Kalt

Wenn ich gefragt werde, ob ich lieber im Winter oder im Sommer Urlaub mache, ist meine eindeutige Antwort: im Sommer. Nun ist es nicht so, dass ich keine Jahreszeiten mag. Ganz im Gegenteil. Ich mag den Wechsel vom Winter hinein in den Frühling, wenn der Sommer schon in Lauerstellung auf sein Erwachen wartet. 

Auch der Winter hat seine Reize, wie eigentlich jede Jahreszeit. Wenn man sich so richtig schön einmummelt und dann vielleicht sogar bei Schnee und eisigen Temperaturen einen ausgiebigen Spaziergang macht, ist das einfach herrlich. Noch herrlicher, so empfinde ich es jedenfalls, ist es dann, wieder in der kuscheligen Wohnung anzukommen. Einen heißen Tee aufsetzen, ein paar Kerzen anzünden und es sich mit einer Decke und/oder einer Wärmflasche im Wohnzimmer gemütlich zu machen, gibt es Schöneres?

In den USA wurden im Dezember Temperaturen von minus 40 Grad gemessen. Unvorstellbar. Aber auch bei uns in Deutschland geht es teilweise sehr kalt zu. Am 12. Februar 1929 sollen im Kreis Pfaffenhofen minus 37,8 Grad gemessen worden sein. Wahnsinn. 

Als bei uns vor ein paar Wochen die Temperaturen heruntergingen und knapp in den zweistelligen Bereich sanken, fand ich das wirklich extrem unangenehm. So viel kann man ja kaum anziehen. 

Um so erstaunter war ich über mich selber, als ich mich kürzlich entschloss, bei 110 Grad minus ausharren zu wollen. Wohlgemerkt wollen, ich wurde nicht dazu gezwungen. Wenn, dann nur von meiner eigenen Neugier.

Es mag sich jetzt vielleicht etwas schräg anhören, aber wenn es neue Dinge zu entdecken gibt, sind wir meistens ganz weit vorne dabei, sofern das möglich ist. Ob nun schwerelos auf einer Salzsole zu liegen, einen E-Scooter in den USA zu testen, sobald es etwas Neues gibt, von dem im Bekanntenkreis meistens noch nie jemand gehört hat, haben wir es oft schon ausprobiert. 

Als ich also vor kurzem unter einem Hexenschuss litt, war ich im Fitnessstudio, um zu trainieren. Allerdings nicht meine Muskeln, sondern meinen Geist. Und zwar mit einem ausführlichen Wellnessbesuch. Wärme und Entspannung sind ja mindestens genauso wichtig wie den Körper und die Muskeln zu trainieren, hatte ich mir eingeredet.

Wie auch immer, als ich also in der Umkleide ankam, um mich für die Sauna fertig zu machen, traf ich einen Sportkollegen, mit dem ich mich schon öfter nett unterhalten hatte. Natürlich kam auch mein Hexenschuss zur Sprache, den man mir förmlich ansah. „Versuch doch mal eine Kältekammer, vielleicht hilft Dir das“, wurde mir ans Herz gelegt. Er berichtete davon, wie begeistert er von dieser Anwendung war und wie es funktioniert. 

Was natürlich klasse war und ist, diese Kältekammer ist von unserem Fitnessstudio nur einen Steinwurf entfernt. Das hörte sich alles sehr gut an, was er zu berichten hatte. In der Sauna entspannend, dachte ich darüber nach. Das Thermometer zeigte 90 Grad an. Was für ein Kontrast ist das denn, überlegte ich plötzlich etwas angespannt. 110 Grad minus sollen in dieser Kammer herrschen. Wie um alles in der Welt kann man das aushalten?

Nach etwa zwei Stunden war ich entspannt, bis auf meine Muskelprobleme natürlich, und berichtete meiner Frau davon. Erst einmal kurz auf die Internetseite geschaut, dann in ihre Augen. „Lass machen“, sagten wir einstimmig und machten uns auf den Weg zum Kältestudio. 

Im Cryopoint angekommen wurden wir gleich sehr nett empfangen und meine Anspannung, die sich zugegebenermaßen etwas gebildet hatte, wurde gleich deutlich weniger. Die beiden Inhaber des Studios berichteten ausgiebig von den positiven Eigenschaften, die durch einen regelmäßigen Besuch in der Kältekammer auftreten können, aber natürlich auch nicht müssen. Ob gegen Müdigkeit, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen oder gar Migräne. Für das Immunsystem, eine straffere Haut und einiges mehr, soll die Kältekammer sorgen. Namhafte Sportler aus der Umgebung nutzen die Kammer regelmäßig.

