Die schönste Nebensache der Welt

Ich erinnere mich immer wieder sehr gerne daran. Mein erstes Fußballspiel in meinem Leben. Sehe ich nicht aus wie ein Fußball-Profi auf dem Foto? Zu Beginn einer langen Karriere. 

Die Karriere hätte theoretisch beginnen können, hat sie aber nicht. Denn zum einen war ich weder ehrgeizig genug noch hatte ich übermäßiges Talent, um eines Tages einmal mit Fußball Geld verdienen zu können, tatsächlich Karriere damit zu machen. Aber das macht auch gar nichts.

Es sollte ja auch in erster Linie um Spaß gehen. Und Spaß hatte ich auch, ganze 10 Jahre lang. Als ich anfing interessierten uns Mini-Buben viele Regeln noch gar nicht. Abseits war höchstens derjenige, der während des Spiels jenseits vom Geschehen zwischendurch im Gras spielte und ab und an mal versuchte ein Rad zu schlagen. Ich nenne jetzt keinen Namen, aber mein Freund Thorsten störte es nicht, mal kurz im Abseits zu verweilen.

Seitdem ich etwa sechs Jahre alt bin, habe ich mich mehr oder weniger bis heute für Fußball interessiert. Mal mehr, mal weniger. Die 10 aktiven Jahre waren auch schöne Jahre. Zusammen mit Gleichgesinnten wurde am Wochenende, manchmal auch in der Woche, gekickt. Selbstverständlich war ein großer Teil der Familien zum anfeuern als Zuschauer oft dabei. 

Die Welt war für uns damals so klein, wie wir selber es waren. Schule, spielen, Schularbeiten, Ferien und noch mehr spielen waren unsere Begleiter. Von einem Smartphone haben wir nicht einmal ansatzweise geträumt. 

Schon während dieser Zeit war ich ab und an mal live mit meinem Vater im Stadion. Und zwar in Hamburg beim HSV. Damals natürlich noch erstklassig. Dass sich das eines Tages mal ändern würde, hätte man nicht für möglich gehalten. 

Da mein Vater begeisterter Fußballfan war, schaute ich natürlich auch mit. Damals sympathisierte man mit dem Verein, den der Vater am liebsten mochte. Schräg, dass ich also mal den FC-Bayern anfeuerte. Das änderte sich aber im Laufe der Pubertät. Spätestens, als ich gelernt hatte, klar zu denken.

Länderspiele waren damals immer ein ganz besonderes Ereignis. Europa- und Weltmeisterschaften natürlich ein absolutes Highlight. Selbstverständlich hat man jedes Spiel der eigenen Mannschaft gebannt vor dem Fernseher verfolgt. Die Straßen waren nahezu wie leer gefegt, wenn ein wichtiges Spiel anstand. 

1994 war mein Highlight die Teilnahme an der Fußball-WM in den USA. Drei Spiele konnte ich live verfolgen, ein unvergessliches Erlebnis, auch, wenn unser Abschneiden mies war. (Hierzu kannst Du auch meinen Blogbeitrag „In Zukunft wird jeder 15 Minuten berühmt sein!“ lesen.)

2006, das Sommermärchen, gehört zu meinen absoluten Höhepunkten in meinem Leben. Was war das für eine schöne Zeit, ein schönes Jahr, ein ganz besonderer Sommer. Die Stimmung im Land war atemberaubend. Während man damals schon eine Deutschland Flagge im Schrebergärtchen rechtfertigen musste, kopfschüttelnd von einigen angeschaut wurde, sollte sich das plötzlich komplett ändern. 

Als das erste Auto bei uns auf dem Firmenparkplatz zwei kleine Deutschland Fahnen zierte, wurden auf der Straße täglich immer mehr gesichtet. Aus den Fenstern vieler Häuser hingen nach und nach immer mehr Landesfahnen. Überall, wo man hinschaute, Schwarz-Rot-Gold. Immer mehr liefen vor oder auch nach einem Spiel mit einem Trikot durch die Straßen, die Stimmung schien noch nie so einig gewesen zu sein. Was für ein Moment. 

Und auch, wenn wir den Pokal nicht geholt haben, es war ein ganz besonderes Jahr, eine ganz besondere Stimmung im Land. Ich behaupte mal, die wird es so nie wieder geben. 

2024 Europameisterschaft im eigenen Land. Auch jetzt ist die Stimmung gut, wird immer besser. Das kann sich natürlich vor wenigen Minuten geändert haben, denn da haben wir gegen Spanien gespielt. Für mich das vorgezogene Endspiel. Während ich meine Zeilen hier ein tippel, weiß ich natürlich nicht, ob die Reise im eigene Land weitergeht.

Für mich fing diese EM mit einem leckeren, echten, Wienerschnitzel an. Nicht, dass wir schon gegen Österreich gespielt hätten, nein, am Tag der Eröffnungsfeier war ich zum Essen eingeladen. Was macht man nicht alles für die Familie. Natürlich habe ich sowohl die Feier als auch das Spiel aufgenommen, was natürlich nicht das gleiche ist, als wäre man live dabei.

So eine schlechte Eröffnungsfeier habe ich allerdings mein gesamtes Leben noch nicht gesehen. Da wäre man meiner Meinung nach besser beraten gewesen, dieses Gehampel komplett wegzulassen. Ist mir ein absolutes Rätsel, was das sein sollte. Dafür war das Auftaktspiel unserer Mannschaft aber um so ansprechender, auch, wenn es eben nicht live war. 

Was ich während des Turniers sehr schade und einfach auch unnötig, unangebracht und unsportlich finde, ist es, wenn Anhänger einer Mannschaft die gegnerische Mannschaft über die komplette Zeit auspfeift. Das gehört sich einfach nicht. 

Und was ich ganz übel finde und was ein kompletter Stimmungskiller ist, ist der Einsatz von hochmoderner Präzisionstechnik. Man hat die Büchse der Pandora geöffnet, muss damit jetzt leben, aber Spaß kommt dabei nicht auf. Bei keinem Tor kann man sich freuen, denn das Tor ist noch gar kein Tor. Immer wieder wird erst einmal geprüft und auf das Männchen im Ohr gehört. Chips im Ball zeigen zusammen mit den Aufnahmen an, ob dieser mit der Hand berührt wurde. Millimeter genau kann man erkennen, ob der große Zeh im Fußballschuh vor dem des anderen Spielers war. 

Immer wieder wird geprüft, korrigiert und neu entschieden. Hightech-Fußball, wir, oder eher gesagt, die Verantwortlichen, wollten es ja so. Nur, weil es eine solche Technik gibt, muss sie daher auch unbedingt eingesetzt werden? Ist man nicht in der Lage, mit drei Schiedsrichtern die bestmögliche Entscheidung zu treffen, auch wenn diese ab und an mal vielleicht falsch ist?

Fußball sollte in erster Linie Spaß bringen? Schon lange nicht mehr. Es geht um Millionen und Milliarden Euro. Es geht wie immer um Geld, um sehr viel Geld.  

Das zeigt auch, dass zum Beispiel das Spiel im Achtelfinale, Österreich gegen die Türkei, nicht im „normalen“ Fernsehen ausgestrahlt wurde. Unfassbar. Jetzt kann ich gar nicht sehen bzw. hören, ob unsere türkischen Freunde erneut als die am längsten pfeifenden Zuschauer in die EM-Geschichte eingehen. 

Noch ein Aufreger: Nachdem ich vor gefühlt zehn Minuten bereits Abseits gebrüllt habe, das Spiel aber immer weiter und weiter läuft, hebt der Linienrichter dann doch noch seine Fahne und pfeift ab. Ebenso eine dermaßen bescheuerte Regel, die mir ein weiteres Mal die Freude am Fußball nimmt. 

Wenn man als Fußballfan während der Eröffnungsfeier und des Eröffnungsspiels im eigenen Land ein Wiener Schnitzel in einem Lokal isst, was wirklich extrem lecker war, dann ist das nicht mehr zu toppen? Und ob. Während gerade das Viertelfinale gelaufen ist oder vielleicht, jetzt, Freitag, um 20:21 Uhr noch läuft, bin ich mit meiner Frau im Garten einer Hochzeitsfeier. Fußball live eher unerwünscht. 

Ihr findet das lustig? Ehrlich gesagt, ich irgendwie auch. Man muss Prioritäten setzen! Was gibt es Wichtigeres, als Familie und Freunde. Es ist ja nur Fußball, die schönste Nebensache der Welt. 

PS. Sollte es tatsächlich für unsere Mannschaft noch weitergehen, bin ich sehr gespannt, zu welchem Event wir dann an dem nächsten Spieltag eingeladen werden. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.