Das Labyrinth der Wörter lautet der Titel einer meiner Lieblingsfilme.

Der französische Film aus dem Jahr 2010 erzählt die Geschichte des 45 Jahre alten, fast Analphabeten, Germain, gespielt von Gérard Depardieu und der 95 Jahre alten Margueritte, gespielt von der leider inzwischen verstorbenen Gisèle Casadesus. Es prallen Welten aufeinander. Sie, alt und sehr gebildet, verliebt in die Literatur, er, von seiner Mutter ungeliebt, schon in der Schule regelmäßig gedemütigt und des Lesens kaum mächtig. Sie treffen sich auf einer Parkbank und freunden sich an. Es ist ein sehr emotionaler und tief ergreifender Film. Ich liebe ihn. 

Dieser Film kam mir gerade vor ein paar Tagen wieder ins Gedächtnis. Wir waren wieder einmal auf einer unserer Wanderausflüge. Dieses Mal hatte es uns in den Naturpark Holsteinische Schweiz verschlagen. Unsere Wanderung hatte insgesamt, so zeigt es mir mein iPhone an, etwa 21 Kilometer Strecke. An Wiesen und Feldern entlang, durch viele Wälder und manchmal auch kurz an der Straße, genossen wir wieder einmal die herrliche Natur im schönsten Bundesland der Welt. 

Bei etwa 28 Grad konnten wir uns auf unserer Wanderung sowohl im Plöner See als auch im Stocksee kurz erfrischen. Natürlich ist die Temperatur in einem See meist angenehmer als in der Ostsee, aber baden im See ist jetzt nicht wirklich meine erste Wahl. Da liebe ich doch eher das erfrischende Bad in den Wellen. 

Schon einmal war uns bei einer Wanderung um den Ukleisee etwas ganz Besonderes aufgefallen. Im Wald waren Plakate und Hinweise, die im Zusammenhang mit Liebe standen, aufgebaut. Es war der Liebeswald und in einen Briefkasten konnte jeder eine kleine Liebesgeschichte herausnehmen. Es war eine so schöne Idee und mit sehr viel Liebe gestaltet.

Dieses Mal gab es ein neues Motto. Der Name: „Wald der gegessenen Wörter“. Auf 24 Plakaten findet man alte Wörter, die die Künstlerin Anne Gabriel in Kalligrafie darauf geschrieben hat. Am Ende der Plakat-Strecke, direkt am See, ist dann wieder der Briefkasten, bestückt mit Zetteln und Stiften. Hier kann jeder ein altes Wort, einen alten Begriff auf einen Zettel schreiben und ihn in einen Baum hängen. Dort wehen schon viele Zettel im Wind. Was für eine schöne Idee, oder? Natürlich haben auch wir die Gelegenheit nicht verpasst und uns beteiligt. 

Einige der Wörter auf den Plakaten sagten uns tatsächlich gar nichts. Aufklärung gibt es zu Beginn der kleinen Tour. Auf einen Zettel geschrieben findet man die Bedeutungen zum Mitnehmen in einem kleinen Kasten.   

Schon vor einer Weile stellte ich fest, dass eine andere Generation bereits Namen wie Alfred Hitchcock, Muhammad Ali oder auch Mahatma Gandhi nicht mehr kennt. Genauso ist es mit alten Begriffen, die für den einen oder anderen ganz einfach zum Sprachschatz gehören, wenn auch nicht mehr oft benutzt. 

Eigentlich ist es doch total schade, dass diese Wörter nicht weitergetragen werden. In der Schule werden diese vermutlich nicht mehr gelehrt. So wird es dann eines Tages niemanden mehr geben, der diese noch benutzt. Ein trauriger Gedanke, oder?

Umgekehrt werden von Jugendlichen heutzutage natürlich auch Wörter verwendet, die ich nicht verstehe und ehrlich gesagt auch gar nicht verstehen möchte. Oder hast Du schon mal folgende Wörter gehört: Cringe, sheesh oder Digga. Alleine, wenn ich das Wort sheesh hier eingebe, erkennt das dieses Schreibsystem nicht und versucht es in Sehtest umzuwandeln. Damit ihr diese wichtigen Wörter auch verstehen könnt, hier die Übersetzungen: Cringe – Fremdscham oder peinlich, unangenehm. Sheesh – oha, Erstaunen. Digga – Freund oder Kumpel. Muss man nicht wissen, denkst Du jetzt. Denke ich auch. 

Zurück in den Wald. Einige dieser Wörter möchte ich auch nennen: Augenweide, Dreikäsehoch, Firlefanz, Holterdipolter, Potzblitz, Zappenduster. 

Klingt das nicht schön, fast wie Musik? Natürlich ist auch das eine Frage des Geschmacks und des Alters. Aber ich finde, diese Wörter sind wie Balsam für die Ohren. Jetzt stell Dir vor, in einigen Jahren kann niemand mehr etwas damit anfangen. Wäre das nicht wirklich schade? Vielleicht sollten wir einfach wieder öfter diese Wörter in unseren Sprachschatz aufnehmen und sie benutzen, wann immer es passt. 

Ich habe einfach mal einen kleinen Text mit diesen 24 schönen Wörtern geschrieben: 

Als der Dreikäsehoch zusammen mit dem Tagedieb saumselig und quirilierend, juchzend und mit viel Radau das Feld betraten, das wirklich gediegen aussah, kam bärbeissig holterdipolter der Landwirt zunächst kommod und etwas verzagt auf die beiden zu. Er schaute sich sein bestelltes Feld an, das wahrlich eine Augenweide war und fast schon elysisch aussah. „Potzlitz, was soll der Mumpitz“, schrie dieser und ging auf die Beiden zu. Der kleine Naseweis lachte laut, während der Tagedieb etwas obskur schaute. „Bis der hier ist, ist es zappenduster“, sagte der Tagedieb wohlfeil zum Kleinen und trällerte ein Couplet. „Willst du mich uzen, was soll der Firlefanz“?, rief der Landwirt den Beiden zu. Doch nach einem kurzen Kennenlernen verstanden sich die Drei und es wurde eine illustre Runde. Der Landwirt holte ein paar Flaschen frisch gepressten Saft, was für die Beiden ein Labsal war und verbrachten ein paar fröhliche Stunden zusammen.

Klingt das nicht fast wie in Grimms Märchen? Damit sind alle „vergessenen Wörter“ aus dem Wald aufgebraucht. Aber die vielen, kleinen Zettel mit den selbstbeschriebenen Wörtern, sind natürlich nicht alle berücksichtigt. 

Den Wald der vergessenen Wörter solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen. Wie wäre es mit einer kleinen Wanderung? Es lohnt sich wirklich!

Näheres findet Ihr hier: Wald der vergessene Wörter