Veränderungen

Allein bei dem Wort läuft dem einen oder anderen ein kurzer Schauer über den Rücken. Wobei dieser Schauer aber nicht wie ein warmer, angenehm kühlender Regenguss im Sommer ist, sondern eher wie ein unangenehmer Nieselregen im November, wenn alles trist und deprimierend ist.

Wenn jemand Veränderungen ankündigt empfinden (ich eingeschlossen) die Meisten das erst einmal als negativ. Dabei gibt es doch heutzutage so wunderschöne Begrifflichkeiten, um das zu beschreiben. 

Um nur einige zu nennen, hier meine Favoriten: 

Change Management, New Work, Digitale Transformation, Hybrid Work, Work-Life-Integration und so weiter und so fort. 

Viele Menschen empfinden Ankündigungen von Veränderungen negativ, weil sie mit Risiken, Unsicherheiten und Kontrollverlust verbunden sind. Sie bringen oft Unklarheiten mit sich, etwa über zukünftige Rollen, Prozesse oder die eigene Sicherheit. Wir Menschen fühlen uns sicherer, wenn wir unsere Umgebung und Routine kontrollieren können. Wir betrachten allein schon die Ankündigung als Bedrohung für unsere eigene Position, Karriere oder die soziale Stellung. Selbst kleine Änderungen in der Routine können stressig sein, weil sie als Verlust der Komfortzone empfunden werden.

Aber woher kommen diese Vorurteile? Negative Erlebnisse bei früheren Veränderungen führen einfach zu Misstrauen und Widerstand. Veränderungen wirken oft kompliziert und schwer umsetzbar, was Angst vor Überforderung in uns auslösen kann.

Viele Menschen sind eher bereit, Veränderungen zu akzeptieren, wenn sie in den Prozess eingebunden werden und mitgestalten können. Das wird aber heutzutage anscheinend immer weniger gewünscht und praktiziert. Wenn Ängste und Sorgen der Betroffenen nicht ernst genommen werden, fühlen sich diese nicht gehört.

Aber müssen Veränderungen tatsächlich immer negativ sein? Natürlich nicht. Doch oftmals blockieren wir erst einmal, stellen uns taub und stumm, weil wir die Vorteile erst gar nicht hören wollen. Unsere Komfortzone verlassen? Wer bitte will das allen Ernstes schon? Wer möchte den Komfort, den er oder sie sich vielleicht jahrelang aufgebaut und hart erarbeitet hat, aufgeben?

Als wir erfuhren, dass unser geliebtes Fitnesscenter schließt, in dem wir Jahrzehnte unsere Zeit verbracht haben, waren wir traurig, enttäuscht und verärgert. Dass der Vermieter versprach, möglichst kurzfristig einen neuen Betreiber zu finden, hat uns weder beruhigt noch unseren Verlust beschönigt. 

Wenn überhaupt etwas Neues kommt, wird es sicherlich nicht mehr so gut sein, wie das Alte. Dass dieses Alte aber seit Jahren immer schlechter wurde, haben wir, nachdem wir von der Schließung erfahren haben, irgendwie verdrängt. Negative Aspekte werden bei der Ankündigung von Veränderungen anscheinend oft ausgeblendet. So schlecht war es dann doch nicht, redet man sich ein.

Vielleicht soll das ja so sein, vielleicht wird alles besser. Mit diesem Gedanken versuchten wir uns zu trösten. Mit den Worten, “Wir sehen uns wieder“, verabschiedeten sich einige Trainer und Trainerinnen von uns.

Als vor gut zwei Wochen nach langer Umbauphase, in der alles komplett entkernt wurde, der neue Betreiber tatsächlich das Studio eröffnete, waren wir zunächst schon etwas skeptisch. Im Kopf wurden Szenarien durchgespielt, was alles negativ sein könnte, statt erst einmal abzuwarten. 

Als wir dann die neuen Räumlichkeiten, die neuen Geräte, die dazu gewonnenen Flächen, die komplett neue Einrichtung sahen, mussten wir zugeben, dass die meisten unserer Bedenken wieder einmal umsonst waren. Genauer hingesehen, gibt es schon einige Kritikpunkte. Aber man sollte jedem eine Chance geben und erst einmal abwarten. Neue Besen kehren in vielen Fällen gut, müssen aber erst einmal Erfahrungen sammeln. Dabei können wir natürlich helfen. 

Das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen. Wer sich im Leben nie verändert, bleibt auf der Stelle stehen. Das will man eigentlich auch nicht. Wer will schon der ewig Gestrige sein?

Hätte sich in den letzten 100 Jahren nichts verändert, würde ich jetzt natürlich nicht diesen Blogbeitrag schreiben können. Und das nicht nur, weil es dann keinen Computer gegeben hätte, mit Stift und Papier wäre es natürlich auch gegangen, aber sehr wahrscheinlich wäre ich dann gar nicht mehr auf dieser schönen Welt. Denn vor guten 100 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit deutlich niedriger als heute. Sie war stark abhängig von der Region, dem Lebensstandard und der medizinischen Versorgung (wie heute auch noch). Weltweit betrug sie nur etwa 35 bis 40 Jahre, in Europa und in Industrieländern etwa 50 bis 55 Jahre. Hohe Kindersterblichkeit war ein wesentlicher Faktor.

Insofern sind Veränderungen oft gut und wichtig. 

Eine der schönsten Veränderungen optischer Art sehe ich gerade vor meinem geistigen Auge. Ein Ei wird auf ein Blatt abgelegt, innerhalb weniger Tage bis Wochen schlüpft eine Raupe daraus. Sofort beginnt sie zu fressen. Sie wächst schnell und häutet sich dabei mehrmals, sammelt dabei Energie in Form von Nährstoffen und Fettreserven, die sie für die kommende Phase benötigt. Dann hört sie auf zu fressen und beginnt sich in eine Puppe zu verwandeln. 

Sie spinnt oft einen Kokon oder bildet eine harte Schale, die sie schützt. Im Inneren der Puppe wird die Raupe fast vollständig abgebaut und in einen „Zellhaufen“ verwandelt, der sich neu organisiert und den Schmetterling formt. Nach der Phase in der Puppe schlüpft der ausgewachsene Schmetterling. Was für ein fantastisches Spektakel. Ein Wunder der Natur. 

Fazit: So negativ der Gedanke und auch die tatsächliche Veränderung sein mögen, ohne Veränderungen könnten viele, die das jetzt lesen, dies nicht tun und statt bunter Schmetterlinge nur Raupen beobachten.

Wer will das schon?