Das hörte sich alles gut an, ich wollte es nun auch unbedingt versuchen. Natürlich sind nicht alle Menschen gleich. Was dem einen guttut, kann dem anderen vielleicht eher schaden. Also müssen vorab einige Fragen auf einem Formular beantwortet werden, vor allem zum Thema Gesundheitszustand. Danach wird besprochen, ob man überhaupt dafür geeignet ist. 

Und dann ging es tatsächlich los. Becca und ich konnten gemeinsam in den Raum gehen, in dem die Eisbox steht. Zusammen wurden wir über alles informiert. Die maximale Aufenthaltsdauer in der Box beträgt vier Minuten. Vier Minuten bei minus 110 Grad. Ist das machbar, fragte ich mich leicht aufgeregt. Natürlich kannst Du auch nach einer Minute wieder raus, aber das kam für mich in Gedanken nicht in infrage. 

Dicke Socken an, in die Crocs-Schuhe schlüpfen, die Unterhose anbehalten, eine Mütze oder ein Stirnband und Maske aufsetzen, und los gehts. Da man in diesem „Kühlschrank“, der mich etwas an eine Telefonzelle erinnert hat, nicht selbstständig die Tür von Innen öffnen kann, machte mich dieser Gedanke anfänglich etwas nervös. Allerdings bleibt der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin ja die gesamte Zeit in diesem Raum, es kann also gar nichts passieren. 

„Hast Du einen Musikwunsch?“, wurde ich gefragt. Erst verneinte ich das, überlegte es mir dann aber schnell. „Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“ oder besser gesagt, „Guten Tag, liebes Glück“, von Max Raabe zusammen mit Lea, einer meines Lieblingssongs. „Kühlschrank“ auf, Musik an, Zeit läuft. 

Das erste Empfinden war; kalt hier. Die Rückwand ist mit Eis bedeckt und die Umluft umhüllt schnell meinen gesamten Körper. Aber die trockene Kälte ist angenehmer, als befürchtet. Ich fing an, im Rhythmus des Liedes zu tanzen. Auch, um mich gefühlt warm zu halten, was bei 110 Grad minus allerdings durch meine leichten Bewegungen schwer möglich ist. Meine liebe Frau steht mir zur Seite und der Besitzer zeigt mir die erste Minute an, während er sich mit meiner Frau unterhält. Natürlich wollte ich die maximalen vier Minuten aushalten. Schließlich wollte Becca nach mir ebenfalls diese neue Erfahrung eingehen. Nicht auszudenken, wenn sie es länger aushält als ich. Aber das ist ja kein Wettbewerb und auch gar nicht das Ziel. 

Zwei Minuten, dann drei, bekam ich freundlich angezeigt und das Lied begann von vorne. Nach drei Minuten fing mein Körper langsam unkontrolliert etwas zu zittern an, was mich aber gar nicht störte. Ich setze meinen Tanz fort und war angenehm überrascht, dass ich tatsächlich die volle Zeit aushielt. Dann war es schon so weit, die Zeit war um, die Tür wurde geöffnet. Nein, meine typischen Bedenken, dass sie sich nicht öffnen lässt, weil sie klemmt, traten nicht ein. Kopfkino, wie eigentlich immer, völlig zu Unrecht. 

Als ich die Kältekammer verließ, fühlte ich mich irgendwie gut. Selbstverständlich war mein Hexenschuss nach vier Minuten nicht plötzlich verschwunden. Aber ich fühlte mich wirklich gut. 

Wie zu erwarten war, hat Becca dann auch die vier Minuten durchgehalten und auch sie fühlte sich anschließend gut. 

Nun kann man sicherlich keine Wunder nach einer Anwendung erwarten, aber das gute Gefühl möchte ich oder eher gesagt, wir, unbedingt öfter erleben. Dieser Frischekick hat uns gutgetan und ich kann dieses Erlebnis uneingeschränkt weiterempfehlen. Und auch, wenn ich vorher etwas Bedenken hatte, diese wurden durch die freundliche, professionelle und angenehme Art der beiden Inhaber sofort zerstreut. Wir werden uns in Kürze eine 10-er Karte gönnen, die wir sogar zu zweit benutzen dürfen. Ich denke, nach fünf Anwendungen wird sich unser angenehmes Gefühl und unser Befinden positiv äußern. 

Übrigens, Cryo kommt von dem griechischen Wort kryós, was übersetzt kalt heißt. Und kalt war es ja allemal. 

Ich werde wieder berichten.

 

Du willst es auch einmal versuchen? Nähere Informationen findest Du hier: Cryopoint