Gute Freunde

Gute Freunde, kann niemand trennen!

Als Franz Beckenbauer 1966 das Lied „Gute Freunde kann niemand trennen“ für die Fernsehlotterie aufnahm, wusste er mit Sicherheit nicht einmal annähernd, wo Katar liegt. Das Video müsst Ihr Euch unbedingt NACH dem Lesen meines Blogbeitrags mal anschauen, Ihr werft Euch weg! Hier zu sehen!

Franz Beckenbauer, eine Legende. Franz Beckenbauer, die „Lichtgestalt“. Der 1945 in München geborene „Kaiser“, wie er später respektvoll genannt wird, hat eine einzigartige Karriere hinter sich. Lange spielte er für den FC Bayern München, später für Cosmos New York und sogar für den HSV. Ich hatte die Ehre, ihn tatsächlich in Hamburg spielen sehen zu können. 

Ein absolutes Highlight, an das ich mich nach wie vor heute sehr gut erinnern kann, war 1994 in den USA. Als Weltmeister traten wir beim Eröffnungsspiel am 2. Juli 1994 gegen Belgien an. Das gewannen wir übrigens mit 3:2 eher glücklich. Damaliger Sturm: Rudi Völler und Jürgen Klinsmann. Ich war live dabei und saß im Stadion in Chicago (lies dazu auch meinen WM-Blogbeitrag hier!). Vor dem Spiel gab es natürlich, das können die Amerikaner ja wie kein anderes Land, eine gigantische Eröffnungsfeier. Während dieser Feier, kurz vor dem Anpfiff, ich bekomme heute noch immer bei dem Gedanken eine Gänsehaut, wurde es still im Stadion, vor allem bei den vielen deutschen Fans. Denn den WM-Pokal, den wir 1990 als Weltmeister erhielten, brachte kein geringer ins Stadion, als der Weltmeister-Trainer, Franz Beckenbauer. Es war für seine Fans, zu denen ich mich auch zählte, ein ganz besonderer Moment. Denn „Der Kaiser“ war für viele ein Vorbild, ein besonderer Fußballspieler, ein besonderer Trainer, ein besonderer Mensch, zu dem viele aufblickten und der omnipräsent immer kompetent und charmant in der Öffentlichkeit stand. 

Enttäuscht war ich das erste Mal von ihm, als 2002 bekannt wurde, dass er sich von seiner damaligen Ehefrau, Sybille, trennte. Das kann natürlich in jeder Ehe passieren. Aber der Grund war, dass er sie betrogen und heimlich eine Beziehung zu einer anderen, jüngeren Frau hatte. Mit ihr gab es bereits ein uneheliches, zwei Jahre altes Kind, um das er sich kümmern wollte. Er und seine Frau sahen immer so glücklich aus. Das fand ich sehr schade. Nobody is perfect.

Am 02.12.2010 gab Sepp Blatter, damaliger Fifa-Chef bekannt, dass die WM 2022 überraschenderweise an Katar geht. Deutlich gewann das Land mit 14 von 24 Stimmen. Und das gegen Australien, Japan, Südkorea und die USA, keine schlechten Gegner. 

Natürlich wusste damals niemand, dass in Katar in den Sommermonaten Temperaturen von 42 bis 45 Grad herrschen. Woher sollte man das auch wissen, hat man bei den Bewerbungsunterlagen bestimmt vergessen, anzugeben. Als man das bemerkt, beschließt eine Task Force „auf die Schnelle“, also bereits FÜNF Jahre später, am 24.02.2015, die WM auf November und Dezember 2022 zu verschieben. Dann sind die Temperaturen dort wie bei uns im Sommer. 

Kurz nach der Vergabe gab es bereits Korruptionsvorwürfe gegen einige Exekutivmitglieder. 2011 gründet die FIFA Arbeitsgruppen zur Aufklärung. 

