Jede Jahreszeit hat etwas ganz Besonderes an sich.
Der Frühling, wenn die Natur erwacht. Die Vögel wieder anfangen, zu zwitschern. Die Tage wieder länger werden.
Der Sommer, wenn man die Wärme bis spät in den Abend genießen kann. Wenn die Menschen draußen sitzen und die Geräuschkulisse aus den Cafés und Bars überall zu hören ist.
Der Herbst, wenn sich die Blätter verfärben und ein ganz besonderes Licht über den Feldern erstrahlt, während sich der Nebel senkt.
Der Winter, der nach Schnee duftet. Klare, kühle Luft den Körper berührt und man sich auf die warme Stube freuen kann.
Ich bin nicht unbedingt der Wintermensch. Mich macht es schon traurig, wenn der Sommer seinen Abschied feiert und die Dunkelheit über das Licht immer mehr die Oberhand gewinnt. Wenn das Jahr sich schon wieder dem Ende neigt. Ich hasse es, wenn ich morgens auf dem Weg zur Arbeit durch die Dunkelheit laufen muss und nach Feierabend diese schon wieder auf mich wartet. Ich mag auch die Kälte nicht.
Wenn ich morgens dusche, verwöhne ich meinen Kreislauf zum Schluss, wenn auch nur für wenige Augenblicke, damit, meine Beine bis hinauf zur Hüfte mit eiskaltem Wasser zu erfrischen. Ich beiße dann zwar die Zähne zusammen, aber ich bilde mir ein, dass es meinem Körper guttut. Das wird zumindest gesagt. Ob ich dadurch auch nur einen Tag länger leben werde, bleibt sicher ein Geheimnis. Es ist ein kurzer Schmerz, der sich auf der Haut ausbreitet. Kälte.
Als ich gerade dieses Wochenende nach dem Sport und nach einem Saunagang einen Moment in dem heißen Pool relaxen wollte, erschrak ich, als ich meinen Fuß in das Wasser steckte. Kalt, nicht kühl, sondern richtig kalt.
Auf meine Frage, ob die Heizung defekt sei, antwortete der Mitarbeiter mit einem Ja. Aber sie funktioniert wieder und heizt gerade hoch, was aber natürlich dauern würde, erfuhr ich. Als ich dann nach Hause kam, hatte ich im Arbeitszimmer die Heizung versehentlich ausgeschaltet. Wieder ein Moment des Frierens. Es dauerte eine Weile, bis wieder eine angenehme und wohlige Temperatur hergestellt war.
Ich dachte eine Weile darüber nach, wie schön es ist, wenn man nicht frieren muss. Als ich dann die Nachrichten sah, zog sich mein Körper zusammen. Dieses Mal nicht wegen Kälte, obwohl eigentlich doch. Aber menschliche Kälte ist eine zu harmlose Beschreibung, bei den Bildern, die ich sah.
Es wurden wieder neue, schreckliche Aufnahmen vom Krieg in Europa gezeigt. Völlig zerstörte Städte, weinende alte Menschen, Frauen und Kinder. Völlig unschuldige Menschen, die niemandem etwas getan und nun alles verloren haben. Sie beklagen den Verlust ihrer Angehörigen, stehen nicht nur materiell vor dem Nichts, schlimmer noch, haben ihren Partner, ihre Eltern oder ihre Kinder verloren. Überall liegen Trümmer, liegen tote Menschen, brennen Autos und Häuser. Solche Gräueltaten kennen wir nur aus Erzählungen von Eltern, Großeltern, aus Geschichtsbüchern oder aus dem Fernsehen.
Tapfere Menschen, normale Menschen, wie der Mann aus dem Kaufmannsladen, vom Bankschalter, der Arzt oder der Verkäufer. Väter und Ehemänner, die nicht aus dem Land fliehen dürfen und stattdessen dieses verteidigen müssen. Die von heute auf morgen mit einer Waffe umgehen und im Zweifelsfall auf andere Menschen schießen müssen und damit auch den Tod gegen das Leben tauschen.
