Reisen 2.0
Wenn man mit dem Flugzeug verreist, ist das oft eine aufregende Angelegenheit.
Es gibt viel im Voraus zu beachten und eine Menge zu bedenken. Was darf in die Koffer, die man aufgeben möchte, wie viel Kilogramm dürfen überhaupt mit, was darf ins Handgepäck? Es ist sicherlich sinnvoll, sich bereits ein paar Tage vor der Reise zu erkundigen, denn es gibt Unterschiede bei den Airlines. Und am besten ist es, nicht erst einen Tag vor der Reise die Koffer zu packen.
Früher war es immer noch total aufregend, wenn die Reisebüros die neuen Reisekataloge bekamen. Stundenlang habe ich darin herumgeblättert, mir die Bilder immer wieder angeschaut und die Beschreibungen studiert. Das hat immer sehr viel Spaß gebracht und ich habe es geliebt.
Die ersten Jahre, die wir auf großer Rundreise durch die USA gefahren sind, ist mit den heutigen Roadtrips ja überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Ich erinnere mich noch genau daran, dass meine Frau und ich vor der Reise den ungefähren Streckenverlauf planten. Dafür hatten wir jede Menge Landkarten, natürlich in Papierform, die wir studiert haben. Wir ist allerdings leicht übertrieben, denn ich war meistens der Fahrer und hatte mit Kartenlesen nichts am Hut.
In den USA angekommen holten wir uns von der nächstgelegenen Tankstelle erst einmal die genaueren und aktuellen Karten und während meine Frau navigierte, konzentrierte ich mich auf die sechs Fahrbahnen oder mehr und den Verkehr.
Natürlich konnte man damals auch kein Hotel online buchen oder die Preise vergleichen. Man fuhr, wenn ein Hotel am gewünschten Zielort auftauchte, auf den Parkplatz, ging in das Hotel und fragte nach der Verfügbarkeit und dem Preis. Man buchte dann, wenn es passte oder bedankte sich freundlich, wenn es zu teuer oder ausgebucht war und versuchte es beim Nächsten.
Irgendwie auch eine coole Zeit gewesen, abenteuerlich. Aber funktioniert hat es auch und wir sind immer wieder am Ende der Reise pünktlich am Abflughafen angekommen. Es war zwar oft eine Herausforderung, aber am Ende hat es immer funktioniert.
Erst viele Jahre später kam dann der Navi, den man sich entweder für teureres Geld vor Ort ausleihen konnte oder ebenfalls für teures Geld zu Hause kaufen konnte. Dazu benötigte man dann immer noch die entsprechenden Speicherkarten für das gewünschte Land. Was für eine Erleichterung das Gerät doch war.
Auch wenn ich den Reisebüros ihre Daseinsberechtigung gönne, wir nutzen schon seit sehr vielen Jahren keines mehr. Heutzutage kann man sich ja alles zu jeder Zeit im Internet anschauen, in unzähligen Vergleichsportalen die Preise checken und dann natürlich selber buchen. Noch vor einiger Zeit konnten wir dann maximal 23 Stunden vor Abflug einchecken, nachdem man sich natürlich den gewünschten Sitzplatz reserviert hat.
Bei unserer letzten Reise konnten wir sogar einige Tage vorher bereits einchecken. Natürlich kann man sich auch einen Snack oder das Essen aussuchen. Möchte man bei der Sicherheitskontrolle Zeit sparen, blockt man einen bestimmten Timeslot, einen bestimmten Zeitkorridor, an dem man dann Vorrang hat.
Da wir am Abend vor unserer Reise bereits in der Nähe zum Flughafen beim James Blunt Konzert waren, lohnte es sich nicht mehr, nach Hause zu fahren. Wir buchten also ein Hotel, in dessen Tiefgarage wir unser Auto während der Abwesenheit sicher parken konnten.
Im Preis enthalten war ein Gutscheincode, den wir in eine App übertragen bekamen und konnten damit am Abreisetag auswählen, wann wir abgeholt werden wollten. Das brauchte man erst einzugeben, wenn man abholbereit mit den Koffern auf dem Weg zum Ausgang war. Den Standort des Mini-Busses konnte man live verfolgen. Natürlich fährt der elektrisch und hat Platz für 6 Personen. Auf einem Screen kann man neben seinen Initialen auch die Reiseroute und noch verbleibenden Zeit sehen. Wirklich futuristisch, aber cool.