2013 wird bekannt, dass es auf den Baustellen für die WM-Stadien zu unmenschlichen Situationen kommen soll. Amnesty International bezeichnet das Vorgehen als „sklavenähnliche Zustände“. Wie man im Laufe der letzten Jahre immer wieder sehen muss, müssen die Arbeiter in winzigen, schrecklichen Unterkünften unter erbärmlichen Umständen wohnen und arbeiten. Franz Beckenbauer betont bei einem Interview, er habe bei seinen Besuchen in Katar noch keine Sklaven in Ketten oder Ähnliches gesehen. Ein Interview, das in die Geschichte eingeht. Wenn man den Arbeitern tatsächlich die Ausweise wegnimmt, sie in diese menschenunwürdigen Unterkünfte steckt, sie kaum vernünftig Essen und Trinken erhalten, kaum oder keine Bezahlung, wegen der schlechten Arbeitsbedingungen bei enormer Hitze und den Arbeitsbelastungen sterben, muss man keine Fesseln sehen, um sklavenähnliche Zustände feststellen zu müssen. Das ist einfach nur schrecklich.

In Deutschland gibt es normalerweise vor einer WM immer viel Werbung. Spieler werben für das Ereignis, es gibt eine Menge Produkte, die ebenfalls für die WM werben. Besonders beliebt sind immer die Panini-Sammelbilder. 

Dieses Jahr gibt es die „Cards of Qatar“. Das ist eine Gedenkaktion, die den unzähligen Toten, die im Zusammenhang mit dem Bau der Stadien ums Leben gekommen sind, gewidmet wird. Die Anzahl der Toten variiert von drei bis 15.000 Menschen. Laut „Guardian“ sind mehr als 6500 Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter bei den Arbeiten in Katar verstorben. Auf diesen Karten werden Menschen abgebildet, die verstorben sind. Vorne ein Bild mit ihrem Namen und dem Alter, hinten die Leidensgeschichte in Kurzform. Einen Bericht zu den Sammelkarten kannst Du Dir hier ansehen: „Cards of Qatar“. 

Wie viele es am Ende nun wirklich sind, wird sicherlich nie herauskommen.

Katar hat übrigens etwa 2,7 Millionen Einwohner. Davon sind aber nur 10 Prozent Staatsangehörige Katars. Die restliche Bevölkerung, also etwa 90 Prozent, sind Arbeitsmigranten. Unfassbar. Bei einer kürzlich ausgestrahlten Reportage, in der einige der Staatsangehörigen befragt wurden, ob sie sich auf die WM freuen, bejahten diese die Frage und waren stolz, Gastgeber zu sein. Denen kann man sicherlich noch nicht einmal einen Vorwurf machen.

Geld regiert die Welt. Selbst eine „Lichtgestalt“, ein „Kaiser“, wird in Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen für die Vergabe der WM 2022 und auch bei der WM 2006, dem „Sommermärchen“ im eigenen Land, genannt. Unvorstellbar. Seitdem führt die ehemalige Lichtgestalt eher ein Schattendasein. Traurig. 

Ob ich die WM nun live im Fernsehen verfolge oder nicht, interessiert niemanden und es merkt auch niemand. Jeder muss das für sich selber entscheiden. 

Ob sie die Menschenrechte nach der WM in diesem Land verbessern, kann man hoffen, aber ich kann es mir kaum vorstellen. Ich jedenfalls habe nicht das übliche Kribbeln im Magen, die Vorfreude, die ich bei den anderen Weltmeisterschaften hatte. Für mich muss eine WM im Sommer stattfinden. Eine Flasche Bier, die Emotionen mit anderen Fans bei der Kieler Woche teilen, Public Viewing in kurzen Hosen und Trikot, gute Spiele, das macht für mich Freude an einer WM aus. 

Natürlich werde ich einmal reinschauen, natürlich werde ich, das lässt sich ja auch gar nicht vermeiden, das ganze Spektakel mehr oder weniger verfolgen. Aber die Freude darauf ist mir schon lange vergangen. 

Schade um das Event, schade für die Spieler, schade für die Fans, unfassbar für die Leittragenden, die verstorben sind und für alle, die gelitten haben und deren Familien. 

Wenn am 18.12.2022 das Finale vorbei ist, ist diese Weltmeisterschaft Geschichte. Über die Verstorbenen wird kurze Zeit danach kaum noch jemand sprechen. 

Das macht mich alles sehr traurig!