Oben angekommen sagte ich schwer atmend zu meiner Frau: „Der Erste, der mich in der Firma fragt, ob ich mich im Urlaub gut erholt habe, der bekommt sofort eins auf die Zwölf!“

14 Tage vorher: Ein Jahr ist auf der einen Seite immer schnell, zu schnell, vorbei. Auf der anderen Seite zieht sich aber manchmal die Zeit, scheint fast stillzustehen. Gemeint ist die Zeit vor einem geplanten Urlaub. Man schaut aufs Datum, immer noch zwei Monate arbeiten. Die wollen aber irgendwie gar nicht vergehen. Ist der langersehnte Tag dann aber endlich da, vergeht die Zeit plötzlich oft wieder wie im Fluge. 

Apropos Fluge: Wir haben ja nun eine Zeitenwende. Damit meine ich jetzt nicht die Zeit vor dem schrecklichen Krieg in der Ukraine, sondern die vor Corona. Als man noch unbedarft ohne Schutz und ohne Bedenken andere Menschen in den Arm nehmen konnte und viele weitere Vorzüge einer Pandemie-freien Zeit hatte. Vor dieser Zeitenwende, ich hatte es an dieser Stelle ja bereits erwähnt, flogen wir zweimal im Jahr in die USA. Hatten also meistens insgesamt zweimal drei Wochen Urlaub. Dazwischen war dann immer die lange Zeit des Wartens. Seit Corona, auch das habe ich schon oft erzählt, haben wir das Wandern lieben gelernt. 

Nun werden unsere Urlaube gestückelt, mal hier eine Woche, mal da ein paar Tage. Mal ist es der Harz, mal ist es Rügen. Wandern kann man ja an vielen Orten, auch in unserer schönen Heimat. Berge sind uns allerdings seitdem besonders ans Herz gewachsen. Je höher, desto besser. Jetzt standen tatsächlich 14 Tage auf dem Plan. USA sind uns nach wie vor im Moment noch zu unsicher, was das Fliegen und die Entwicklung von Corona angeht und auch noch immer zu teuer. Wie wäre es da mal mit etwas höheren Bergen? Wie wäre es da mal mit den Alpen?

Gesagt, getan. Also ging es mit dem Auto knapp 1200 Kilometer weit nach Italien, genauer gesagt nach Südtirol oder noch genauer, in den schönen Ort Sand in Taufers. Der liegt in der Nähe von Bozen und Meran. Die Autofahrt war schon besonders, was den Hintergrund hat, dass wir nicht einmal tanken mussten. Dazu aber bei anderer Gelegenheit mehr.

Da wir ja keine Eile hatten, haben wir noch jeweils einen Stopp in Halle und Nürnberg gemacht. Beide Städte sind absolut sehenswert. Beide haben eine tolle Altstadt und wunderschöne, alte Häuser. Weiter ging es dann über den Brenner. Das hat allerdings nicht wirklich Spaß gebracht und wir waren froh, den hinter uns gelassen zu haben. 

Als wir dann kurz vor dem Ziel die letzten Kilometer gefahren sind, ging es eine Weile nur noch steil bergauf. Natürlich wurde es auch immer kurviger und wenn man den Blick etwas schweifen ließ, ging es wirklich tief nach unten. Ein kurzer Tunnel folgte dem Anderen. Tunnel ist fast zu viel gesagt, eher Löcher in einem Berg. Als wir dann endlich am Ziel waren, genauer gesagt auf 864 Metern über dem Meeresspiegel, war ich froh und gleichzeitig überwältigt von dem Anblick der Berge rundherum. Was für ein wunderschöner Ort. Das Hotel liegt mitten zwischen diesen gewaltigen Bergen in dieser beeindruckenden Gemeinde mit etwa 5500 Einwohnern. Ein wahrer Traum. 

Über das familiengeführte drei Sterne Hotel, auch im Vergleich zu unserer nächsten Unterkunft in Österreich, ein vier Sterne Hotel, werde ich sowohl hier demnächst erzählen, als auch auf meiner Seite erlebnisreicher.de unter Empfehlungen ausführlich berichten. Ein absolut toller Tipp. 

An dieser Stelle möchte ich aber zunächst einmal unseren Alltag für die nächsten 12 Tage beschreiben. Natürlich stand wandern in unserem Focus. Und, damit nicht genug, auch tägliches schwimmen war geplant. Gerade noch am Tag der Abreise, das wahrscheinlich letzte Mal für dieses Jahr, ein Bad in der schon etwas kalt gewordenen Ostsee genossen, hieß es nun täglich gegen 7:15 Uhr aufstehen und etwa 45 Minuten im Pool zu schwimmen. 

Dadurch, dass wir ja zu Hause jeden Tag bei trockenem Wetter schon noch früher aufgestanden sind, hat sich unser Körper bereits daran gewöhnt und wurde meistens etwa um diese Zeit von ganz alleine wach. Mein Geist brauchte immer etwas länger. Hotelpools sind in der Regel ja nicht riesig groß, manchmal schon bei vier Personen unangenehm voll. Also spekulierten wir durch das frühe Aufstehen diesen alleine nutzen zu können. 

An fast allen Tagen ist uns das auch gelungen. Nach einem leckeren Frühstück wurden dann die Wanderschuhe angezogen, die Rucksäcke gepackt und los ging es. Becca hat die Touren wie immer exzellent mit der Komoot-App geplant. Allerdings waren unsere Hikes meistens ein stetiges bergauf und wieder bergab. Geraden gab es gefühlt kaum. Nun stellt sich die Frage, was ist besser, rauf oder runter? Ich kann es gar nicht beantworten. Rauf ist dermaßen anstrengend gewesen, dass ich oben immer mein klitschnasses Hemd wechseln musste. Und runter ist ebenfalls dermaßen anstrengend, da man ständig die Knie beugen und aufpassen muss, dass man bei den Schotterwegen nicht wegrutscht. 15 Kilometer und 750 Höhenmeter waren manche unserer anstrengendsten Wanderungen.

Egal ob wir den gesamten Weg rauf- und runtergelaufen sind, oder einen Teil mit der Seilbahn zurückgelegt haben, immer wenn wir oben ankamen, hatten sich die Strapazen fast in Luft aufgelöst. Der Anblick war jedes Mal atemberaubend. 

Wenn man auf die Wolken runterschauen kann, ist das ein völlig neues Glücksgefühl. Und die meiste Zeit waren wir ganz alleine. Die Stille, die Einsamkeit, der Anblick dieser Naturgewalten, hat nicht nur Einfluss auf den Körper, sondern auch auf die Seele. Es war jedes Mal beeindruckend, zu spüren, dass wir ein Teil dieser Natur sind. Dass die Natur eigentlich besser ohne uns dran wäre, wir aber nicht ohne sie leben können. 

Wir haben bei unseren Wanderungen das eine und andere Gipfelkreuz erreicht. Auf bis zu 2500 Metern Höhe, Kiel liegt gerade einmal FÜNF Meter hoch, kam ich ab und an auch an meine Grenzen. Höhenangst ist nicht der optimale Begleiter auf dieser Art Touren. Doch hier, so dicht an oder gar über den Wolken, konnte man Gott etwas näher sein. Und so haben wir auch jede Jesus-Statur, die auf dem Weg lag, gegrüßt. So steht es für die Wanderer auch geschrieben.

Es war eine ganz besondere Reise. Eine Reise der Zweisamkeit, oft in der Einsamkeit. Eine Reise für Körper und Seele. Eine Reise, die für immer in meiner Erinnerung bleiben wird.

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