Dumm und noch dümmer

Dumm und noch dümmer

Im Durchschnitt liegt der IQ eines Menschen zwischen 85 und 115. Das soll auf etwa 68 Prozent der Menschen zutreffen. Unter 70 gilt als deutlich unterdurchschnittlich. Alles über 115 bis 130 ist überdurchschnittlich, und über 130 gilt man als hochbegabt. Wenn man über den IQ eines Menschen spricht, kommt fast jeder sofort zu der Erkenntnis, dass Albert Einstein einen weit überdurchschnittlichen IQ hatte, also sehr hochbegabt. Allerdings hat er niemals einen Test gemacht, denn diese Tests wurden erst später verbreitet. Geschätzt wird, dass sein IQ über 160 lag. Es ist schon bemerkenswert, wie viele fest davon überzeugt sind, obwohl der Test nie durchgeführt wurde.

Aber was sagt ein solcher Test eigentlich aus?

Ein IQ-Test misst bestimmte Arten von Intelligenz. Vor allem logisches Denken, Sprachverständnis und Wortschatz, räumliches Denken, Mustererkennung, Arbeitsgedächtnis und Konzentration. Das sind die wichtigsten Messungen.

Was misst ein IQ-Test aber nicht?

Kreativität zum Beispiel, neue Ideen, künstlerische oder originelle Lösungen. Emotionale Intelligenz, also wie gut man mit Gefühlen umgeht oder andere versteht. Soziale Kompetenz wie Empathie, Teamfähigkeit und Kommunikation. Praktische Intelligenz, also Alltagsgeschick, handwerkliche oder organisatorische Fähigkeiten. Weisheit und Lebenserfahrung sowie Motivation und Durchhaltevermögen.

Ein Mensch kann also einen eher durchschnittlichen IQ haben, aber trotzdem herausragend erfolgreich oder klug handeln, weil er kreativ, empathisch oder diszipliniert ist.

Mir persönlich gefällt eine Mischung aus beidem. Hochbegabte Menschen, zum Beispiel Kinder, die mit drei Jahren fast perfekt Klavier spielen können, sind mir manchmal etwas unheimlich.

Apropos unheimlich, in letzter Zeit habe ich immer häufiger beobachtet, dass es anscheinend immer mehr, entschuldigt die direkte Formulierung, dumme Menschen gibt. Ich halte mich nicht für klüger als andere, also eher für durchschnittlich. Wobei sich das schon wieder abwertend anhört, aber ihr wisst, wie ich das meine. Das, was ich nicht weiß, versuche ich mir im Alltag selbst beizubringen. Man soll ja nie aufhören, seinen Kopf anzustrengen.

Andere Dinge kann ich oft mit meiner Lebenserfahrung ausgleichen, meist intuitiv. Man rechnet Situationen zusammen, kann einschätzen, wie etwas läuft, und handelt danach. Dabei ist es mir immer wichtig, nicht nur an mich selbst zu denken, sondern auch an andere.

Es sind aber die kleinen Dinge im Alltag, die mich immer wieder verblüffen und nerven. Es beginnt schon morgens. Wenn ich mit meiner Frau im Fitnesscenter bin, denke ich in letzter Zeit oft, ernsthaft? Erst kürzlich setzte sich ein junger, recht durchtrainierter Mann auf eines der Rudergeräte. Wir saßen hinter ihm auf den Fahrrädern und strampelten um die Wette. Professionell setzte er sich hin und begann, wie ein Irrer am Seil zu ziehen, die Beine komplett aus dem Takt zu strecken und zu beugen. Das grenzte schon an Körperverletzung. Meine Frau und ich schauten uns fast erschrocken an, dann wieder zu ihm. Er schien nicht daran interessiert zu sein, unsere Blicke zu deuten. Etwa zehn Minuten dauerte das Trauerspiel und ich wunderte mich, dass er danach überhaupt aufstehen konnte.

Ein paar Tage später war es ähnlich. Ein junges Mädchen bestieg das Rudergerät, trägt lange Sporthose, Shirt, dicke Jacke und riesige Kopfhörer. Ich dachte zunächst, schlimmer als beim jungen Mann könnte es nicht werden, aber ich hatte mich geirrt. Hätte sich das Ruderboot auf dem Wasser befunden, wäre es vermutlich untergegangen. Auch sie schien wenig Interesse daran zu haben, auf meine Meinung zu hören.

Wenn kein Trainer durch das Studio geht, um zu korrigieren, ist das natürlich ungünstig. Danach ging es an den Zirkel, insgesamt 13 Geräte, die nacheinander trainiert werden. Wenn jemand dazukommt, sollte man möglichst zwei Geräte Abstand lassen, damit es nicht zum Stau kommt. Anfangen kann man an jedem Gerät.

Meine Frau auf Gerät eins, ich daneben auf der zwei. Mitten in der Übung steht eine junge, gestylte Frau hinter mir und scheint zu warten. Ich sage zu ihr, man kann anfangen, wo man möchte. Sie schaut mich leicht genervt an, zieht einen Kopfhörer raus und antwortet, es sei ihr klar, sie kenne sich hier aus. Prima, denke ich, dann frage ich mich, warum sie hinter mir wartet. Die Übung bei uns endet parallel, ich rücke ein Gerät weiter nach rechts, meine Frau auch. Sie schaut total genervt und schüttelt den Kopf. Sie wollte tatsächlich auf meinen Platz. Was hat sie gedacht, meine Frau löst sich in Luft auf. Als ich ihr, sie kennt sich ja aus, das Schild mit den Regeln inklusive des Satzes „Im Zirkel hat man immer Vorrang“ zeigen wollte, schüttelte meine Frau den Kopf.

Der Höhepunkt an diesem Tag war dann, als ein neues Mitglied am Tresen den Azubi fragte, ob an diesem Tag Kurse laufen würden. Er schaute auf den Monitor und teilte ihr mit, dass gerade ein Yogakurs läuft, der bereits seit etwa einer halben Stunde läuft. Es wäre aber noch ein Platz frei und sie könne gerne dazustoßen.

Wer schon einmal einen Yogakurs besucht hat, weiß, dass man am liebsten sein Yogakissen werfen würde, wenn jemand ein paar Minuten zu spät durch die Tür kommt. Wenn dem Azubi niemand etwas beibringt, woher soll er es wissen? Dann wird der Unwissende dem Unwissenden etwas beibringen, und das meiste geht verloren.

Ich erinnere mich an einen Fall in einem Hotel über ein langes Wochenende. Es war ein Feiertag. Beim Ausschenken war eine Schlange von etwa 20 Gästen vor dem Tresen. Ein Mitarbeiter, der der deutschen Sprache noch nicht ganz mächtig war, wurde alleine gelassen. Der Verantwortliche für das Personal muss doch wissen, dass das Hotel ausgebucht war und um 11 Uhr alle auschecken. Wie kann man den armen Mann dort alleine lassen? Das war ein renommiertes Hotel, und ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Personalknappheit üblich ist.

Ich könnte noch viele solcher Geschichten erzählen. Woran liegt es, dass Menschen anscheinend nicht klüger werden, sondern eher das Gegenteil? Zu viel Smartphone? Zu wenig Interesse, Informationen außerhalb von Social Media aufzunehmen? Verschwindet langsam der normale Menschenverstand und der Drang, Erfahrungen weiterzugeben?

Wenn der Dumme dem Dummen etwas beibringt, dann ist das mehr als dumm gelaufen.