Halloween

In den letzten Jahren hat Halloween langsam auch hier Einzug gehalten. Wenn ich Ende Oktober abends durch die Straßen gehe, sehe ich hin und wieder geschnitzte Kürbisse vor Haustüren stehen, mal liebevoll gestaltet, mal eher improvisiert. Kinder klingeln, manchmal schüchtern, manchmal laut, und rufen „Süßes oder Saures“. Ich mag diesen Moment, weil er etwas Verbindendes hat. Für ein paar Sekunden begegnen sich Nachbarn, die sich sonst kaum grüßen.

In den USA ist Halloween ein ganz anderes Ereignis. Dort verwandeln sich ganze Wohnviertel in kleine Bühnen. Vorgärten werden zu Geisterlandschaften, Menschen verkleiden sich mit Fantasie und Humor, und alle scheinen sich darauf einzulassen, für eine Nacht die Dunkelheit spielerisch zu umarmen. Es geht weniger um Angst als um Gemeinschaft, um Kreativität und um den Spaß, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.

Hier in Deutschland wirkt Halloween oft wie ein Fest, das noch nicht ganz weiß, wo es hingehört. Manche feiern begeistert mit, andere verdrehen nur die Augen. Vielleicht liegt genau darin sein Reiz: Man kann selbst entscheiden, ob man mitmacht oder nicht. Für mich ist Halloween inzwischen so etwas wie ein stiller Übergang vom bunten Herbst zum grauen November.

Das ich den November hasse, habe ich glaube ich schon mehrfach erwähnt. Hassen ist vielleicht etwas übertrieben, ich mag ihn einfach nicht. Kurz nach der Uhrenumstellung, die ich aber wirklich hasse, ist es abends immer schon so schnell dunkel. Das beginnt eben richtig im November. Wenn es morgens noch nicht hell ist, stört es mich eher weniger. Aber wenn es gegen 16:00 Uhr bereits dunkel wird, empfinde ich das als ganz unangenehm. Ich habe auch das Gefühl, dass nicht nur ich mich abends in der Dunkelheit nicht mehr wohlfühle. Man sieht nicht, wer auf einen zukommt oder wer hinter einem geht. Irgendwie nicht schön.

Ich weiß, in Deutschland finden viele Halloween total doof. Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich habe drei Erinnerungen an dieses Ereignis, die ich wahrscheinlich auch nicht mehr vergessen werde. 

Unsere Halloween-Party:

Die älteste dieser drei Geschichten liegt bereits viele Jahre zurück. Ich musste gerade selber erstaunt schlucken, wann sie sich zugetragen hat. Es war das Jahr 2006, also fast 20 Jahre her. Das kann ich gar nicht glauben. Aber mein digitaler Foto-Ordner hat es mir gerade angezeigt. Egal, tut eigentlich nichts zur Sache.

Wir feierten bei uns zu Hause mit Freunden zu fünft eine kleine Halloween-Party. Natürlich verkleidet. Selbstverständlich bereiteten meine Frau und ich unsere Wohnung entsprechend vor. In jedes Zimmer kam ein Lautsprecher, der gruselige Geräusche abspielte. Überall wurden Spinnweben angebracht und die Lichter entweder ausgemacht oder ein dunkles Rot eingeschaltet. Damit es auch richtig gruselig war, hatte ich mir eine Nebelmaschine ausgeliehen. Die war vielleicht für unsere Wohnung etwas überdimensioniert, aber haben ist ja besser als brauchen.

Im Treppenhaus schraubte ich die Birne auf unserer Etage raus. Mit einer Wasserpistole in der Hand warteten wir auf unseren Besuch. Endlich war es soweit. Ich schmiss die Nebelmaschine noch einmal richtig an und drehte sie voll auf. Ich öffnete schnell die Tür und tastete mich durch die Räume. Man sah in der gesamten Wohnung rein gar nichts, nur ein flackerndes rotes gedämmtes Licht. Meine Frau und ich versteckten uns auf allen Vieren im Wohnzimmer am jeweiligen Ende des Sofas und warteten auf unsere Opfer.

Wir hörten die drei sprechen. Sie hatten anscheinend großen Respekt davor, erschreckt zu werden, kicherten aber trotzdem und riefen nach uns. Da auch sie nichts sehen konnten, krabbelten sie ebenfalls auf allen Vieren durch die Wohnung. Was für ein Spaß. Als sie nach einer Weile näher kamen, der Nebel legte sich nur sehr langsam, schossen wir unsere Wasserstrahlen in ihre Richtung und trafen nach einer Weile das Ziel. Der Schreck war groß und die Party konnte beginnen. Die anderen waren als Hexen und Freddy Krueger verkleidet. Ich hatte die dumme Idee, mir die Scream-Maske aufzusetzen. Wenn man einen gemütlichen Abend mit einem leckeren Essen und dem einen oder anderen Glas Wein verbringen möchte, ist das nicht die schlaueste Idee. Die Maske blieb die meiste Zeit auf dem Tisch liegen, und ich war dadurch quasi nicht verkleidet. Das war aber auch nicht wirklich schlimm.

Es war ein lustiger und feuchtfröhlicher Abend, der nach dem Essen aufs Sofa verlegt wurde. Weit nach Mitternacht, alle waren mit dem einen oder anderen Promillegehalt irgendwann etwas müde, kamen wir auf die Idee, den Film „Nebel des Grauens“ auf einem Pay-TV-Sender zu kaufen. Leider buchte ich den Film, dem Alkohol geschuldet, erst in knapp zwei Stunden. Also mussten wir noch eine Weile durchhalten. Als der Film endlich begann, waren alle schon mehrfach eingeschlafen. Doch so einen Film zu leihen war damals recht teuer, also wurden alle geweckt, die Getränke noch einmal aufgefüllt, Popcorn gemacht und die Nebelmaschine ein letztes Mal angeschmissen. So hatten wir sozusagen 4D-Kino. Immer wenn der Nebel im Fernseher aufkam, war er auch im Wohnzimmer, das war wirklich gruselig.

Einige, ich inklusive, haben das Ende des Filmes nicht mehr geschafft. Trotzdem war es ein fantastischer Abend, und dadurch, dass am nächsten Tag der teure Fernseher nur noch ein sehr verschwommenes Bild ausstrahlte, auch ein Erlebnis, das ich nicht mehr vergessen werde. Zum Glück erholte sich das Gerät aber nach ein paar Tagen.

Halloween in den USA:

Ganz das Gegenteil von einem so tollen Abend erlebten wir an einem 31. Oktober in den USA, genauer gesagt in Florida auf Key West. Key West ist an einigen Orten sowieso schon manchmal etwas gruselig. Halloween muss das aber ja noch locker toppen. Nach unserem Restaurantbesuch gingen wir durch die Straßen und erwarteten auf jeden Fall ein Spektakel. Wir mussten allerdings sehr nach geschmückten Häusern suchen. Auch auf den Straßen waren nur sehr vereinzelt Eltern mit verkleideten Kindern unterwegs. Eine absolute Enttäuschung für uns. Das Ursprungsland von Halloween, und das war alles, da brach tatsächlich eine kleine Welt für mich zusammen.

Überraschender Besuch zu Hause:

Die dritte und letzte Geschichte, die mir wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben wird, ist wieder ein 31. Oktober, als ich zu Hause konzentriert an meiner Internetseite arbeitete. Halloween hatte ich gar nicht auf dem Schirm, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein? Ich öffnete die Tür, und zwei Jugendliche sangen ein paar schiefe Töne, ganz schrecklich. Sie riefen „Süßes oder Saures, wir nehmen aber auch Geld“. Genervt machte ich die Tür zu mit dem Hinweis, dass ich nichts habe.

Es dauerte nicht lange, da klingelte es erneut. Warum auch immer, öffnete ich nocheinmal. Dieses Mal standen zwei andere Kinder da, und ich ärgerte mich, dass ich überhaupt geöffnet hatte. „Wartet“, sagte ich leicht genervt, und schloss die Tür. Irgendetwas zu Naschen würden wir ja wohl da haben, dachte ich, und durchsuchte die Schränke. Nichts, sonst haben wir immer etwas zu Hause. Im dritten Schrank fand ich dann ganz hinten noch eine originalverpackte, recht große Schachtel Kekse. Eigentlich für diesen Zweck viel zu schade und auch noch meine Lieblingskekse. Egal, ich rannte an die Tür und drückte sie den beiden in die Hand. Sie musterten die Schachtel alles andere als begeistert, sagten kaum hörbar danke und gingen die Treppen herunter. 

Ich musste jetzt allerdings noch das Chaos der rausgerissenen Schränke wieder beseitigen, als es erneut klingelte. Meine Halsschlagader schwoll an, ich rannte wütend zur Tür. „Die sind abgelaufen“, sagte einer der beiden frech. Ich schaute ihn ungläubig an, riss ihm dann die Schachtel aus der Hand. „Her damit“, sagte ich wütend, und schloss die Tür. Am nächsten Tag sah ich überall Bonbonpapier auf den Treppen liegen. Solche Rotzbengel, dachte ich, und musste dann doch laut lachen.

Der 31. Oktober, was für ein Tag, ist für Erinnerungen gut. Manchmal zünden wir eine Kerze an, machen Kürbissuppe und stellen vielleicht auch einen Kürbis vor die Tür. Dann genießt man diesen kleinen Moment, in dem das Alltägliche kurz ein bisschen anders und manchmal sogar geheimnisvoll wird.