlich auch.

Klar, hat sie Freunde und Bekannte, hat auch immer mal wieder etwas um die Ohren, aber allein sein, wenn die Dunkelheit anbricht, ist nicht einfach. 

Nun konnte ich das mal wieder live nachvollziehen. Becca war eine Woche unterwegs. Natürlich gönne ich ihr das ebenfalls von ganzem Herzen, hart verdiente Überstunden sollen ja auch genossen werden. Und da ich nicht in den Genuss komme, welche aufzubauen, egal wie lange ich arbeiten würde, beschränkt sich mein Urlaub auf eben diese erwähnten sechs Wochen. 

Nicht falsch verstehen, das ist eine Menge Urlaub, von denen andere nur träumen können. In den USA zum Beispiel oder auch in Japan hat man durchschnittlich einen Urlaubsanspruch auf 20 Tage im Jahr. In Spanien auch nur auf 22 Tage. Unglaubliche zehn Tage sind es in China und Kanada. Allerdings gibt es in einigen Ländern auch mehr Feiertage als bei uns. Aber selbst bei uns haben einige Berufssparten nur einen Bruchteil von meinem. 

Wie auch immer, wollte nur betonen, dass ich mit meinen sechs Wochen sehr zufrieden bin. 

Wenn es allerdings dann so weit ist und die Partnerin verabschiedet sich, zieht sich mir jedes Mal mein Magen zusammen. Eine Woche allein, sieben Mal allein schlafen, sieben Mal allein aufstehen, schießt es mir dann durch den Kopf. 

Dann ist es geschehen. Die Haustür schließt sich, ich bin allein. Nun kann man nicht sagen, dass ich mich allein nicht beschäftigen kann. Doch, kann ich wirklich. Klar, zu zweit macht es mir einfach mehr Spaß, aber irgendetwas um die Ohren habe ich auch allein. Ob Sport, einkaufen, mal auf ein Bier mit jemanden treffen, in der Wohnung hantieren oder an meiner Seite arbeiten, es gibt immer etwas zu tun.

Wenn ich allein bin, höre ich lieber irgendwelche Nachrichten, Reportagen, statt nur Musik. Wenn ich Stimmen höre, habe ich anscheinend das Gefühl, ich wäre doch nicht allein. Aber wenn es dunkel wird, kommt auch eine gewisse Schwere zu mir. Ich schaue auf das leere Bett und versuche, dann schnell einzuschlafen. 

Viele Menschen können mit dem Alleinsein leben, sind es so gewohnt und kennen es vielleicht gar nicht anders. Fahren allein in den Urlaub, gehen allein essen, machen fast alles allein. Für mich unvorstellbar. 

Klar, kann ich mich zu Hause mit Alexa unterhalten, sie antwortet ja auch immer brav. Aber das ist natürlich kein Vergleich mit meiner Frau. Kann man einen Menschen zu sehr lieben? Diese Frage stelle ich mir häufiger. 

Mit wem soll ich reden, wenn mich in der Firma etwas bedrückt und ich am Abend allein bin? Über welches Lächeln soll ich mich freuen, wenn es mir nicht geschenkt wird? Wen soll ich im Schlaf anschauen, damit mir wieder einmal beim Anblick mein Herz aufgeht? Mit wem soll ich mich austauschen, über den Geschmack des Abendessens? An wen soll ich mich kuscheln, wenn ich nachts nicht einschlafen will? 

Diese Frage stellen sich sicherlich Millionen Menschen jeden Tag. Genau wie mit meinem langen Urlaubsanspruch habe ich das unschätzbare Privileg, nur wenig Tage im Jahr allein sein zu müssen. Ich gebe zu, nach ein paar Tagen der Zweisamkeit ist es dann schon wieder völlig normal, fühlt sich wie ein normaler Alltag an. Aber in stillen Momenten halte ich dann oft inne und weiß mein Leben in Zweisamkeit wieder neu zu schätzen. 

Manchmal habe ich das Gefühl, kurz nach der Verabschiedung, ich wäre unter Wasser und müsste nun während der Tage des Alleinseins die Luft anhalten. Nicht atmen, nicht reden, nicht bewegen. Nicht essen, nicht schlafen, nicht grübeln. Aber natürlich funktioniert das Leben nicht so. 

Viele Menschen können gut allein sein, werden meine Gedanken vielleicht weder verstehen noch nachvollziehen können. Viele Menschen sind froh, allein zu sein und können es sich gar nicht anders vorstellen. Zu denen werde ich sicherlich nie gehören. 

Es macht mich schon traurig, wenn ich etwas Schönes, etwas Besonderes, allein erleben muss. Ich habe dann die Bilder im Kopf und kann sie nicht mit meiner Frau teilen, darüber reden. Sie sind ausschließlich bei mir abgespeichert. Ja, das macht mich manchmal traurig. 

Vielleicht bin ich auch eine absolute Ausnahme? Vielleicht stelle ich mich einfach zu sehr an. Vielleicht wurde es mir auch einfach nur in die Wiege gelegt und ich kann da gar nichts für. Meine Eltern waren weit über 50 Jahre verheiratet und kannten sich bereits als heranreifende Erwachsene, haben alles zusammen gemacht. Vielleicht liegt es mir also in den Genen. 

Ja, an manchen Tagen gelingt es mir, das Alleinsein zu genießen. Am PC sitzen, solange ich will, ungesunde Dinge essen, meinen Lieblingsfilm Basic Instinct zum bestimmt fünfzigsten Mal zu schauen, und wenn möglich, auszuschlafen. 

Aber die Zeit der Freude hält meistens bei mir nicht lange an. Wenn ich als Tier zur Welt gekommen wäre, wäre ich bestimmt als Schwan geboren. Die sind auch ein lebenslang immer mit ihrem Partner zusammen. Allein macht sich in mir die große Schwere breit. Allein bin ich nur ein halber Mensch.