Frühstücksbeobachtungen

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. 

Nein, ich habe mich beim „tut“ nicht verschrieben. Der Satz stammt aus einem Gedicht von Matthias Claudius. Es zeigt, dass Reisen den Horizont erweitert und immer Stoff für Geschichten liefert, sei es Erstaunliches, Lustiges oder Skurriles. In meinem Fall war es etwas Lustiges. Wann kann man beim Frühstück schon einmal herzhaft lachen?

Unsere Reise war ein Roadtrip nach Schruns in Österreich. Im vorletzten Blogbeitrag habe ich bereits darüber berichtet. Wenn Du ihn verpasst haben solltest, HIER findest Du ihn! Diesmal geht es nicht um enge Straßen, sondern um das, was man beim Frühstück so alles beobachten kann.

In unserem schönen TUI Blue Hotel Montafon hatten wir ein Vital-Frühstück gebucht. Vital heißt für mich: Es scheint gesund zu sein. Aber hoffentlich nicht nur gesund. Etwas gebratener Speck zum Ei und auch mal Nuss-Nougat-Creme für mein Brötchen dürfen im Urlaub schon sein. Und ich meine damit nicht unbedingt Nutella.

Wir nutzen seit einer Weile ein Produkt ohne Palmöl. Viel Zucker und Palmöl sollte man vermeiden, sagte mir meine Hausärztin. Warum Palmöl so problematisch ist? Die wachsenden Ölpalmen-Plantagen zerstören den Regenwald und verursachen erhebliche ökologische und soziale Probleme in den Erzeugerländern. Bei der Raffination entstehen Schadstoffe, darunter möglicherweise krebserregende. Daher nutzen wir jetzt Milka-Creme. Ohne Palmöl, aber wahrscheinlich trotzdem ungesund. Sorry, ich schweife schon wieder einmal ab!

Zurück zum Frühstück. Unser erstes war ein schlechter Start. Es war Samstag, das Hotel ausgebucht und wir waren gegen neun Uhr da, zur Hauptzeit. Man wurde an einen Tisch gebracht, aber es war so voll, dass man ständig ausweichen und anstehen musste. Bis wir Getränke und Essen zusammenhatten, dauerte es. Ich starte möglichst erst einmal mit Cornflakes mit möglichst laktosefreier Milch, dann Rührei mit Speck, danach Brötchen mit leckeren Aufstrichen oder Wurst, gerne mal eine Scheibe Lachs mit Meerrettich. Dazu gerne Obst wie Melone oder Ananas, ein paar Gurkenscheiben für die Brötchen, Tee, frischen Ingwer und Minze, vielleicht auch mal eine Waffel oder ein Croissant. Je nach Angebot.

Wir waren froh, das erste Frühstück hinter uns zu haben, und beschlossen, am nächsten Tag früher zu kommen.

Am zweiten Tag war es zum Glück viel entspannter. Unser Tisch war besser gelegen. Ich hatte alles im Blick. Ich konnte alle Gäste und viele Mitarbeiter genüsslich beobachten.

Viele Menschen beobachten gerne andere. Ich gehöre dazu. Das heißt nicht, dass ich über andere lästere. Ok, das passiert vielleicht auch mal. Jetzt, wo ich es schreibe, schäme ich mich etwas. Aber heute geht es um reine Beobachtungen.

Nach einer Weile teilte ich die Gäste in vier Gruppen ein. Junge Frauen, ältere Frauen, junge Männer und ältere Männer. Und natürlich noch die Mitarbeiter.

Die Mitarbeiter, ich meine immer alle Geschlechter, waren alle freundlich und aufmerksam. Ein junger Mann, vermutlich aus dem osteuropäischen Raum wie viele Mitarbeiter hier, fiel mir besonders auf. Sein Namensschild verriet: Elvis. Er schaute immer, wo er gebraucht wurde, und fragte mit seinem Blick, ohne viel zu sagen, ob er schon abräumen dürfe. Er wirkte schüchtern, suchte ständig Blickkontakt und arbeitete auf Anweisung seiner Kollegen. Er schien neu zu sein. Die anderen wirkten selbstbewusster. Keiner war sich für etwas zu schade. Es war angenehm, sie zu beobachten.

