Familienzuwachs

Es gibt eine Zeit, da freut man sich so doll drauf, dass man es kaum erwarten kann. Familienzuwachs steht an. Endlich. Aber damit meine ich jetzt nicht, dass neues Leben entsteht. Ich meine auch nicht, den Hund oder die Katze, die ab sofort zur Familie gehört. Ich meine etwas anderes: 

Des Deutschen liebstes Kind – das Auto!

Das Auto gehört zu den Deutschen, wie der Cowboyhut zu den Texanern. Wie die Queen oder jetzt eher gesagt, der King, zu den Engländern. Das Auto ist nicht nur irgendein Fortbewegungsmittel. Es ist Dein Freund. 

Früher war es ein absolutes Statussymbol. Wer zum Beispiel einen schicken Mercedes vor der Tür hatte, natürlich als Neuwagen, der hatte es geschafft. Entweder, er (früher war es eher der Mann, der das Geld verdiente, während die Ehefrau für die Kinder und den Haushalt zuständig war) hatte ein enormes Einkommen oder er hatte geerbt oder im Lotto gewonnen. Anders war ein so teures Auto nicht zu bezahlen. 

Am Wochenende wurde dieses Auto dann vor der Tür, am liebsten so, dass die Nachbarn es auch mitbekommen, gewaschen. Da war sich dann keiner zu fein. Manchmal halfen auch die Kinder dabei, das Auto wieder auf Hochglanz zu bringen.

Einen nagelneuen Wagen konnte unsere Familie sich in meiner Kindheit nicht leisten. Das war für uns auch gar nicht schlimm. Es war zwar irgendwie ein Traum, der aber im Normalfall nicht in Erfüllung ging. 

Trotzdem war es ein ganz besonderes Erlebnis, wenn tatsächlich ein neuer Gebrauchter auf dem Plan stand. Die ganze Familie klapperte dann sämtliche Autohäuser der Umgebung ab. Für den Alten gab es dann immer nur noch einen sehr überschaubaren Betrag. Besser, als sich um die Verschrottung zu kümmern, jedoch allemal. Ein Auto wurde aber so lange gefahren, wie es möglich war. 

Während 1995 ein Auto auf deutschen Straßen im Schnitt fast sieben Jahre auf dem Buckel hatte, waren es 2021 fast zehn. Ich kann mich noch sehr gut an alle Autos, die wir in unserer Familie hatten, erinnern. Dass ich während meiner Ausbildung, als ich endlich volljährig war, mit unserem grünen VW-Polo zur Berufsschule fahren durfte, war natürlich ein besonderes Privileg. 

Im Laufe meines Lebens hatte ich immer extravagantere Wünsche, wie unser neuer Wagen aussehen sollte. Vom Pontiac mit abnehmbaren Glasscheiben, der durch seine enorme Breite fast in keine Parklücke passte, einem älteren Porsche 911 bis hin zu einem Alfa Romeo als Unfallauto, ich hatte recht ausgefallene Wünsche an meine Eltern. Das tut mir im Nachhinein auch echt leid. 

Die Zeiten haben sich aber geändert.  Während in meiner Jugend ein eigenes Auto immer noch das Symbol des Erwachsenwerdens war, ist bei vielen Jugendlichen heute ÖPNV, das Fahrrad oder Car-Sharing angesagt. Die emotionale Bindung der Eltern zum Auto kann die unter 30 Generation kaum noch nachvollziehen. 

Nach meinem Traumauto, ein roter Celica als Cabriolet, sportlich, mit „Schlafaugen“ und elektrischem Verdeck, das ich mir mit meinem Vater geteilt hatte, musste 2013 ein neues Auto angeschafft werden. 

Unser erster Neuwagen, den meine Frau und ich uns gönnten. Ein Nissan Qashqai, also ein SUV oder wie man früher sagte, ein Geländewagen. Auch, wenn man mit einem SUV eher selten tatsächlich durch ein Gelände fährt, ist ein solches Auto total angesagt. Man sitzt erhöht, wie auf einem Sessel und ist trotzdem sportlich unterwegs. Und stabil ist er obendrein auch noch, man fühlt sich sicher darin. Und der einmalige Geruch eines Neuwagens ist jedes Mal beim Einsteigen ein besonderes Erlebnis.

