Protest
Im Jahr 2019 wurden laut Democracy Index der Economist Intelligence Unit insgesamt nur 76 Staaten als demokratisch gelistet. Von denen hatten gerade einmal 22 Länder eine vollständige Demokratie als Regierungsform.
Da wir es nicht anders kennen, wissen wir, oder besser gesagt, wissen einige in unserem Land, wahrscheinlich gar nicht die Vorteile wirklich zu schätzen. Dass ich hier jetzt sitzen darf, es ist schon sehr spät am Abend, und meinen Gedanken freien Lauf lassen kann, weiß ich hingegen zu schätzen. In anderen Ländern könnte ich natürlich auch diese Gedanken in meinem PC festhalten, aber anschließend niemals einfach so veröffentlichen.
Hier in unserer Heimat kann jeder Geld und Zeit in die Hand nehmen, sich eine eigene Internetseite erstellen und seine Meinung dort kundtun. Ist das nicht ein besonderes Privileg? Ich kann mich noch an eine Klassenfahrt erinnern, als ich in London im Hyde Park war und dort auf dem Versammlungsplatz Speakers‘ Corner war. Dort schnappt man sich einfach eine Kiste oder eine Leiter, stellt sich darauf und schreit seine Meinung frei heraus. Das ist für uns sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie auch wieder cool.
Im Moment gibt es so viele Themen, so viele Probleme im eigenen Land und auf dem gesamten Globus, dass man von dieser Kiste oder Leiter theoretisch nie wieder herunterkommen würde.
Nun habe ich an dieser Stelle schon einige Male davon berichtet, dass meine Frau und ich oft unterwegs sind, sehr gerne reisen. Ob mit dem E-Auto, dem E-Scooter, mit dem Fahrrad, zu Fuß oder, mit dem Flugzeug (wird mit den anderen Beförderungsmitteln schwierig zum Beispiel in die USA zu kommen).
Als wir vor kurzem etwas mehr als 1000 Kilometer nach Südtirol mit dem E-Auto gefahren sind, hatte ich die Rufe nach einem Tempolimit immer mal wieder im Ohr. Jetzt stelle ich mir die Frage, ob diejenigen, die das immer und immer wieder fordern, über weite Strecken auf bundesdeutschen Autobahnen wirklich unterwegs sind, oder ob sie überhaupt (schon) einen Führerschein haben?
Wenn man ganz objektiv zum Beispiel über die A7 von Kiel nach München fährt, muss man sehr lange suchen, um eine Strecke zu finden, auf der man das Gaspedal voll durchdrücken kann und darf. Entweder es sind Geschwindigkeitsbegrenzungen bereits vorhanden, oder der Verkehr lässt es gar nicht zu, schneller zu fahren. Auf der Rückreise war es genauso. Und genau das erlebe ich ständig auf deutschen Autobahnen. Selbst wenn man wollte, man kann die wenigsten Strecken so schnell fahren, wie man möchte. Wenn es aber dann einmal erlaubt ist, nutzen das generell immer nur sehr wenige. Viele mögen gar nicht so schnell fahren und viele können gar nicht so schnell fahren, weil ihr Fahrzeug das nicht hergeben. Und diejenigen, die meinen, langsames fahren hilft der Umwelt, die dürfen ja auch langsam fahren. Es wird ja niemand gezwungen, schnell zu fahren. Zusammengerechnet wird also auf wenigen Straßen gerast, weil man es jetzt schon nicht kann, darf oder will.
Nun gibt es sehr unterschiedliche Studien zum Thema Tempolimit. Laut einer Studie, die die CDU veröffentlicht hat, würde ein generelles Tempolimit von 130 km/h etwa 0,6 % der CO2-Emissionen des Verkehrssektors einsparen. Nicht wirklich viel. Die Zahl der Verkehrstoten ist nach dieser Studie in Ländern mit Tempolimit drastisch höher. Ob das alles so stimmt, kann ich nicht beurteilen.
