Du hast die Wahl (gehabt)
Im Leben werden viele Entscheidungen getroffen, die Du nicht beeinflussen kannst. Ob in der Firma, in der Nachbarschaft, vielleicht auch in der Familie. Entweder Du wirst erst gar nicht gefragt oder die Entscheidung steht bereits fest, bevor Du darüber diskutieren darfst. Bei einigen kannst Du versuchen, sie im Nachhinein noch zu ändern, bei vielen ist das nicht mehr möglich.
Das gilt im Kleinen wie im Großen.
Das schöne und besondere in unserem Land ist, dass wir in einer Demokratie leben. Laut Democracy Index der britischen Zeitschrift The Economist leben nur etwa 45,4 Prozent der Menschen weltweit in einer Demokratie. Das ist ein unschätzbares Privileg, das trotzdem nicht von allen geschätzt wird.
Freie und faire Wahlen sind Grundvoraussetzung für eine Demokratie. Alle vier Jahre haben wir die Möglichkeit, eine Bundesregierung zu wählen und alle fünf das Europaparlament. Diese Chance wählen zu können, beanspruchen aber gerade einmal gute 50 Prozent.
Am 09.06.2024 fand die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament statt. Und auch, wenn sich bereits das Ergebnis weit vor den Wahlen abzeichnete, war die Überraschung und Empörung sehr groß.
Europa wandert nach rechts.
Mein Kollege, oder vielleicht sogar, Freund, Manfred und ich waren eigentlich immer auf einer Wellenlänge. Wir haben viel zusammen gelacht, haben uns immer bestens verstanden. Ich vermisse ihn immer noch sehr. Bei einem Thema haben wir jedoch völlig unterschiedliche Meinungen gehabt. Als 2015 rund zwei Millionen Menschen, Flüchtlinge, in die EU kamen.
Während Menschen auf den Bahnhöfen standen und diese neuen Bürger mit Blumen begrüßten, unsere damalige Kanzlerin Selfies mit ihnen machte, hatte ich Bauchschmerzen beim Anblick dieser Massen. Nicht, weil ich die Beweggründe nicht verstehen konnte und auch nicht, weil ich ein Ausländerhasser bin, sondern weil alle unkontrolliert einwandern konnten.
Während man in Europa und vielen Teilen der Welt jahrzehntelang versucht hat, Terroristen, wie zum Beispiel die vom 11. September, möglichst nicht ins eigene Land zu lassen, konnte jeder ohne registriert oder kontrolliert zu werden, einreisen. Wenn ich mir Gäste nach Hause einlade, möchte ich schon genau wissen, um wen es sich handelt.
Ich sehe die Kanzlerin immer noch überzeugt ihren berühmten Satz sagen, wir schaffen das. Nur mit wir hat sie alle Bürger, das ganze Land gemeint, ohne nach deren Meinung zu fragen.
Dass das damals wohl keine so gute Idee war, haben einige Menschen mittlerweile gemerkt. Auch mein Freund Manfred gestand mir das im Nachhinein ein. Doch im Prinzip hat sich bis heute nichts geändert. Noch einmal, ich kann verstehen, dass man aus so manchem Land gerne weg möchte, würde ich in der Situation wahrscheinlich auch versuchen. Und es ist auch richtig, das man Schutzsuchenden Schutz gewährt. Die Frage ist nur, wer schützt die ursprüngliche Bevölkerung mit allen bereits integrierten und friedlichen Bürgern?
Einige Parteien nennen viele Gründe, warum man so ein schlechtes Wahlergebnis erzielt hat. Aber das Wort Migration geht den meisten nicht über die Lippen. Andere Parteien, die das alles mit ihrer eigenen Kanzlerin für ganz Europa erst zugelassen und forciert haben, tun heute so, als hätten sie es nie gewollt, genau wie den Ausstieg aus der Atomenergie. Immer sind die anderen Schuld. Das finde ich zutiefst unmoralisch und heuchlerisch.
Jahrelang wird bei einem großen Teil der Bevölkerung die Migrationspolitik kritisiert. Keine Partei hat außer Floskeln auch nur ansatzweise etwas dagegen unternommen. Straftaten werden hart verurteilt, was für eine Dauerphrase. Aber es passiert nichts, es ändert sich nichts.
Dann kommt eine Partei, die es auf den Punkt bringt. Die eigentlich nicht wirklich für ein anderes Thema steht. Erst als immer mehr Bürger sich bei den anderen Parteien nicht mehr gut aufgehoben fühlen, suchen immer mehr Menschen eine Alternative. Und auch, wenn man immer wieder versucht, diese Menschen in eine rechte Ecke zu stellen, sind es in Wirklichkeit ehemalige Wähler der Mitte. Ganz normale Bürgerinnen und Bürger.