Die jungen Frauen waren meist sportlich gekleidet. Nicht alle hatten auch eine sportliche Figur. Leggings, oft weiße Socken und Sneaker schienen angesagt zu sein. Sie schauten sich erst einmal genau um, bevor sie ihre Wahl trafen. Obst, Joghurt und viele Körner, die ich nicht kannte und vorher an der Beschilderung ablesen musste: Chiasamen, Leinsamen, Hanfsamen, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Hirseflocken, Buchweizen, gepuffter Amaranth, Sesam und gepuffter Quinoa.

Was auch immer das alles ist. Keine Ahnung. Bei der Milch wurde Pflanzenmilch bevorzugt: Hafermilch, Mandelmilch, Sojamilch, Reismilch, Kokosmilch und sogar Erbsenmilch. Brötchen kaum, eher gesunde Brotscheiben. Echte Wurst war die Ausnahme. Grüner Tee und Ingwertee waren beliebt. Und weil man sich im Urlaub auch mal etwas gönnt, standen viele für eine Waffel an. Wenn auch etwas verlegen. Zu dieser Gruppe gab es am meisten zu beobachten und irgendwie gefiel sie mir auch am besten, was ich mir meiner Frau gegenüber natürlich nicht anmerken ließ.

Die älteren Damen waren eher leicht schick gekleidet. Viele steckten ihr Oberteil vorne in die Hose oder den Rock. Ein Trend, den ich nie verstanden habe und den ich ehrlich gesagt schrecklich finde. Sie hatten sich manches von ihren Kindern oder Enkeln abgeschaut. Auch sie versuchten sich gesund zu ernähren, nahmen aber auch Brötchen, Wurst und Ei mit Speck. Sie schienen komplett entspannt zu sein. 

Die jungen Männer, ebenfalls sportlich gekleidet, liefen oft ihrer Partnerin hinterher. Viele waren sehr sportlich und kleideten sich so, wie es gerade angesagt ist. Anfangs dachte ich, es sei eine Art Verkleidung und es ist Karnevalszeit, aber das ist es nicht. Schnurrbart, weite Hosen, Seidenhemden, Pilotenbrillen, Locken, weiße Tennissocken. Schon etwas schräg. Sie schauten oft, was ihre Partnerin auswählte, und fragten manchmal unsicher, was sie nehmen sollten. Sie ernährten sich teilweise gesund. 

Die älteren Männer fielen teilweise durch ihre Camp-David-Kleidung auf. Je größer die Schrift auf dem Shirt, desto besser, so schien es. Sie achteten wenig auf gesunde Ernährung. Viel Ei, viel Speck, viel Wurst. Kaum Obst. Und immer echte Kuh-Milch. Viele hatten den klassischen Waschbär-Charme. Ein runder Bauch war weit verbreitet.

Als ich meiner Frau von meinen Beobachtungen und meiner Einteilung in vier Gruppen erzählte, schaute sie mich amüsiert an und fragte: „Und zu welcher Gruppe gehörst du?“

Ich überlegte drei Sekunden und antwortete: „Zu den älteren Damen!“ Wir mussten beide so lachen, dass uns die Tränen kamen. Ich schaute an mir herunter und ergänzte: „Allerdings stecke ich meine Shirts nicht vorne in die Hose.“

Ist es nicht herrlich, andere Menschen zu beobachten und dabei Selbstironie zu bewahren? Wahrscheinlich hat uns unser Lachen einen Gesundheitsschub gegeben, den wir mit Körnern und einer Schüssel Obst nie erreicht hätten.