Bitte warten
Das Leben ist kein Ponyhof und auch kein bunter Teller!
Diese beiden blöden Sprüche fallen mir immer öfter ein. Sprüche, die ich vor langer Zeit süffisant einer unserer Auszubildenden gesagt habe, wenn es irgendwelche Einwände gab.
Der Grund, warum ich daran denken musste, war, dass ich mal wieder warten musste. Warten am Telefon, eine ganz besondere Herausforderung. Ich habe gerade eine Reise für uns gebucht, alles funktionierte perfekt. Doch statt der Buchungsbestätigung, die ich laut der Webseite des Anbieters sofort per E-Mail zugesendet bekommen sollte, bekam ich eine Buchungsanfrage.
Bestätigung und Anfrage sind ja nun zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Nicht, dass wir uns wochenlang auf den Urlaub freuen um dann feststellen zu müssen, dass diese Anfrage nicht geklappt hat. Also besser einmal nachfragen. Per E-Mail funktioniert das leider nicht wirklich, also zum Hörer gegriffen und die angezeigte Telefonnummer für Rückfragen gewählt.
Was dann wieder kam, kennt inzwischen sicherlich fast jeder. „Das Gespräch wird zu Schulungszwecken aufgenommen. Wenn Sie damit einverstanden sind, drücken Sie die eins, wenn nicht, die zwei. Möchten Sie eine Reise buchen, dann drücken Sie die eins. Möchten Sie eine Reise stornieren, dann drücken Sie die zwei. Haben Sie Fragen oder Änderungswünsche zur gebuchten Reise, drücken Sie die drei. Wenn Sie über TUI gebucht haben, drücken Sie die eins. Wenn Sie über einen anderen Anbieter gebucht haben, drücken Sie die zwei. Handelt es sich um eine Pauschalreise, dann drücken Sie die eins. Wenn es sich nur um einen Flug handelt, drücken Sie die zwei“. Ich hasse das!
Beim ersten Anruf war ich bei der dritten Frage irgendwie abgelenkt und hörte gar nicht richtig zu. Prompt drückte ich die falsche Taste, bog also falsch ab und musste wieder auflegen und von vorne beginnen.
An der richtigen Stelle wartete ich also auf den nächsten freien Mitarbeiter. Während ich immer wieder auf die Anzeige mit der verstrichenen Zeit auf mein Handy schaute, spürte ich irgendwann, wie meine Halsschlagader leicht anschwoll. Natürlich können die Mitarbeiter nichts dafür und ich bin, wenn ich dann irgendwann durchkomme, zwar oft echt genervt, lasse es aber auf keinen Fall an ihnen aus. Es sei denn, die kommen mir doof. Nach einer gewissen Wartezeit kann ich das dann auch sehr gut, doof werden.
Warten gehört für uns alle zum täglichen Leben. Seit Corona hat sich das meiner Meinung nach auch noch einmal deutlich verstärkt.
Je nach Lebensverhältnissen gibt es eine Menge Anlässe, zu warten.
Warten auf öffentliche Verkehrsmittel, warten in der Firma auf Termine, Meetings, Rückmeldungen von Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Warten bei Bankgeschäften, am Schalter, falls den noch jemand nutzt, vor dem Geldautomaten, beim Onlinebanking.
Warten auf Noten oder Prüfungsergebnisse in der Schule oder der Uni, auf den Dozenten vor der nächsten Vorlesung. Warten beim Sport. Auf ein freies Gerät oder einen freien Platz im nächsten Kurs. Warten beim Friseur, der Werkstatt mit Deinem Auto. Vor dem Freizeitpark, dem Theater, aufs Getränk an der Bar.
Warten bei einer Verabredung auf Freunde und Familie, auf den Handwerker, warten im Stau, warten beim Bäcker, warten, warten, warten. Ich könnte natürlich nur fast endlos so weiterschreiben und weitere Beispiel nennen.
Gefühlt habe ich in meinem Leben noch nie so viel gewartet.
Ich habe mal recherchiert, wie lange man im Durchschnitt im Leben warten muss. Das variiert natürlich sehr stark und hängt von den individuellen Lebensumständen, dem Besuch, dem Alter, dem Wohnort und anderen Dingen ab.
Trotzdem haben verschiedene Studien und Schätzungen versucht, diese Zeit zu qualifizieren.
Demnach verbringt ein durchschnittlicher Autofahrer zwischen 38 und 97 Stunden im Jahr im Stau. Auf zum Beispiel 75 Lebensjahre hochgerechnet sind das etwa 2.850 bis 7.275 Stunden im Leben.
37 Stunden im Jahr sitzen wir in Wartezimmern bei medizinischen Einrichtungen. Nach 75 Jahren haben wir dann insgesamt 2.775 Stunden dort verbracht.
Auch im Supermarkt an der Kasse ist oft warten angesagt. 35 Minuten pro Woche wird geschätzt. Mit 75 hast Du also dann 136 Tage Deines Lebens an einer Kasse gewartet.
Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzen muss, der wartet in 75 Jahren etwa 20 bis 30 Minuten pro Tag, sind 1.142 bis 1.713 Tage.
Aber auch am PC muss man oft warten. Auch das sind summiert einige Monate im Leben.
Dazu kommen natürlich Wartezeiten im Restaurant, bei Veranstaltungen, Behördengängen und vieles mehr.
Geschätzt verbringt man in seinem Leben durchschnittlich fünf Jahre mit warten. Eine, wie ich finde, unfassbare Zahl.
Na dann, frohes warten!