Noch vor ein paar Jahren waren die meist weiblichen, fast ausnahmslos freundlichen Mitarbeiter des Bodenpersonals bei der Gepäckaufgabe immer zu einem kleinen Schwätzchen bereit. Als damals die Dame im schmuddeligen Novemberwetter unser Reiseziel Miami säuselte, kamen wir nett mit ihr ins Gespräch. Sie selber wollte ebenfalls einige Zeit nach uns dorthin und so gaben wir ihr noch einige Reisetipps mit auf den Weg und tauschten sogar unsere Handynummer aus, für den Fall, dass wir ihr weiterhelfen konnten. Das hat sie sogar auch in Anspruch genommen. Wie gesagte, eigentlich hat die Gepäckaufgabe bereits den Urlaub positiv eingeläutet.
Als wir am Flughafen ankamen und vor Gepäckaufgabe standen, waren bis auf ein paar weniger Mitarbeiter, die zur Not halfen, keine mehr da. Sämtliche Schalter waren verweist und man musste alles selber machen. Diese Schalter gab es zwar schon seit einer ganzen Weile, aber die waren in der Unterzahl und man konnte sich aussuchen, ob man sie nutzen wollte oder den freundlichen Mitarbeiter in Anspruch nehmen wollte. Die Zeiten scheinen vorbei.
Also die Pässe selber eingescannt, Kofferaufkleber ausgedruckt und befestigt und weiter ging es. Kein Problem, aber trotzdem schade.
Natürlich sucht man, wenn nötig, vor dem Abflug noch einmal die Toiletten auf. Hier benötigt man dann fast eine Anleitung. Denn ob man Seife, Wasser oder Luft wählen möchte, alles ist teilweise in einem Gerät verbaut unter einer Verkleidung über den Waschbecken versteckt. Nachdem beim dritten Gerät dann tatsächlich Seife herauskam, Wasser beim Ersten und Luft zum Trocknen beim Zweiten hatte ich auch das erledigt.
Obwohl wir Eurowings, also explizit eine deutsche Fluggesellschaft gebucht hatten, wurden wir von Avion Express Mitarbeitern auf Englisch begrüßt. Aus den deutschen Mitarbeitern wurden Mitarbeiter aus Malta. Sehr merkwürdig.
Eine Ansage vom Kapitän, der einen in seiner Landessprache freundlich begrüßt und etwas zum Reiseverlauf mitteilt, gab es selbstverständlich auch nicht. Stattdessen kam eine automatische Ansage vom Band. Die ertönte dann auch bei der Landung „Willkommen am Ziel“.
Ausweiskontrollen, also außerhalb der EU, finden meistens auch nur noch vor Kameras statt. Ausweis scannen, ein freundliches Gesicht machen, sofern möglich, und schon ist man eingereist. Eher selten kontrolliert dann noch ein Mensch.
Selbst um den Leihwagen in Empfang zu nehmen, kann man mit einer App einchecken und seinen Ausweis und Führerschein einscannen, ein Selfie dazu machen und schon kann man sich zum Mietwagen begeben. Das Nummernschild wird gescannt und hochgeht die Schranke.
Im Hotel angekommen haben wir allerdings bisher immer „per Mensch zu Mensch“ eingecheckt. Teilweise haben wir ein Armband mit einem Chip darin erhalten, mit dem man sein Zimmer öffnen konnte. Das war wirklich praktisch. Auschecken kann man selbstverständlich auch elektronisch, kontaktlos.
In unserem Hotel gab es auf jeder Etage Wasserspender, die sprudelndes, kaltes Trinkwasser aus der Wand in eine bereitgestellte Karaffe füllte. Auch seine eigenen Trinkflaschen konnte man sooft füllen, wie man wollte.
Alles in allem hat sich Reisen sehr verändert. Irgendwann merkt wahrscheinlich kein Mensch mehr, dass man irgendwo in einem fremden Land zu Besuch war. Alles findet, wenn man möchte, (Menschen) kontaktlos statt. Da bin ich sicherlich mal wieder altmodisch, ich mag das kleine Schwätzchen.
PS.
Gerade erhalte ich bei Instagram einen Beitrag auf meinem Smartphone. Ein Allgemeinmediziner macht in einem Video stolz Werbung für seine Praxis. Bei ihm wurde der Empfangstresen mit den Mitarbeitern durch ein Terminal zum selbst-einchecken ersetzt. Das spart Geld und Zeit und man kann sich viel besser um die Patienten kümmern. Darunter findet man begeisterte Kommentare und angeblich selbst ältere Patienten schaffen das, in Anspruch zu nehmen. Mag ich oldschool sein, aber ich würde die Praxis wechseln.