Macht Erfahrung wirklich klug?

Je älter man wird, desto mehr Erfahrungen hat man gesammelt. Kann man also davon ausgehen, dass aus diesen Erfahrungen auch tatsächlich etwas gelernt wird?

Passend dazu habe ich gerade ein Zitat von einem italienischen Schriftsteller gelesen. Darin heißt es: „Die Erfahrung lehrt, dass die Erfahrung nicht das mindeste lehrt.“

Natürlich gibt es eine Menge Menschen, die einfach nichts dazu lernen wollen, oder vielleicht können?

Ich zähle mal ein paar Beispiele auf:

Menschen, die einfach nicht mit Geld umgehen können. Immer wieder kommt es zum finanziellen Abenteuerurlaub. Man könnte denken, nach 30 Jahren überzogener Kreditkarten und „jetzt wirklich die letzte“ Shoppingtour hätte derjenige das Finanz-ABC endlich drauf. Aber nein! Unser Held tappt auch im hohen Alter noch fröhlich in jede Falle, als hätte er sich geschworen: „Schulden? Diese Herausforderung nehme ich gerne wieder an“.

Dann sind da die Menschen, die von einem Beziehungsdrama in das Nächste tappen. Nach fünf Jahrzehnten voll mit Beziehungs-Crashs, Streitereien à la „wer den Müll herausbringt“ und toxischen Partnerschaften könnte man meinen, die Person hat inzwischen das Drehbuch zu „Wie man sich nicht liebt“ auswendig gelernt. Aber nein, sie stolpert immer wieder in die gleichen Herzschmerzfallen. Als ob „Liebesglück“ eine nette Option sei, die aber nicht wichtig ist. 

Dann sind da die Menschen, denen alles wichtig ist, bis auf die eigene Gesundheit. Trotz 60 Jahren Cola und Chips und dem gelegentlichen Besäufnis (weil der Arzt ja meinte, „ein Glas Wein ist gesund“) lebt diese Person nach dem Motto: „Körperpflege? Das erledigt schon der Körper!“ Fitness? Nie gehört. Der Körper ist ihr lebenslanges Testlabor für alles, was eigentlich nicht funktionieren sollte, und irgendwie tut es das trotzdem noch… irgendwie.

Ein Klassiker sind die, die meinen, immer recht zu haben. Das sind diejenigen, die sich selbst im Spiegel anschauen und sagen: „Warum sollte ich mich ändern? Ich hab doch immer recht!“ Egal, wie oft das Leben mit dem Vorschlaghammer kommt, diese Person hält sich daran, dass ihre Meinung der Fels in der Brandung ist. Wer braucht schon Wachstum, wenn man sich an die eigenen Prinzipien klammert wie ein Kleinkind an seine Lieblingsdecke? 

Kommen wir zu Dir in die Firma, vielleicht hast Du auch solche Kollegen? Karriereleiter? Eher Karussell: Unser tapferer Kollege verbringt Jahrzehnte in der Arbeitswelt, aber statt auf der Karriereleiter aufzusteigen, dreht er sich lieber im Kreis. Delegieren? Fehlanzeige. Kommunikation? Nur per Post-It. Am Ende des Arbeitstages bleibt immer der Gedanke: „Ich hab’s wieder geschafft, NICHT dazuzulernen!“

Und natürlich die, die immer Vorurteile haben. Vorurteile, die nicht sterben wollen: Trotz vieler Reisen und Begegnungen bleibt diese Person fest in ihren alten Ansichten verankert. „Andere Kulturen? Pfff, ich bleibe bei meiner Bratwurst und fertig!“ Egal wie oft das Leben ihr zeigt, dass es mehr auf der Welt gibt als das kleine Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Ihre Schubladen sind immer gut sortiert und staubfrei.

Auch immer wiederzutreffen, die echten Technik Muffel. Unser Held besitzt seit den 80ern alle möglichen technischen Geräte, von VHS-Rekordern bis hin zu Smart-TVs, doch jede neue Fernbedienung fühlt sich an wie eine Fremdsprache. E-Mail schreiben? Höchstens, wenn die Enkel es einstellen. Bei jedem Computerabsturz ist die Standardreaktion: Einfach aus- und wieder einschalten? Das hat früher immer funktioniert! OK, tut es auch heute noch oft. 

Oder die Sicherheitsfanatiker. Nach Jahrzehnten des Lebens in einer Welt voller Risiken ist diese Person auf einem Sicherheitsniveau angekommen, das den Duden neu definieren könnte. „Ist der Herd aus? Besser fünfmal nachsehen. Ist die Tür abgeschlossen? Besser zehnmal! Aber sich dabei regelmäßig beim Heimwerken den Daumen zu zerschneiden, das zählt nicht.“ 

Dann gibt es noch die, die ständig abnehmen wollen. Diese Person macht seit 40 Jahren Diäten. Immer ab Montag. Und immer nur bis Mittwoch. „Ich fange ja nächste Woche wieder richtig an!“ – das Mantra ihres Lebens. Der Kühlschrank ist dennoch ein Wunderwerk an Süßigkeiten und Tiefkühlpizza, weil man ja irgendwann durchstartet… nur eben noch nicht diese Woche.