Der Gedanke, dass das bei uns passieren könnte, ist absolut unvorstellbar. Dass plötzlich fremde Menschen durch meine Straße ziehen und Freunden und Verwandten Leid zufügen. Dass ich plötzlich nichts mehr zu essen habe, nichts zu trinken, dass unsere Wohnung nur noch ein Trümmerfeld ist, dass wir nicht wissen, wo wir schlafen sollen oder ob wir bis morgen überleben, ebenfalls unvorstellbar. Und warum das alles?
Weil ein Mann es sich in den Kopf gesetzt hat, das Land oder zumindest Teile davon, seins zu nennen. Weil er die Zeit wieder zurückdrehen will. Unvorstellbar!
Und was mich an der ganzen Situation ebenfalls so traurig und wütend zugleich macht, ist, dass der größte Teil der Bürger immer noch hinter ihrem Anführer stehen. Da zählt für mich auch nicht die Aussage, in den Medien werde alles anders dargestellt. Heutzutage kann man auf der Welt nichts mehr geheim halten. Wenn dieser Anführer sämtliche freie Presse abschaltet, sogar Büros von Amnesty International, Facebook, Instagram, Google und der größte Teil der restlichen Welt sich von diesem Land zurückzieht, dann kann mir niemand sagen, das Volk weiß nicht, was vorgeht. Wenn ich diesen Anführer in seinen Reden sehe, läuft es mir eiskalt über den Rücken.
Und da bin ich wieder bei dem Thema: Eiskalt. Ich dachte darüber nach, wie ich gefroren habe. Ich dachte dann an die Bilder im Fernsehen. Was ist schon Frieren im Vergleich mit dem Leid dieser Menschen? Es ist nicht einmal wert, darüber nachzudenken. Wenn wir auch nur ein Menschenleben retten können, wenn unsere Heizungen ausgeschaltet werden, dann sollte man es einfach machen!
Unsere Schränke sind doch alle voll. Ich kann mir auch zwei Pullover übereinander ziehen, kann mich in eine Decke wickeln. Ich habe sogar das Privileg und bin dem lieben Gott dafür auch jeden Tag dankbar, dass ich meinen Körper nachts an den Körper meiner Frau schmiegen kann und wir uns gegenseitig wärmen können. Ich kann mich, auch wenn es schwerfallen würde, kalt abduschen. Ich kann auch kalten Tee trinken.
Ich brauche nur an seine Reden zu denken und das Leid der Menschen vor meinem geistigen Auge abrufen, dann wird mir auch ohne Heizung heiß vor Wut.
Wut auch, dass wir es überhaupt so weit haben kommen lassen. Dass niemand mal hinterfragt hat, ob es richtig ist, fast alles auf eine Karte zu setzen und sich von einem solchen Land abhängig zu machen. Wie konnte das passieren? Auch wir, das Volk, haben uns keine Gedanken darum gemacht. Und warum? Weil wir uns auf unsere Politiker verlassen. Weil wir davon ausgehen, dass Stand heute 736 hochbezahlte Bundestagsabgeordnete wissen, was sie tun. Schließlich haben sie so viele Experten um sich herum, dass man doch die Hoffnung haben muss, dass zumindest ein paar kluge Menschen dabei sind und dass auch kluge Entscheidungen getroffen werden. Wem sollen wir denn sonst vertrauen?
Wut auch darüber, dass jetzt Parteien, die Jahrzehntelang an der Macht waren und nun nichts mehr zu melden haben, es wagen, überhaupt den Mund aufzumachen und kritisieren, was nun beschlossen wird. Viele Jahre hat man es versäumt, die Pflicht zu erfüllen, eine einsatzbereite Bundeswehr für den Verteidigungsfall zu stellen. Und auch, wenn es meiner Meinung nach die richtige Entscheidung ist, die Atomkraftwerke abzuschalten. Warum lässt man in dieser Ausnahmesituation nicht vorübergehend das eine oder andere wieder anlaufen, bis wir in der Lage sind, uns anders oder noch besser selber zu versorgen. Stattdessen „bettelt“ man andere Länder um Energie an, die auch nicht wirklich besser sind.
Alles, wirklich alles muss getan werden, um diesem Menschen das Geld zu entziehen. Ich bin jedenfalls auch bereit, dafür zu frieren.