Plötzlich, es stehen Wahlen an, reißen sich einige Parteien zu denselben Parolen hin, wie die geächtete Partei im Aufwind. Verkünden beispiellose Ergebnisse, Verschärfungen. Bei genauem Hinsehen sind die aber lächerlich, lassen sich so gar nicht umsetzen.
Wie traurig muss es sein, wenn Du viel Geld für eine Flucht bezahlst, Dein Leben aufs Spiel setzt, Dir ein Schlaraffenland versprochen wird und Du dann bei uns ankommst, um für eine sehr, sehr lange Zeit in einem Zeltlager leben zu müssen.
Wie traurig ist es, wenn wir versuchen weltweit Fachkräfte anzuwerben, sie zu uns locken, sie kaufen, wenn sie doch eigentlich in ihrem eigenen Land noch viel dringender benötigt werden. Viele Länder sind so bettelarm und wir wollen ihnen ihre Elite, Ärzte, Ingenieure, Krankenschwestern, Hochbegabte wegnehmen. Das ist egoistisch. Doch darüber hat noch niemand gesprochen.
Auch, wenn es immer noch viele nicht wahrhaben wollen, vielen Menschen tut man keinen Gefallen damit, sie aufzunehmen.
Es gibt nicht genug Schulen, Kindergärten, Ärzte, Unterkünfte. Viele Menschen sind überlastet. Lehrer haben Angst, einigen neuen Schülern etwas zu sagen, weil es sonst Ärger mit den Eltern gibt. Kulturelle Welten treffen aufeinander und es gibt unzählige Probleme, die täglich von den Betroffenen bewältigt werden müssen. Die Politik entscheidet, die Herausforderungen, die damit verbunden sind, müssen andere bewältigen. Wie wäre es, wenn man, bevor man Entscheidungen trifft, sich mit den Menschen, die es letztendlich betrifft, austauscht, nach deren fachkundige Meinung fragt?
Frauen werden nicht respektiert, gleichgeschlechtliche nicht anerkannt, die Gewaltkriminalität durch Zuwanderung steigt um 30 Prozent. Immer wieder kommt es zu Messerangriffen. Die gab es doch früher nicht. Immer mehr häusliche Gewalt an Frauen findet statt.
Im Zug, auf Bahnhöfen, bei Großveranstaltungen, wie auf dem Weihnachtsmarkt, vielerorts fühlt man sich nicht mehr sicher. Gerade mussten zwei junge Menschen in Schleswig-Holstein in einem Zug sterben, ein Polizist bei einem Einsatz in Mannheim. Wieder mal durch ein Messer.
Ahmed Mansour hat neulich im Fernsehen gesagt, die wichtigste Aufgabe einer Regierung ist es, die eigene Bevölkerung zu schützen, bevor man anderen Schutz anbietet.
Uns geht es gut in diesem Land. Sicherlich auch zum Teil auf Kosten anderer Länder. Wir haben die Pflicht, anderen Menschen, denen es nicht so gut geht, zu helfen.
Über 21 Millionen Menschen haben in unserem Land einen Migrationshintergrund. Das sind etwa 26 Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine kleine Prozentzahl davon will sich nicht integrieren.
Eine Migrationsministerin sagt, eine Obergrenze für Flüchtlinge gibt es nicht. Wenn die Unterkünfte nicht reichen, werden neue geschaffen. Ob manche kleinen Gemeinden damit völlig überlastet sind, ob die Bevölkerung anderer Meinung ist, spielt keine Rolle.
Wahrscheinlich bin ich nicht der Einzige, der sich wundert, dass sich nach der Wahl plötzlich so viele wundern.
Die Rhetorik der Politiker ist immer gleich. Wir müssen, wir wollen, wir werden. Und das schon seit Jahren. Aber kaum etwas wird tatsächlich umgesetzt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und deren Angehörigen, ich kann es nicht mehr hören.
Wie schön wäre es, wenn jeder, der in unser Land kommt, sich an die geltenden Regeln hält und der Gesellschaft einen Beitrag leistet. Wie schön wäre es, wenn die eigene Regierung die Sorgen und Wünsche der Bevölkerung mehr im Fokus hätte, statt ständig immer nur die selben Phrasen zu dreschen. Wie schön wäre es, wenn man Ereignisse offen ansprechen würde, statt sie lieber unter den Teppich zu kehren. Und wie schön wäre es, Kritik, Meinungen und Ängste nicht sofort als rechtsradikal zu verurteilen.
Wie schön wäre ein Leben, in dem verschiedene Kulturen voneinander lernen und friedlich zusammen leben.