Das sind alles nur ein paar Beispiele für Menschen, die nicht aus ihren Erfahrungen lernen. Übrigens, Ähnlichkeiten zu mir bekannten Personen sind rein zufällig. 

Allerdings finde ich mich in dem einen oder anderen selber etwas wieder. Eine schlechte Angewohnheit, aus der ich noch nie gelernt habe, trat kürzlich erst mal wieder auf. 

Wenn man im Urlaub ist und das Hotel, für Gäste die Zeit und Lust haben, drei Mahlzeiten anbietet, dann greift man doch gerne mal richtig zu. Die Umgebung ist schön, man ist entspannt und erholt, und wenn dann die Speisen auch noch so lecker sind, isst man häufig etwas mehr, als einem guttut. Nicht falsch verstehen, wir gehören nicht zu denjenigen, die sich ihre Teller mit Bergen Vollstapeln oder etwas liegen lassen. Aber es wird etwas mehr verkostet als im Alltag. 

Als ich nach dem Frühstück so satt war, schwor ich mir am nächsten Tag alles etwas zu reduzieren. Und abends, der Hunger war merkwürdigerweise schon wieder da, wiederholte sich das Spiel. Und was gar nicht geht, ist ein Hefeweizen zum Abendessen, auch wenns lecker ist. Die Hefe macht nicht nur satt, sie bläht auch den Bauch schrecklich auf. 

Zweiter Tag, Hefeweizen bestellt. Und erneut hätte man mich ins Bett tragen können. Hier noch mal probiert, hier gekostet und der Nachtisch ist auch etwas ganz Besonderes, den kann man nicht stehenlassen. 

Der Höhepunkt war nach einer Wanderung, früher Nachmittag. Ich schaute auf die Uhr, Kaffee und Kuchen hatten wir die beiden Tage zuvor zeitlich nicht geschafft. Aber wenn wir schnell gehen, sind wir in einer Stunde am Auto und schaffen es tatsächlich mal, den Kuchen zu probieren, schlug ich vor. Gesagt, getan. Die verbliebene Strecke wurde in Rekordzeit abgewandert, auf der Rückfahrt jede Höchstgeschwindigkeit ausgenutzt und eine halbe Stunde vor dem Ende der Kaffeezeit waren wieder im Hotel. Da meine Wanderhose ziemlich dreckig durch den Matsch war, schickte ich meine Frau vor und parkte schnell das Auto. Kurz frischmachen und umziehen und endlich eine Tasse Tee und den Kuchen genießen. 

Als ich am Fahrstuhl stand sah ich meine Frau bereits am Kaffeeautomaten. Ich solle mich beeilen, rief sie mir zu. Scheiß auf die dreckige Hose, kurz Hände gewaschen, das musste reichen und ab ans Buffet. 

Torten, diverse kleine verschieden Kuchen und Waffeln mit heißen Kirschen und Vanillin Sauce schauten mich an. Dazu alle möglichen Heißgetränke. OK, von der Himbeertorte waren nur noch drei Stücke da. Also für uns gleich jeweils eines gesichert, die kleinen Stückchen Kuchen sahen auch lecker aus und ein paar davon passten auch noch auf den Teller. Dazu natürlich ordentlich Sahne. 

Die Zeit drängte etwas, es wurde langsam abgeräumt. Schnell noch mal eine Waffel mit Sauce und zurück an den Tisch. 

An diesem Abend gingen wir etwas später zum Abendessen, etwa zwei Stunden nach dem Kuchenschmaus. Das Hefeweizen wurde tatsächlich durch eine Cola ersetzt, wäre auch nicht mehr reingegangen. Dass es dann noch Shrimps mit Aioli gab, war natürlich genau nach unserem Geschmack. Gezählt habe ich sie am Ende nicht wirklich, würde es aber jetzt hier auch nicht erwähnen wollen. Satt waren wir natürlich wieder und völlig ungewohnt war es dann auch, dass wir bereits gegen 22 Uhr das Licht ausschalteten. Um so mehr Zeit hatten wir, das Essen zu verdauen und uns aufs Frühstück zu freuen. 

Aber nach dem Urlaub wurde dann erst einmal wieder Diät gemacht. Von Montag bis Mittwoch. 

PS.: Die Erfahrung machen, wie es ist, aus einem Flugzeug zu springen, schenke ich mir glaube ich.