Und immer wieder heißt es Abschied nehmen

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Zum Leben gehört es, das wir geboren werden und eines Tages auch sterben. Dass wir atmen, essen und trinken. 

Etwas, dass ebenfalls zum Leben dazu gehört, ist Abschied zu nehmen. Und diese Herausforderung begleitet uns das ganze Leben hindurch. Ob wir es wollen, oder nicht.

Menschen sind unterschiedlich, oft komplett verschieden. Einige haben mit dem Verabschieden überhaupt keine Probleme, andere leiden bei jedem erneut. Gerne würde ich mich manchmal zur ersten Gruppe zählen, aber nein, ich gehöre leider zu denen, die Abschiede in fast jeder Form hassen. 

Natürlich gibt es auch angenehme Abschiede. Zum Beispiel der vom Winter, der kalten Jahreszeit. Ja, natürlich hat auch der Winter etwas für sich, ich möchte eigentlich nicht auf ihn verzichten, aber wenn der Frühling mit all seinen Wundern an die Tür klopft, fällt mir in diesem Fall ein auf Wiedersehen sagen nicht schwer. 

Es gibt auch Menschen, die unser Leben streifen und man ist froh, wenn dieser Abschnitt nur von kurzer Dauer ist. Die, die man am liebsten von hinten oder besser noch gar nicht sehen möchte. Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber diese Erfahrung hat bestimmt schon jeder mindestens einmal gemacht, oder? Ich habe mir vor einer Weile eine Postkarte gekauft, weil ich sie einfach lustig fand und ich in meinen Gedanken schon die Personen aufgezählt habe, denen ich sie gerne in die Hand drücken würde. Ich überlegte kurz, ob ich gleich ein paar mehr mitnehmen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Die Karte besteht ausschließlich aus Text, keine Bilder. Der Text lautet: „Darf ich Ihnen das Tschüss anbieten?“ Vielleicht fällt Dir ja auch jemand ein, dem Du diese Karte gerne in die Hand drücken würdest? Bei denen Dir ein Abschied nicht schwerfallen würde.

Der erste Abschied ist sicherlich der von der Kindheit. Man hat noch träume, man will ein Superheld, ein Sänger, ein Cowboy oder Präsident werden. Vielleicht aber auch Feuerwehrmann, was ein etwas realistischerer Wunsch wäre. Man verabschiedet sich nicht nur meistens von seinen Träumen und Illusionen, sondern auch von seinem Körper, so wie er in der Kindheit ist. Das muss natürlich nichts Negatives sein, wir entwickeln uns ja weiter und unser Körper mit uns. 

Das Ende einer Beziehung wird uns im Normalfall ebenfalls treffen. Wahrscheinlich nicht nur einmal. Selbst, wenn wir uns bereits in der Jugend verlieben und die Beziehung ein Leben lang hält, irgendwann wird auch das beendet, wenn auch nicht durch uns selber. 

Mir reichen schon oft kurze Verabschiedungen. Fahre ich oder einer meiner Lieben in den wohlverdienten Urlaub, fällt mir ein Abschied schon schwer. Das Klassische am Bahnsteig verabschieden, dem Zug hinterherschauen, wie er immer kleiner wird, eine schreckliche Vorstellung. Auch, wenn es möglich ist, am liebsten verabschiede ich mich dann bereits am Auto auf die Schnelle. Das Ganze noch hinauszuzögern schmerzt oft viel mehr. Ich will es dann einfach nur hinter mir haben und hoffen, dass die Zeit für mich schnell vorbeigeht. Den Gefallen tut sie mir allerdings in diesen Situationen meistens nicht. Normalerweise rennt sie nur so, aber dann plötzlich vergeht sie wie in Zeitlupe. 

Mir ist im Leben auch schon öfter ein Abschied aus einem Urlaubsort schwergefallen. Zum Beispiel wenn man öfter an einem Ort ist, den man lieb gewonnen hat. An dem man vielleicht dieselben Menschen immer wieder trifft. Dann freue ich mich zwar auf zu Hause, in Gedanken gehe ich die Situation aber durch, ob ich jemals wieder an diesen Ort zurückkehren werde und ob ich diese Menschen dann auch wiedersehen kann. 

Im Laufe des Lebens, ähnlich wie in der Kindheit, muss man sich auch von einigen Träumen, Hoffnungen und Erwartungen verabschieden. Das Haus am See, Nachwuchs, eine Lebensweise. Aber wir Menschen haben die Eigenschaft, Erwartungen, die sich als unrealistisch oder unerreichbar erweisen, als Herausforderung zu akzeptieren und neue Ziele und Richtungen in unserem Leben zu finden. Eine Chance zu wachsen, einen Neuanfang zu beginnen.

Der Abschied von einem Job ist für den einen schmerzhaft, für den anderen eine Erleichterung und wieder für andere eine Selbstverständlichkeit. Zahlt das andere Unternehmen mehr oder muss man für sein Geld, das dort verdient wird, weniger oder kürzer arbeiteten, wird wieder gewechselt. Nicht jeder bindet sich an ein Unternehmen, bleibt dort Jahrzehnte lang, identifiziert sich mit ihm und denkt über den Tellerrand hinaus. Heute hier und morgen da ist in dieser Zeit oft die Devise. Und auch, wenn ich manchmal darüber nachdenke, wie es eines Tages sein wird, in den Ruhestand zu wechseln, wird das sicherlich auch kein leichter Abschied.

Der sicherlich herausforderndste Abschied ist der Endgültige. Der Unausweichliche, der nicht rückgängig gemacht werden kann, so gerne man das auch möchte. Der, der uns ein Leben lang begleitet und dem wir, je älter wir werden, immer öfter begegnen und der uns an unsere emotionale und physische Grenze und darüber hinaus bringt. 

Er kann sehr lang sein, kurz oder auch sehr plötzlich kommen. Er spuckt uns oft schon sehr lange, manchmal über viele Jahre im Kopf herum. Er verursacht Schmerz, er stellt oft alles infrage, fordert uns heraus. 

Wenn wir einen lieben Menschen verabschieden müssen, der seine letzte Reise antritt, benötigen wir manchmal eine lange Zeit, vielleicht sogar ein ganzes Leben, um damit klarzukommen. Es kann uns komplett aus der Bahn werfen, uns alles abverlangen. Und auch wenn viele dann sagen, die Zeit heilt alle Wunden, diese Art von Abschied hinterlässt viele tiefe Narben.

Um so wichtiger ist es, den Gedanken, eines Tages Abschied nehmen zu müssen, weit nach hinten in unserem Kopf zu schieben und hinter einer Tür zu verschließen. Aber so, dass wir durch den winzigen Spalt den Schatten, den dieser Abschied dadurch wirft, nicht außer Augen lassen. Schatten entstehen durch Licht. Und so sollten wir jeden Tag genießen und darauf vertrauen, dass wenn die Zeit gekommen ist, am Ende Licht für uns leuchtet.