Nie wieder Winter

Wahrscheinlich hat jeder von uns schon einmal den Gedanken gehabt, wie es wäre, wenn man seine Zeit nur noch auf der Sonnenseite der Erde verbringen würde, oder?

Gerade, wenn die ungemütliche und teilweise auch deprimierende Jahreszeit bei uns beginnt und die Dunkelheit nicht enden will. Morgens im Dunkeln aufstehen und abends im Dunkeln nach Hause kommen. Für mich das Schrecklichste an der kalten Jahreszeit. Und Kälte ist nun auch nicht mein bester Freund.

Klar, wenn es eine trockene Kälte ist und vielleicht sogar Schnee die Landschaft verzaubert, hat das auch seinen Reiz. Aber Wärme, die durch jeden Knochen geht und Dich wohlig umhüllt, das ist schon etwas Besonderes. 

Warum also nicht einfach in den Süden auswandern?

Nun gibt es ja bereits einige, teilweise dadurch sogar berühmt gewordene, Auswanderer, die den Schritt in eine, mehr oder weniger unbekannte Welt gewagt haben. Da gibts die Reimanns, die man seit vielen Jahren begleiten kann und die ich immer wieder auch mal bewundere. Und es gibt Menschen, die zum ersten Mal in ihrer neuen Heimat auftauchen, die Sprache nicht sprechen, keinen Job und keine echte Bleibe haben. Natürlich muss jeder das selber wissen.

Als wir gerade erneut auf Fuerteventura waren, fiel uns sofort ein Gast auf, den wir auch schon letztes Jahr im selben Hotel gesehen haben. Äußerlich und auch in seiner Art unverwechselbar, fragte ich mich, ob es Zufall war, dass wir erneut zur selben Jahreszeit in diesem Hotel waren oder ob er vielleicht jedes Jahr dort ist.

Das klärte sich dann aber nach kurzer Zeit schon auf.  

Seit ein paar Jahren wohnt er komplett das ganze Jahr in dem Hotel. Wahnsinn, dachte ich, als ich das hörte. Jeden Morgen sah man ihn beim Frühstück, dann am Pool, mittags tauchte er ebenfalls beim Essen auf. Mehrfach an der Poolbar und generell hat er sich nachmittags auf die Liste für die sportlichen Aktivitäten setzen lassen und tauchte dort auch auf. Abends sah man ihn immer wieder mit einem Cocktail durch die Anlage laufen. Zwischendurch unterhielt er sich mit dem „Bademeister“ und anderen Angestellten. Spanisch sprach er anscheinend nicht, aber neben Deutsch auch Englisch, was wohl völlig ausreichend war. 

Er lachte mal hier, mal da, schäkerte mit den Angestellten und schien sich immer wieder zu amüsieren und machte einen zufriedenen Eindruck. Im Dezember würde er seinen sechzigsten Geburtstag feiern, wurde uns erzählt. Er hat ein Zimmer mit einem Balkon direkt zum Pool und schaute von dort immer mal wieder herunter. 

Was das wohl kostet, dachte ich auf meiner Liege liegend die Sonne genießen. All-inclusive, die Zimmer werden gereinigt, man braucht eigentlich keinen weiteren Cent auszugeben, als die monatliche Summe für den Aufenthalt. Man hat jeden Tag ein riesiges Buffet zur Auswahl, vier Mahlzeiten wie in einem Restaurant, hält jederzeit sein leeres Glas einfach an den Zapfhahn, um es nach Wunsch zu füllen, oder kann bereits ab 11 Uhr mittags einen Cocktail in der Sonne schlürfen. Abends braucht man gar keinen Fernseher einzuschalten, es gibt ja ein tägliches Unterhaltungsprogramm und man kann ständig neue Menschen kennenlernen. 

Und das Wetter ist natürlich das Highlight. Die Nähe zu Afrika lässt die Temperatur das gesamte Jahr über eigentlich nie unter 20 Grad sinken und nie über 30 Grad steigen. Dadurch, dass kein Berg über 800 Meter hoch ist, weht auch immer eine angenehme Brise, es ist also nie stickig. Und die Wassertemperatur im Atlantik ist ebenfalls das ganze Jahr angenehme 20 bis 22 Grad warm. Von Haiangriffen habe ich auf Fuerteventura auch noch nichts gehört. Gefährliche Brandungen sind oft vorhanden, aber da gibt es sicherlich Schlimmeres. 

Hat dieser deutsche Auswanderer also den Jackpot gezogen? Ist das nicht ein Traum, den er uns damit vorlebt?

Ich musste eine Weile darüber nachdenken und die Vorteile liegen ja tatsächlich auf der Hand. Alternativ könnte er, wenn er tatsächlich alleinstehend ist, in seiner Wohnung in Deutschland leben, zusehen, wie er seinen Alltag gestaltet und im schlimmsten Fall bei Regen und Kälte einsam in seiner Wohnung hocken. 

Aber möchte man das wirklich? In einem fremden Land dauerhaft wohnen? Angenommen, ich würde das mit meinem Lieblingsmenschen so machen, würden wir auf Dauer glücklich sein? Würden uns nicht schnell unsere Familien und Freunde fehlen? Klar, heutzutage kann man sich jederzeit über das Internet per Bild austauschen. Aber das ersetzt ja keine Umarmung, keine Berührung, keinen persönlichen Austausch. Der Alltag zu Hause, den man sich eingerichtet hat, den man mag, würde einem der nicht fehlen? 

Also der Gedanke hat natürlich etwas. Ich wäre allerdings auch immer traurig, wenn man tatsächlich mal eine „Beziehung“, also Sympathie zu Gästen aufbaut, was ja auch sehr schwierig ist in der meist kurzen Zeit des Aufenthaltes, und die sich dann jedes Mal wieder verabschieden. Ich brauche mein gewohntes Umfeld, meine Menschen, die mir lieb und wichtig sind, in meiner direkten Nähe.

Also ist mein Fazit, auch wenn der Gedanke tatsächlich seinen Reiz hat, ich möchte es nicht. Was ich mir allerdings vorstellen kann, wäre eine Flucht aus der Heimat im wärmere Gefilde ab der Rentenzeit. Den November und Februar in der Sonne verweilen, natürlich nicht alleine, das ist wirklich ein wohliger und wärmender Gedanke, oder?