2021 war der Wagen dann bereits schon wieder acht Jahre alt, was für ein Auto ja eigentlich nicht alt ist. Aber die Technik schreitet rasant voran und überholt sich sozusagen immer schnell selber. Das Problem bei dem Qashqai war, dass der Verbrauch doch recht hoch war. Um die 10 Liter teilweise. Ein Problem, mit dem ich meiner besseren Hälfte einen neuen schmackhaft machen wollte.

Nach einiger Recherche hatte ich mich in einen Ford Kuga Hybrid verliebt und es gelang mir, mit einiger Überredungskunst, sie für eine Probefahrt zu überreden. Gesagt, getan, waren wir beide schwer begeistert. In der Stadt überwiegend elektrisch fahren, auf größeren Strecken tanken, das ist doch ein guter Kompromiss, so argumentierte ich.

Beim Ford Händler wurden wir dann beide kurz vor Vertragsabschluss auf ein noch nie zuvor gesehenes Auto aufmerksam. Ebenfalls ein SUV, schnittig, bullig, leicht aggressiv und mit einem riesigen Bildschirm im Cockpit à la Tesla. Irre Kiste. Als wir uns beim Verkäufer erkundigten, erfuhren wir, dass es sich um ein reines E-Fahrzeug handelt, was ich nicht wollte. Mit 100 über die Autobahn schleichen und nach 200 km aufladen, darauf hatte ich keinen Bock. 

Der hat aber eine Höchstgeschwindigkeit von 187 und eine Reichweite bis zu 610 Kilometern. Da dieser Wagen aber ganz frisch eingetroffen war, konnte der Verkäufer den Preis nur ungefähr sagen, was aber über unserem Budget lag und auch noch ohne jede Zusatzausstattung war. Also blieben wir bei unserem Kuga, der nach etwa 3 Monaten geliefert werden sollte.

Zu Hause stießen wir auf den Neuen an und freuten uns darauf. Allerdings ging uns der andere irgendwie nicht aus dem Kopf. Also googelte ich auf Wunsch meiner Frau nach dem korrekten Preis inklusive Wunschausstattung und kam zu der Erkenntnis, dass es zu dem gerade gekauften Wagen abzüglich der großen Förderung gar kein so großer Unterschied war.

Mal eine Probefahrt machen und uns eventuell um entscheiden, versuchte ich mit dem Verkäufer zu vereinbaren. Doch von einem Autovertrag zurückzutreten, ist nicht möglich. Das klappt bei allem, nur nicht bei Autos. Der Chef musste hinzugezogen werden und so hatte ich drei schlaflose Nächte. Doch dann kam tatsächlich die Zusage und es wurde auch gleich ein neuer Termin für eine Probefahrt vereinbart.

Nachdem ich den Verkäufer gebeten hatte, den Motor zu starten, der aber bereits eingeschaltet war und die ersten hundert Meter gefahren war, schauten meine Frau und ich uns an und grinsten. Der ist es. Einen Vertrag storniert, den anderen unterschrieben. 

Die Lieferung verzögerte sich leider immer wieder. Vorfreude ist ja eigentlich die schönste Freude. Aber das hielten dann irgendwann meine Nerven kaum noch aus. Der arme Verkäufer wurde ständig von mir genervt. Mit dem Schiff aus Mexiko kam er dann endlich an.

Was für ein Auto. Was für eine Ausstattung. Was für eine Beschleunigung. Was für ein Spaß. Elektrisch zu fahren ist wie Go-Kart fahren. Es ist wirklich das geilste Fahrerlebnis ever. Kurz nachdem wir also elektrisch unterwegs waren, gingen die Benzinpreise dermaßen in die Höhe, das wir uns gegenseitig abklatschten mussten. Alles richtig gemacht. 

Etwa ein Jahr fahren wir nun unser Traumauto und haben den Umstieg auf das E-Auto nicht eine Sekunde bereut. Klar hat das auch Nachteile. Die Reichweite reduziert sich je Wetter natürlich um einiges und man muss das Fahrverhalten umstellen. Aber es macht einfach jeder Kilometer Spaß. 

Des Deutschen liebstes Kind, das Auto. Der Stellenwert ist sicherlich nicht mehr so, wie früher, aber verzichten möchte ich bzw. wir nicht auf ein eigenes Fahrzeug. Dafür ist Bus und Bahn immer noch eine zu schlechte Alternative. 

Und auf sämtliche Freiheiten und Freude verzichten, macht das Leben dann irgendwann auch nicht mehr lebenswert.