Leichtes Gepäck

Wie heißt es so schön in dem Lied von Silbermond „Leichtes Gepäck“? Irgendwann fällt Dir auf, dass Du neunundneunzig Prozent nicht brauchst.

Nun ist das vielleicht im Besonderen ein Problem unserer Zeit. Klar, auch früher wurde schon gesammelt und vielleicht auch gehamstert. Aber das hatte einen anderen Grund. Man musste nehmen, was man bekam, musste Vorräte anschaffen. Denn die Zeiten waren hart.

Heute ist das Problem immer noch da, die Ursache allerdings hat sich komplett verändert. Natürlich gibt es nach wie vor „Jäger und Sammler“ und natürlich werden auch heute Dinge auf Vorrat gekauft. Sechs Pakete Butter im Kühlschrank, bei den heutigen Preisen, müssen es schon sein, wenn sie denn schon endlich mal wieder im Angebot ist. 

Sammler sammeln oft, weil sie zu viel Geld haben und dieses in Antiquitäten, Kunstwerke oder vielleicht auch in Gold anlegen und immer mehr und mehr horten. 

Ich würde behaupten, Menschen wie Du und ich leben auch selten mit leichtem Gepäck. Klamotten stapeln sich, man findet in seinem Kleiderschrank immer weniger zurecht. Und bevor lange gesucht wird , kann ja sein, dass man das rote T-Shirt irgendwann einmal bereits entsorgt hat, kauft oder besser ausgedrückt, bestellt man sich lieber ein Neues. Denn auf den ersten Blick im Kleiderschrank ist es nicht zu entdecken und wenn gleich zwei bestellt werden, gibt es eines zum halben Preis. Ab drei, können auch verschiedene Farben sein, wird sogar versandkostenfrei geliefert. Und ein blaues und weißes T-Shirt zu diesem Preis kann gar nicht falsch sein. Und wenn doch, kann es  ja kostenlos zurückgeschickt werden.

So stapeln sich die Klamotten immer höher. Wo am Anfang noch eine Reihe war, sind heute zwei oder mehr. Aber das ist nicht nur bei Kleidung der Fall. 

Wenn feststellt wird, dass mal wieder viel zu viel gekocht wurde, wird hastig nach einem Behältnis gesucht. Das kann ja prima eingefroren werden, dann ist bei Bedarf eine komplette Mahlzeit griffbereit, redet man sich ein. Die „PremiaGlas“ ist doch hervorragend dafür geeignet, da passt alles rein. Schrank geöffnet und schon hat man eine Beule am Kopf. Denn auch der Schrank ist dermaßen voll, dass einem die Hälfte schon entgegenkommt. Zum Glück meistens nur die Tupperware aus Plastik. Glas steht weiter hinten.

Essen eingefüllt wird das Gefrierfach geöffnet und schon fallen drei Pakete Butter raus. Also muss gestopft und gedrückt werden.

Da der Kopf nun aber schmerzt, geht man an seine Schublade oder seinen Schrank mit den Medikamenten. Wahnsinn, hier lauert eine kleine Apotheke. Die Sucherei geht los und beim Suchen wird festgestellt, dass viele Arzneimittel bereits abgelaufen sind. Natürlich die Kopfschmerztabletten schon seit über einem Jahr. Klasse, wird sich eingeredet, solange wurde schon keine Kopfschmerztablette mehr benötigt. Zum Glück ist die nächste Apotheke ja aber nur 100 Meter entfernt. OK, die in 200 Metern Entfernung hat dieses Medikament aber gerade im Angebot, zeigt das Smartphone an. Also Schuhe anziehen und nix wie hin. 

Beim Blick in den Schuhschrank fällt einem auf, dass die etwa 15 Schuhkartons, die auf dem Kleiderschrank und unter dem Bett wohnen, niemals in den kleinen Schuhschrank passen. Auf dem Dachboden ist der Schuhschrank ebenfalls voll und eigentlich sollen ja am liebsten alle Schätze auch in der Nähe sein. Also in das erstbeste Paar Schuhe reingeschlüpft und ab geht es zur Apotheke. 

