Kein Anschluss
Und wieder einmal muss ich mit dem Wort „früher“ anfangen. Denn wenn man an das klassische Telefon denkt, also den Festnetzanschluss, hatte das früher eine völlig andere Bedeutung.
Man konnte auch tolle Sachen damit machen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich manchmal die Zeitansage angerufen habe, wenn ich die Uhrzeit genau wissen wollte. Zugegeben, ich kann heute gar nicht mehr sagen, warum ich die denn so genau wissen musste. Wahrscheinlich um meine Armbanduhr einzustellen.
Aber das war nicht die einzige Service-Telefonnummer, die man anrufen konnte. Es gab auch noch eine Wetteransage, eine Verkehrsansage, einen Weckdienst, man konnte das aktuelle Kinoprogramm abfragen, die Lottozahlen, Horoskope und vieles mehr.
Ein Dienst war damals noch sehr wichtig, nämlich die Auskunft. Hatte man einen Namen und einen Ort und eine Straße, konnte man die freundliche Mitarbeiterin nach der Telefonnummer suchen lassen. Natürlich gab es auch früher schon die Telefonseelsorge, damals wie heute eine sehr wichtige Einrichtung. Alle, oder zumindest die meistens anderen Serviceleistungen wurden in der Zwischenzeit abgeschaltet. In Zeiten von digitalen Möglichkeiten werden sie nicht mehr benötigt.
An eine Sache erinnere ich mich noch heute gut, auch wenn es fast gar nicht mehr wahr ist. Die Vermittlungsstelle: Wenn man aus der BRD in der damaligen DDR anrufen wollte. Dann rief man eine Telefonnummer an, gab die gewünschte Nummer vom Empfänger an und erhielt einen Rückruf, wenn die Verbindung stand. Man konnte unsere Verwandten damals nicht direkt anrufen. Heutzutage kann man mit seinem iPhone am einsamsten Ort der Welt, wo kein Empfang besteht, bei Bedarf per Satellit einen Notruf absenden und der Standort wird auch gleich mit übertragen.
Früher (zu DM-Zeiten) hat man zu Weihnachten und zu Geburtstagen auch noch generell persönlich angerufen. Teilweise hat man stundenlang telefoniert und die Rechnung in die Höhe getrieben. Denn telefonieren war damals im Verhältnis zu heute ja sehr teuer.
Ein Ortsgespräch in den 80er Jahren konnte zwischen 0,12 DM und 0,23 DM pro Minute kosten, abhängig von der Tageszeit.
Ferngespräche im Inland kosteten tagsüber bis zu 1 DM pro Minute. Abends und nachts sanken die Preise häufig auf etwa 0,50 DM pro Minute.
Auslandsgespräche waren in den 1980er Jahren extrem teuer, oft mehrere DM pro Minute, je nach Land.
Ärger gab es mit den Eltern, wenn sie am Ende des Monats die Telefonrechnung kontrollierten, denn Anrufe zu speziellen Service-Nummern (wie z. B. Wetter- oder Zeitansage, Horoskope oder Auskunft) hatten in der Regel festgelegte Preise, oft zwischen 0,12 DM und 0,48 DM pro Anruf.
Damals gab es ja auch keine Mitbewerber, sondern ausschließlich die Post. Mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes Mitte der 1990er Jahre und der Konkurrenz durch neue Anbieter fielen die Preise stark. Anbieter wie Arcor oder Mannesmann sorgten für eine Preisrevolution, was insbesondere Ferngespräche und Auslandsgespräche deutlich günstiger machte.
Wenn heute das Festnetztelefon klingelt und ich die Nummer nicht kenne, bin ich erst einmal skeptisch. Handelt es sich auch noch um eine auswärtige Telefonnummer, bin ich bereits vor dem Abnehmen, was ja kein abnehmen mehr, sondern nur noch ein Tastendruck ist, bereits genervt und nehme eine leichte Abwehrhaltung ein.
Meistens sind es dann nämlich irgendwelche Werbeanrufe. Wenn sich schon sofort keiner meldet und dann meinen Namen kaum aussprechen kann, das ist jetzt kein Vorurteil, sondern Erfahrung, lege ich wieder auf.
Was mich besonders nervt, und auch meine Nachbarn, ist, dass regelmäßig irgendwelche Möchtegern Telekom Mitarbeiter vor der Tür stehen und mehr oder minder aggressiv einen Vertrag abschließen wollen. Ätzend und penetrant diese Typen.
Vor ein paar Tagen wollte ich eine neue iWatch einrichten. Dazu muss man von der alten Uhr die eSim-Karte, das ist sozusagen eine Sim-Karte, die man nicht anfassen kann, aber für den Mobilfunk ohne Handy benötigt, übertragen.
Leider gab es keine andere Auswahlmöglichkeit im entscheidenden Moment der Installation einen neuen eSim-Karten-Vertrag abzuschließen. Allerdings gleich mit dem Hinweis, dass dieser nicht nötig ist, da er bereits vorhanden ist. Man soll nicht vergessen, diesen gleich wieder zu kündigen. Man hat ja auch sonst nichts zu tun.
Um das zu klären, rief ich also bei meinem Mobilfunkanbieter an. Da die Wartezeit länger sein würde konnte ich mich für einen Rückruf entscheiden. Das klappte auch tadellos nach wenigen Minuten.
Als Erstes musste ich mich natürlich legitimieren mit der ersten und achten Stelle meines Passwortes. Mit den Fingern und nach dem Zurechtrücken meiner Brille gelang mir das und ich schilderte das Problem. „Gut, dass sie anrufen“, Herr G.! Wie ich gerade sehe, läuft ihr Mobilfunkvertrag aus, ich habe da ein tolles Angebot für Sie.“ So wurde ich gleich begrüßt. Als ich dem Mitarbeiter zu erklären versuchte, dass ich wegen eines Problems anrufe und nicht, um einen neuen Vertrag abzuschließen, bestand er darauf, mir sein tolles Angebot zumindest einmal vorstellen zu dürfen.
OK, war jetzt nicht so schlecht und schon bekam ich eine E-Mail mit einem neuen Vertrag zugeschickt, den ich einmal überfliegen und dann bestätigen sollte. Natürlich kann man die vielen Seiten gar nicht so schnell lesen, ich prüfte nur, ob der Preis auch nicht höher als vorher ist, sah den Mehrwert und bestätigte. Als ich dann endlich zu meinem Problem kam, bekam ich zu hören, dafür sei ein Spezialist zuständig, ich möge dranbleiben.
Nach kurzem Warten war die Leitung unterbrochen. Leicht genervt rief ich wieder an, dieses Mal ohne einen Rückruf zu bestellen, denn die Mitarbeiterin war schnell verfügbar. Dieses Mal war es die vierte und elfte Stelle meines Passwortes, das benötigt wurde. Wieder mit den Fingern am Bildschirm gezählt, vorher die Brille noch geputzt. Ich schilderte mein Problem und bekam dann zu hören: „Gut, dass sie anrufen, Herr G., Ihr Festnetz-Vertrag läuft ja aus, da habe ich ein tolles Angebot für Sie“!
Hatten wir das nicht gerade schon, dachte ich genervt. Widerstand meinerseits war zwecklos, also hörte ich mir auch dieses Angebot an und schon war eine neue E-Mail zur Bestätigung da. Da man fast alle Internet-Käufe innerhalb von 14 Tagen widerrufen kann, war es nicht wirklich ein Risiko auch diesen neuen Vertrag zu bestätigen, schließlich war der günstiger als der Alte. Dann schilderte ich das Problem und die freundliche Mitarbeiterin sagte mir, dafür ist mein Kollege aus der Watch-Fachabteilung zuständig, bitte bleiben Sie kurz dran.
Mir fiel fast der Hörer auf die Gabel, die es nicht mehr gibt. Alle Jüngeren, früher hatte man eine Gabel am Telefon worauf man den Hörer legen oder auch knallen konnte. Hat also nichts mit Besteck zu tun. Das Knallen vermisse ich schon manchmal.
Die nächste Mitarbeiterin, zu der ich dann durchgestellt wurde, wollte doch tatsächlich mein gesamtes Passwort. Leicht transpirierend lies ich ein Zeichen nach dem anderen vor. Eine Spezialistin für das Problem war sie allerdings auch nicht, aber sie schien zumindest zu wissen, was ich wollte.
„Kein Problem sagte sie freundlich, ich schicke Ihnen einen neuen QR-Code zu und damit können Sie die eSim übertragen“. Warum nicht gleich dachte ich. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte sie. Da ich nicht noch mehr Verträge abschließen konnte, verabschiedete ich mich von ihr.
OK, im Gegensatz zu den neuen Verträgen ist die versprochene eSim Karte nicht geliefert worden. Aber ich bin wieder um eine Erfahrung reicher.
Was waren das noch für tolle Zeiten, als man sein Telefon dafür benutzte, um sich einfach nur minutenlang die Zeitansage anzuhören.
PS.: Die beiden neu abgeschlossenen Verträge habe ich nach genauer Prüfung tatsächlich widerrufen. Ich hoffe, ich habe daraus gelernt.