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#gernperdu

Ich kann mich noch sehr gut an meine Ausbildung erinnern. Zugegeben, es ist schon eine Weile her, aber manchmal frage ich mich, ob diese Zeiten nicht tatsächlich besser waren als die Heutige. 

Wenn man eine kaufmännische Ausbildung anfing, dann wurden nicht nur gute Manieren wie Respekt und Hilfsbereitschaft und gute Umgangsformen erwartet, auch äußerlich hatte man auf sich zu achten. Gerade im Umgang mit Kunden, aber auch mit Kollegen, war ein gepflegtes Äußeres selbstverständlich. 

Dazu gehörte eine „anständige Frisur“ (darf man das heutzutage noch sagen?), saubere Fingernägel und passende Kleidung. Wenn ich das gerade so schreibe werden junge Leser bestimmt denken, ich erzähle von einer anderen Zeitepoche, es hört sich heute fast skurril an. 

Als Mitarbeiter wurde eine Stoffhose, ein neutrales Oberhemd und klassische Business Schuhe vorausgesetzt. Sneaker, früher hießen sie Turn- oder Sportschuhe, trug man eher wenn man krank war oder einen Hausmeisterposten bekleidete. 

Ich weiß noch genau, ich war im zweiten Ausbildungsjahr und während einer Weihnachtsfeier hat mir ein Mitarbeiter das Du angeboten. Er war schon lange im Unternehmen und einige Jahre älter als ich. Wir hatten uns an dem Abend gut unterhalten, da hatte es sich dann so ergeben. Ich war stolz wie Oskar als ich ihn dann, auch wenn es mir anfänglich noch sehr schwerfiel, duzte. Andere Kollegen, die schon viele Jahre länger in der Firma waren und ihn nach wie vor siezen mussten, waren irritiert und teilweise sogar neidisch. Das hat mir ganz besonders gefallen. 

Früher gab es für das Duzen klare, unausgesprochene Regeln. Es war ein Ritual, wenn man vom sie ins du wechseln wollte. Das Du musste auf jeden Fall angeboten werden. Man durfte unter keinen Umständen einfach duzen, sondern musste auf ein Angebot warten. 

Aber wer durfte das Angebot unterbreiten? Es gab eine klare Hierarchie: der Ältere bot es dem Jüngeren an, die Frau dem Mann, der Chef dem Mitarbeiter, der Dienstältere dem Neuen, der Gastgeber dem Gast.

Wenn man das Du einmal angeboten hatte, konnte man es nicht einfach zurücknehmen. Wenn jemand das Du ablehnte, war das richtig unangenehm, fast schon wie eine kleine Zurückweisung. Das Du war kein Alltagston, sondern ein Zeichen von Vertrautheit oder Gemeinsamkeit.

Heutzutage wird das etwas anders gehalten. Man hat fast den Eindruck, man wohnt in Dänemark, wo (fast) ausschließlich geduzt wird. Selbst in Bewerbungsschreiben wird das Du benutzt. Nur auf sehr offiziellen Schreiben und bei der Königsfamilie wird das Siezen benutzt. 

In der letzten Zeit bekomme ich immer wieder E-Mails von Lieferanten, auf denen am Ende #gernperdu steht. Kurz als Erklärung für die älteren Leser und Leserinnen: Das hier (#) ist das Rautenzeichen, wird Hashtag genannt. Hash steht im Englischen für Raute und Tag für Schlagwort oder Markierung. Man kann also nach dem Begriff hinter dem Rautenzeichen suchen. 

Der Hashtag wurde zuerst auf Twitter verwendet. Ein User namens Chris Messina schlug vor, Themen mit einem # zu kennzeichnen, damit man Diskussionen einfacher filtern kann. Twitter fand’s am Anfang sogar uncool, aber die Community hat’s gefeiert.

Modern wurde der Umgang mit Hashtags ab ca. 2010. Richtig alltäglich ab etwa 2013–2015. Auf Social Media kannst Du auf einen Hashtag klicken und alle anderen Beiträge sehen, die denselben Hashtag benutzen. Wenn Du z. B. #Wandern bei Instagram nutzt, erreichst Du Leute, die sich für Wandern interessieren, auch wenn sie Dir nicht folgen.

Ehrlich gesagt hasse ich die Duzerei. Ich ignoriere es meistens so lange, bis der Andere es hoffentlich merkt und damit aufhört. Das mag spießig klingen, aber ich mag es einfach nicht, zumindest, wenn es dienstlich ist.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass zumindest eine gewisse Sympathie zu einem Menschen vorhanden sein muss, bevor man das Du anbietet. Es ist in meinen Augen immer noch eine Art Wertschätzung, die ich dem Gegenüber entgegenbringen möchte. Wenn ich kaum Berührung habe, den Kollegen oder die Kollegin zwar sehr nett finde, muss das nicht zwingend bedeuten, dass man sich duzt. Ich kann andere Menschen mögen und sie gleichzeitig siezen. Das eine schließt das andere ja nicht aus. 

Anders geht es mir, wenn ich privat unterwegs bin, in ein Restaurant gehe. Also jetzt nicht unbedingt das Steakhouse um die Ecke, aber zum Beispiel der Burgerladen „Hans im Glück“. Da komme ich mir total alt vor, wenn mich die Kellnerin siezt. In der Cocktailbar natürlich genauso. 

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, auch ein Sprichwort, mit dem viele sicherlich nichts mehr anfangen können. Für Menschen, die Privatsphäre schätzen oder eine gewisse emotionale Distanz brauchen, kann das Duzen zu schnell intim wirken. In einer Arbeitsumgebung kann das voreilig persönliche Nähe herstellen, was nicht immer gewünscht ist.

Ich würde mir schon wünschen, dass die Meinungen anderer Menschen respektiert werden. Wenn sich junge Leute duzen ist das völlig normal. Auch wenn man sich gut kennt. Aber ich persönlich würde es nur in wenigen Ausnahmen einer älteren Person als ich es bin anbieten. 

Aber wie immer gilt, jeder kann das natürlich selbst entscheiden.