Unterwegs fällt einem dann ein, dass bei der bevorzugten Online-Apotheke ja noch durch den letzten Großeinkauf Punkte gesammelt wurden, die demnächst ablaufen. Also wird auf dem Weg erneut aufs Smartphone geschaut und festgestellt, dass das Medikament dort wesentlich günstiger ist, als bei der Apotheke in 200 Metern. Vor allem, wenn gleich fünf Schachteln genommen werden. Dann wird nämlich die doppelte Punktzahl gutgeschrieben, die Ware wird kostenlos schon morgen zugestellt und seiner Familie kann sogar noch etwas abgeben werden. Besser gehts ja nicht. 

Es wird also getrost umgedreht und durch die frische Luft sind die Kopfschmerzen auch schon nicht mehr ganz so schlimm und bis zum nächsten Tag auszuhalten. Auf dem Weg zurück in die Wohnung fällt einem dann ein, schnell noch aus dem Keller ein Bier zu holen. Welches soll es sein, ist dann die Frage. Dann wird festgestellt, dass das Hefeweizen bereits lange abgelaufen ist. Kann aber noch zum Haarewaschen genommen werden. Um allerdings an die Flaschen heranzukommen, müssen erst einmal die fünf Pakete Toilettenpapier beiseite geschoben werden. 

Apropos Toilettenpapier, eine Packung kann gleich mit nach oben genommen werden. Der letzte Besuch auf dem stillen Örtchen hat gezeigt, dass die Vorräte in der Wohnung wie weggewischt sind, also unbedingt aufgefüllt werden müssen.

Oben angekommen merkt man, dass die zehn Rollen doch nicht mehr alle in den Badezimmerschrank passen. Also kommt der Rest in die Abseite auf den Staubsauger, der eigentlich seit Jahren nicht mehr benutzt wird, da der durch einen Staubsaugerroboter ersetzt wurde. Aber falls der mal ausfällt, hat man Ersatz. 

Was für ein Stress. Zum Glück steht der nächste Urlaub vor der Tür. Beim Blick in den Kalender, nach den Abflugzeiten suchend, freut man sich, dass noch diverse Kurzurlaube bereits für das Jahr gebucht wurden. Schließlich empfiehlt es sich, bei Angeboten zuzuschlagen und Urlaub zu sammeln. Dann gibt es etwas, worauf man sich freuen kann. 

Im Urlaub angekommen, wird der Koffer, der für eine Woche doch bei näherer Betrachtung recht klein aussieht, ins Hotelzimmer gebracht. Für die paar Tage lohnt es sich ja nicht, diesen auszupacken. Und aus dem Koffer zu leben, hat auch was. Kann auch Spaß machen, jeden Tag nach einer neuen Badehose zu suchen. Auswahl gibt es ja genügend.

Spätestens nach dieser einen Woche gibt es dann die Erkenntnis, dass wieder nur die Hälfte der Klamotten angezogen wurde. Witzig, wurde beim letzten Urlaub auch schon festgestellt. Im Flugzeug ist dann Zeit, um nachzudenken. Es ist einfacher, mit leichtem Gepäck, spuckt einem die Aussage im Kopf herum. Da war doch was. 

Aber am Wochenende wird der Schrank endlich mal aufgeräumt. Zu viele Klamotten, zu wenig Übersicht. Das wird jetzt aber endlich geändert, wird sich wie ein Mantra eingeredet. Am Wochenende wird dann festgestellt, dass es tatsächlich etwas gibt, wovon sich getrennt werden kann. Ein rotes, ein blaues und ein weißes T-Shirt. Auch, wenn die irgendwie recht neu aussehen, werden sie guten Gewissens durch drei andere eingetauscht, die im Urlaub als kleines Mitbringsel erstanden wurden. 

Der Mensch ist schon komisch, oder?

Tipp des Tages für das leibliche Wohl: