Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als einer unserer Geschäftsführer vor vielen Jahren nach einem Kollegen fragte. Zur Antwort bekam er, der ist im Homeoffice, heute den ganzen Tag. Wo ist der, kam die Frage erneut. Im Homeoffice. Was ist das denn?
Heute muss man eher darüber schmunzeln, aber bis vor ein paar Jahren war das eigentlich absolut kein Thema und wenn doch, dann stand diese Möglichkeit ausschließlich Führungskräften zur Verfügung. Und derjenige, der es wahrnahm, musste sich darauf einstellen, dass er zum einen von seinen Kollegen belächelt und zum anderen von der Geschäftsleitung auch hinterfragt wurde. Man kann sich viel besser auf Aufgaben konzentrieren. Effizienter arbeiten, mal was wegschaffen, kann ich mich noch an seine Aussagen erinnern.
Als dann im letzten Jahr Corona in vollem Gange war, gab es bei einem Kollegen einen Corona-Verdacht in der Umgebung. Auf Anweisung der Geschäftsleitung sammelte dieser dann seine benötigte Hardware ein und verschwand. Alles wurde desinfiziert und auch ich machte mir plötzlich große Sorgen, angesteckt worden zu sein. Nun war Corona damals noch die ganz große Unbekannte, die auch mir eine Höllenangst einjagte.
Es dauerte eine Weile, und nach und nach gingen immer mehr Kollegen ins Homeoffice. Irgendwann traf es dann auch mich. PC, Kabel, Tastatur und ein Telefon, was braucht man mehr. Internetanschluss hat man ja bereits. OK, einen Schreibtisch oder gar ein eigenes Büro hat nun wirklich nicht jeder. Daher musste also in vielen Haushalten erst einmal umgebaut werden. Das Wohnzimmer oder der Esstisch wurde plötzlich zum Office.
Wir haben zum Glück ein Arbeitszimmer, in das ich mich also nieder lies. Meine Frau machte es sich im Esszimmer bequem, soweit das möglich ist und richtete sich dort ein. Plötzlich saßen wir dann das erste Mal zusammen zu Hause, im HOMEOFFICE.
Meine Frau hatte schon viel Erfahrung mit Online-Meetings, da hatte sie mir etwas voraus. Ich setze mich also am ersten Tag an den Rechner, schaltete sowohl PC und Telefon ein, und schaute auf den Bildschirm.
Aufträge, E-Mails, Nachrichten per Teams, etwas für mich im Ticketsystem und das Telefon klingelte auch plötzlich schon. Komisch, einen fremden Menschen, genannt Kunden, plötzlich bei sich zu Hause „reinzulassen“. Irgendwie schräg.
Ich arbeite also so, wie in der Firma, auch wenn es absolut ungewohnt war. Wir mussten uns erst einmal arrangieren mit der neuen Situation. So kam es, dass meine Frau sich aufgrund des besseren Lichts mit dem Rücken zum Flur setze. Dadurch, dass sie ja ein Headset trägt, meine Zimmertür geschlossen ist, bekomme ich auch nichts mit von dem Geschehen mit. Allerdings gab es dann nach einiger Zeit ein riesiges Problem. Eigentlich nichts ungewöhnliches, absolut menschliches.
Meine Blase fing an zu drücken. Ich hatte ja schließlich mein erstes Glas Wasser nach zwei Stunden arbeiten ausgetrunken. Sonst trinke ich doch viel mehr, dachte ich. Aber wenn ich jetzt auf die Toilette gehe, latsche ich direkt durchs Bild, wie sieht das denn aus?
OK, darüber hatten wir uns vorher so gar keine Gedanken gemacht. Was soll ich machen, das Meeting kann ja noch ewig dauern, dachte ich damals leicht nervös werdend. Den Hintergrund unscharf stellen, wie es heute ja kein Problem ist, gab es am Anfang nicht, zumindest nicht mit der Software, die eingesetzt wurde.
Was blieb mir also anderes übrig, als wie bei der Bundeswehr gelernt, zu robben. Soweit mein Rücken es zuließ, der Länge nach über den Fußboden, vorbei am Geschehen, ins Bad. Dort angekommen mochte ich auch keine Geräusche machen, lies nur ein paar notwendige Tropfen Wasser aus dem Hahn, um mir meine Hände zu waschen und wieder runter auf den Boden. Mein Popo stand auch auf dem Rückweg etwas nach oben und während ich mein Gewicht auf dem Boden mit den Händen über den Boden zog, stellte ich mir vor, wie ausschließlich besagter Popo im Hintergrund meiner Frau an ihr vorbei schwebte. Ich musste innerlich lachen, hielt mich natürlich zurück, auch nur irgendein Geräusch zu machen. Mit dem Robben funktionierte recht gut, als mir einfiel, ich war ja gar nicht bei der Bundeswehr.
Zurück in meinem Büro angekommen schüttelte ich meinen Rücken und machte mich wieder an die Arbeit.
Noch am selben Tag besprachen wir, wie es in Zukunft laufen muss. Die Küche wurde zur Kantine erklärt, eine große Kanne Tee gekocht, bereits abends wurden Wasserflaschen an die Schreibtische nebst Gläser gestellt, und meine Frau zog um auf die andere Seite des Tisches. Jetzt konnte ich jederzeit, zwar auf Zehenspitzen, an ihr vorbei laufen.
Als ich das erste Mal auf Toilette war und das Telefon klingelte, rannte ich wie ein Irrer mit heruntergelassener Hose sofort Richtung meines Telefons. Das wäre ja noch ein verrückterer Anblick gewesen auf dem Bildschirm meiner Frau. Ich denke, sie hätte mir einen richtigen Einlauf verpasst. Zum Glück war sie ja umgezogen. Warum konnte ich mir nicht Zeit lassen und einfach zurückrufen. Dank Anrufliste ja kein Problem. Aber was soll der Kunde oder Kollege denken, wenn ich nicht ans Telefon gehe, dachte ich panisch. Liegt der etwa noch im Bett oder geht spazieren? Nein, diesen Gedanken wollte man nicht aufkommen lassen. Schließlich habe ich Disziplin gelernt, egal, von wo man aus arbeitet.
Die ersten Tage habe ich dann generell zu wenig getrunken, bin zu selten aufgestanden, meine iWatch wollte mir statt einer Meldung am liebsten Stromschläge geben, hatte ich das Gefühl. Meine Pausen wurden generell verpennt. Selbst der heilige Feierabend war plötzlich nicht mehr pünktlich. Normalerweise verlassen die ersten Kollegen Punkt 16:30 Uhr bereits den Parkplatz. Da habe ich mich immer schon gefragt, wie das wohl überhaupt möglich ist. Aber diese Kollegen waren nun nicht da. Also musste Alexa ran und mich an meine Pausen erinnern. Feierabend wird immer noch mal verpennt.
Wie, du bist im Homeoffice, wurde ich dann immer mal wieder gefragt. Etwas Ältere konnten und können das gar nicht verstehen. Aber was ist mit deinen Unterlagen, Preislisten, das Telefon. Wie kann man alles von zu Hause bearbeiten, das geht doch gar nicht. Doch, kein Problem! Dank unserer guten IT-Abteilung, die blitzschnell dafür gesorgt hat, dass alles reibungslos von zu Hause erledigt werden kann.
Aber wer kontrolliert, dass du auch arbeitest, kommt dann immer als nächste Frage. Nun, man kann sehen, wann man sich ein- und ausloggt. OK, man könnte sich dann theoretisch wieder hinlegen. Aber was ist mit der Arbeit, den Kunden oder Kollegen, die anrufen. Alles kann kontrolliert werden und sicherlich hätte man auch ein schlechtes Gewissen.
Also, wenn jemand nicht arbeiten will, dann nützt es auch nichts, wenn derjenige am Schreibtisch sitzt und vor sich hin googelt oder im Haus unterwegs ist und mit Kollegen quatscht.
Ganz im Gegenteil, meiner Meinung nach arbeitet man von zu Hause viel effektiver. Man fühlt sich in seiner Umgebung wohler und schafft auch mehr weg. Niemand zum Quatschen, niemand lenkt ab. Von der Zeit her arbeitet man meistens auch länger, man hat es ja zum Feierabend nicht eilig nach Hause zu kommen, man ist bereits zu Hause.
Klar, es gibt immer Menschen, die diese Situation vielleicht ausnutzen. Aber das lässt sich nicht immer verhindern und fliegt irgendwann auch auf, wenn nicht gearbeitet wird.
Vertrauen zueinander sollte man schon haben. Ansonsten stimmt auch etwas in dem Verhältnis Geschäftsführung-Angestellter nicht.
Das Schönste für mich am Homeoffice ist, dass man sich wirklich auf seine Arbeit konzentrieren kann, es einem gar nichts mehr ausmacht, auch mal etwas länger am PC zu sitzen, und, ganz wichtig, man in kurzen Hosen und manchmal auch, ich gebe es zu, ungekämmt vor der Glotze arbeiten kann.
Ich denke auch, wenn die Firmen schlau sind, behalten sie eine Regelung bei. Ob der Mitarbeiter nun in der Firma den Kaffee wegtrinkt und andere Kollegen vielleicht mit seinem Gelaber aufhält, kann er besser und wie gesagt, effektiver, von zu Hause arbeiten. Vertrauen muss natürlich da sein. So wie wir der Geschäftsleitung vertrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Menschliche und strategische. Denn am Ende sind wir ja von diesen Entscheidungen abhängig.