Warum gibt es nur bei uns kein Tempolimit, wird immer wieder gefragt. Es haben andere Länder auch gar nicht die Möglichkeit, viel schneller als 130 km/h zu fahren. Warum nicht? Die Straßen sind überhaupt nicht mit deutschen Autobahnen zu vergleichen. Fährt man durch Österreich, Italien, die USA oder zum Beispiel Dänemark, möchte man sich gar nicht vorstellen, mit 180 km/h dort zu fahren.
Ich frage mich nur, warum man sich so auf ein Tempolimit konzentriert. Was ist denn zum Beispiel mit Tabak? Die WHO schreibt folgendes: Jedes Jahr kosten Herstellung und Konsum von Tabak mehr als acht Millionen Menschenleben, 600 Millionen Bäume, 200.000 Hektar Land sowie 22 Milliarden Tonnen Wasser und setzen rund 84 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei. Ist aber schon jemals einer auf die Idee gekommen, ein generelles Rauchverbot zu fordern? Ist mir jedenfalls nicht bekannt.
Ein ganz wichtiges Thema ist auch der Erhalt des 9-Euro-Tickets. Ob das nun überwiegend wirklich Berufspendler nutzen und ihren Wagen tatsächlich stehenlassen, bleibt dahingestellt. Oder sind es Freizeitfahrer und Rentner, die dieses Ticket hauptsächlich nutzen? Zusätzliche Kunden, die die Bahn sonst gar nicht gehabt hätte und wodurch vielleicht sogar mehr Bahn auf die Schienen muss, als ohne 9-Euro-Ticket. Und wer mal mit der Bahn gefahren ist, weiß, wie ätzend das in den meisten Fällen ist. Die Bahn ist meiner Meinung nach einfach nur schlecht. Nicht immer, aber sehr, sehr oft. Meine Frau fährt regelmäßig mit der Bahn und es gibt nur sehr selten Positives davon zu berichten. Meistens ist es eine absolute Katastrophe. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, eine absolute Ausnahme.
Tempolimit und 9-Euro-Ticket, die einzigen beiden Forderungen der Organisation „Letzte Generation“. Die würde ja kein Mensch kennen, wenn sie unsere Vorteile der Demokratie nutzen und wie viele andere Bürger auch, „normal“ demonstrieren würden. Zum Beispiel mit Plakaten und Fahnen, was auch immer, lautstark durch die Straße ziehend. Das ist aber nicht der Fall, man möchte auffallen und provozieren und versucht daher, Kunstgemälde zu beschädigen. Einzigartige Kunstgemälde, die durch deren Aktionen für immer zerstört sein könnten. Die deren Kinder sich dann nicht mehr anschauen könnten. Die für jeden, der sich für Kunst interessiert, nicht mehr verfügbar sein würden. Das finde ich schon sehr traurig und gleichzeitig erschreckend. Denn dass diese einzigartigen Gemälde nicht für immer zerstört oder beschädigt werden, wissen die Protestierenden bei ihren Aktionen ja nicht. Sie nehmen es wissend in Kauf.
Auf Missstände aufmerksam zu machen, ist wichtig. Aber meiner Meinung nach kann dazu nicht jedes Mittel recht sein. Kunst gehört uns allen. Kunst mutwillig zerstören zu wollen, ist auch ein Angriff auf die Bevölkerung. Es muss andere Wege geben, als Kunst zu zerstören oder sich auf der Straße festzukleben, und für ein Verkehrschaos zu sorgen. Am Ende schadet es nur dem „normalen“ Bürger, der einfach nur „Schaffen“ möchte und abgehalten wird, zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Oder noch schlimmer, Rettungswagen beim Einsatz blockiert.
Wenn man manchmal Demonstrationen der Bewegung „Fridays for Future“ im Fernsehen sieht, und sich danach den verursachten Müll auf den Straßen ansieht, fragt man sich, was in diese Klimaschützer gefahren ist.
Klimaschutz ist die wichtigste Herausforderung unserer Zeit, war es eigentlich immer schon. Leider wird jedoch meistens erst etwas wahrgenommen, wenn es schon fast zu spät ist.
Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Aber mit Zerstörung und Blockaden wird man das Problem Klimawandel nicht lösen können.
Aber das ist auch nur meine Meinung.