Dieser Moment

Es gibt Tage, da liegt man im Bett und ein Blick auf die Uhr sagt einem ganz klar, es wird höchste Zeit, zu schlafen. 

Doch auch wenn der Körper noch so müde ist, der Geist will einfach nicht zur Ruhe kommen. 

Im Kopf arbeiten immer noch tausend Gedanken und machen mal wieder ungewollt Überstünden. Wie war der Tag? Hat er sich überhaupt „gelohnt“? Hatte ich Spaß? Worüber habe ich mich heute geärgert? Warum habe ich das nicht anders gemacht? Was wäre gewesen, wenn ich mich in dieser Situation anders entschieden hätte? Warum habe ich das nicht besser gemacht? Während die eine Frage sich ganz langsam ohne Antwort auflöst oder einfach vorbeizieht wie eine Wolke am Himmel, erscheint schon die Nächste, man kann so gar nichts dagegen machen. Sie tauchen ungewollt auf, lassen sich nicht steuern. 

Endlich ist dann der Tag Revue passiert, schon ziehen neue, oft dunkle Wolken auf. Was wird morgen sein? Werde ich rechtzeitig bei dem Termin sein können? Was ist, wenn der Arzt bei der Kontrolluntersuchung etwas Schlimmes feststellt? Wie soll ich das zeitlich alles schaffen? Wir brauchen endlich ein Geschenk für unsere Patentochter!

Wenn mal wieder all diese Fragen auftauchen, versuche ich mich einfach auf eine Frage zu konzentrieren:

Auf was kannst Du Dich morgen freuen? Das muss gar nichts Außergewöhnliches sein, es reicht einfach ein gutes Essen, ein angenehmes Gespräch, eine neue Folge meiner Lieblingsserie, ein Besuch einer lieben Freundin. Aber manchmal will auch das nicht gelingen. 

Aber es gibt einen Moment, auf den ich mich jeden Tag freuen kann. Es ist für mich ein ganz besonderer Moment, den ich unter keinen Umständen missen möchte. Es ist nicht immer möglich, diesen jeden Tag zu erleben. Das macht ihn zusätzlich noch wertvoller. Bei der Vorstellung daran, ihn wieder umsetzen zu können,  verschwinden endlich meine unangenehmen Gedanken und endlich schlafe ich ein. 

Der Wecker klingelt mal wieder viel zu früh. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dieser Moment, der mir eben noch beim Einschlafen geholfen hat, ist nahe. Ich stehe müde auf, gehe ins Bad und mache mich frisch. Jede Sekunde, die ich jetzt einsparen kann, ist wertvoll. Ein erneute Blick auf die Uhr sagt mir, heute sind es genau zwanzig Minuten. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer, der Wecker klingelt das zweite Mal  jetzt also genau in achtzehn Minuten. Achtzehn Minuten einer Ewigkeit. Leise krabble ich zurück ins Bett, auf die Seite, die ganz warm ist. 

Und da ist er, dieser eine Moment. Du hast mich gehört und öffnest  deine Bettdecke. Dein Körper liegt darin eingekuschelt, ist kaum zu sehen. Deine Beine angezogen, dein Kopf ruht auf meinem Kissen. Ich schiebe mich rückwärts an dich, du dich vorwärts an mich. Immer enger zusammen, du nach vorne, ich mich nach hinten. Dein Arm umschlingt meinen Körper, deine Hand sucht die meine. Immer weiter, immer tiefer sinke ich unter die Bettdecke, als wäre es eine warme, tiefe und sichere Höhle. Jetzt sind wir eins.

Ich fühle mich geborgen, glückselig. Die totale Entspannung. Kraft tanken für den Tag, den Akku aufladen. Einfach nur genießen. 

Diesen perfekten Augenblick, diesen einen Moment!

 

 

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