

Immer, wenn ich zu meinem Friseur gehe, vergesse ich in letzter Zeit fast immer meine Maske aufzusetzen und meine Hände nach dem Betreten zu waschen. Obwohl das ja nun eine ganze Weile Vorschrift ist, ist es immer noch ungewohnt. Vor allem, da jetzt kaum noch jemand eine Maske irgendwo trägt.
Da muss ich mich leider auch mit einschließen. Noch vor Kurzem waren wir oft die Einzigen, die ihre Maske beim Einkaufen oder in einem Hotel trugen. Mittlerweile tragen immer noch vereinzelt einige Menschen ihre Maske, was ganz sicherlich auch nicht verkehrt ist. Gerade ältere Menschen müssen nach wie vor aufpassen, dass sie sich nicht anstecken.
Will man körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ist das Voraussetzung.
Jetzt mal ganz ehrlich: Hat jemand vor Corona mal etwas von körpernahen Dienstleistungen gehört? Also ich nicht. Wahrscheinlich, weil ich nicht zur Pediküre gehe. Körpernahe Dienstleistungen. Wenn ich so über den Begriff nachdenke, könnte ich auch auf falsche Gedanken kommen. Das ist damit aber nicht gemeint.
Mein Friseur oder eher gesagt, meine Friseurin, hat keine andere Wahl, als mir meine Haare zu waschen und zu schneiden. Ob sie das nun bei jedem Kunden gleich gerne macht, spielt keine Rolle. Betritt der Kunde den Friseursalon, muss sie auf „Tuchfühlung“ gehen, ob es ihr gefällt oder nicht. Ich kann mir vorstellen, dass ich nicht jedem die Haare waschen möchte. Die Person generell anfassen möchte. Sicherlich gibt es auch Kunden, die hygienisch nicht den allerbesten Eindruck machen, aber trotzdem angefasst werden müssen. Gruseliger Gedanke.
Ich mag es bei Fremden, aber auch bei einigen Bekannten oder befreundeten Personen nicht so gerne, wenn man mir zu Nahe kommt. Auch vor Corona nicht. Aber manchmal mag man auch nichts sagen, obwohl man die Wahl hat. In einigen Berufen hat man die aber nicht.
Als ich mir vor einer Weile mal etwas richtig Gutes für meinen Körper und Geist tun wollte, buchte ich eine Massage. Aber nicht irgendeine. Es sollte eine Ayurveda- Massage mit Shirodara sein. Hierbei handelt es sich um eine Ganzkörpermassage (also gewisse Bereiche werden natürlich ausgelassen). Am Ende bekommt man einen Stirnguss mit warmen Öl. Das warme Öl ergießt sich in sanften Wellen über die Stirn und glättet dabei die Haut und wirkt gegen Stress und Nervosität und man gerät in einen tiefen Zustand der Gelöstheit. Ein tolles Erlebnis, einfach mal ausprobieren, auch wenn es nicht ganz günstig ist.
Als ich aber vor dem Stirnguss entspannt auf der warmen Liege lag und die Masseurin gerade von meinen Füßen zu meinen Beinen hoch massierte, dachte ich wieder an den Begriff, körpernahe Dienstleistungen. Einen Menschen den ganzen Körper zu massieren ist wie beim Friseur sicher auch nicht immer ein Vergnügen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, einen wildfremden, vielleicht noch unsympathischen und womöglich noch ungepflegten Menschen berühren zu müssen. Ein Alptraum kann das sein, oder nicht?
Aber es könnte ja auch noch schlimmer kommen. Wenn meine Zahnärztin eine Stunde in meinem Mund herumwerkelt, die Fußpflegerin, die die Füße ihrer Kunden pflegt, der Arzt, der Körperteile untersucht, die man bei einem selber nicht einmal gerne anschaut.
Nun haben wir kürzlich eine Serie auf Apple-TV gesehen. Sie heißt Memorial Hospital und beschreibt in acht Folgen die dramatischen Tage während und nach dem verheerenden Hurrikan Katarina 2005 in New Orleans, USA. Mindestens 1800 Tote und Schäden in Höhe von etwa 125 Milliarden US-Dollar waren das Ergebnis. Die Ärzte und Pfleger haben sich unter unvorstellbaren Gegebenheiten, völlig alleingelassen von der Regierung, unter unfassbarer Anstrengungen um ihre Patienten gekümmert. Aufopferungsvoll und weit über ihre eigene Erschöpfung hinaus.
Da musste ich an den Alltag der Ärzte und Krankenpfleger in unserem eigenen Land denken. Da darf es keine Berührungsängste geben. Wir werden immer älter und es werden immer mehr Mitarbeiter im Gesundheitswesen benötigt. Ich würde aber mal behaupten, dass die Verdienstmöglichkeiten auch heute immer noch in keinster Weise zur Leistung passen. Wer einmal in einem Altersheim und Krankenhaus war, der hat gesehen, was dort geleistet wird.
Ja, man hat sich den Beruf ausgesucht. Dieser wurde dann ganz sicher für viele zur Berufung. Und wenn ich mir schon nicht vorstellen kann, wie es sein muss, einen fremden Menschen zu massieren oder die Haare zu schneiden, wie muss es dann sein, wenn man Menschen die Windeln wechseln und sie saubermachen muss. In diesem Job hat man keine andere Wahl, als auf Tuchfühlung zu gehen.
ICH wäre nicht der Richtige für körpernahe Dienstleistungen, das gebe ich zu. Zum großen Glück gibt es aber Menschen, die sich diesen Herausforderungen stellen. Das Traurige ist nur, dass die Gesellschaft es wenig zu schätzen weiß und die Einkommen viel zu gering sind. Ich hoffe, das wird sich ändern. Denn wir können gar nicht dankbar genug sein, dass es Menschen gibt, die keine Berührungsängste haben.
Stellvertretend möchte ich mich an dieser Stelle bei dem Mann meiner Kollegin Evi bedanken, der in der ambulanten Pflege arbeitet. Danke an Farid und alle Kolleginnen und Kollegen. Danke auch an meine Friseurin, Masseurin und Ärztin. Danke an alle, die keine Scheu haben, andere Menschen anzufassen.
Danke, dass es Euch gibt!