Willkommen im Dschungel

Alle Jahre wieder ist dieses Highlight 14 Tage in aller Munde. Doch bevor ich es ausspreche und schon die ersten Leser wegklicken, zähle ich hier erst einmal ein paar echte Stars der Veranstaltung in diesem Jahr auf. Um nur ein paar Namen zu nennen, die jeder kennt: Papis Loveday, Cosimo Citiolo, Jolina Mennen und Markus Mörl (ich hoffe, ich habe alle richtig geschrieben). Euch sagen diese Namen nichts? Macht nichts, mir auch nicht. 

Natürlich muss man diese Damen und Herren auch nicht kennen und natürlich muss man auch nicht wissen, wovon ich gerade rede. Denn es guckt sowieso niemand. Die Frage, die ich mir dann aber jedes Jahr stelle, ist, wie kommen diese Einschaltquoten zustande und wenn niemand schaut, wie kann dann fast jeder immer mitreden? 

2022 erreichte diese Realityshow einen Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe von 34,4 Prozent. Im Schnitt schalteten im letzten Jahr also 4,37 Millionen Menschen ein. 2020 hatte das Finale einen unfassbaren Marktanteil von 44 Prozent. Die Rede ist natürlich vom legendären Dschungelcamp. Spätestens jetzt bricht mein Marktanteil für diesen Beitrag dramatisch ein.

Diese Show startete bereits 2004 in Deutschland und kommt mittlerweile auf unfassbare 15 Staffeln. 12 Prominente, die mehr oder weniger kaum jemand kennt, buhlen zwei Wochen lang um die Gunst der Zuschauer und Mitbewohner. Sie müssen Prüfungen bestehen, bei deren Anblick man mit dem Abendessen lieber fertig sein sollte. 

Der Sieger dieser fragwürdigen Veranstaltung wird zum „Dschungelkönig“ gekürt, erhält 100.000 Euro und hat dadurch, wenn er oder sie es nicht ganz blöd anstellt, für die nächsten Jahre erst einmal ausgesorgt. Der Witz dabei ist, dass der Zuschauer die Kandidaten meist belächelt und verhöhnt, der Kandidat aber ebenso den Zuschauer belächelt und verhöhnt. Warum das? Weil dieser auch die nächsten Jahre im Normalfall jeden Tag pünktlich aufstehen muss, damit er seine 40-Stunden-Woche antreten kann, um so seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Zumindest der Sieger oder die Siegerin hat das aber erst einmal gar nicht mehr nötig. Denn die erste Zeit wird sie oder er komplett vermarktet und überall herumgereicht, was die Kasse also auch danach klingeln lässt. Und wenn man nur ein wenig schlau ist, oder einen Berater hat, wird sich gleich in die nächste Realityshow eingeloggt. Um nur einige dieser Formate zu nennen, Die Villa der Verflossenen, Tempation Island, Der Bachelor & Die Bachelorette, Bachelor in Paradise und so weiter und so fort…

Und jedes Mal wird richtig fett abkassiert. Egal, wie Du aussiehst, je schräger, desto besser. Egal, ob Du Deine Schule beendet hast, egal, ob Du überhaupt etwas gelernt hast, egal, ob Du ein Proll bist. Bist Du erst einmal in dieser Szene drin und kannst Dich verkaufen, hast Du „normale Arbeit“ nicht mehr nötig. Das glaubst Du nicht?

Um nur noch mal ein paar Zahlen alleine für das Dschungelcamp zu liefern. Die Gagen der „Stars“ lassen sich nämlich echt sehen. Denn natürlich bekommt nicht nur der Sieger oder die Siegerin ein Preisgeld. Laut Bildzeitung, bekannt für ihre präzise und zuverlässige Recherche, bekommt die diesjährige Teilnehmerin Claudia Effenberg, Berufsbezeichnung übrigens „Designerin“, 500.000 Euro (wenn sie aus dem Nähkästchen plaudert). Lucas Cordales, wer kannte seinen Vater und ehemaligen Dschungelkönig Costa nicht, 150.000 Euro. Selbst eine Verena Kerth, die 13 Jahre jüngere, ehemalige Lebensabschnittsgefährtin von Torwartlegende Oliver Kahn, für die er seine hochschwangere Frau Simone einst verließ, soll zwischen 20.000 und 40.000 Euro für ihre Teilnahme erhalten. Also, wenn sich das nicht lohnt?

Man stellt sich die Frage, warum so gerne Menschen andere beobachten, wie sie teilweise gedemütigt und ausgelacht werden? Wie sie intime Details ihres Privatlebens offenbaren? Das ist heutzutage die Art der Unterhaltung. Früher hat man sich gefreut, wenn „am laufenden Band“ Geschenke verteilt wurden und irgendwelchen einfachen und normalen Menschen im Fernsehen eine Überraschung gemacht wurde. Heute muss es immer extremer sein, um die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben. 

Man erfreut sich daran, wenn der Mensch, den man einfach so gar nicht abkann, mit unzähligen Kakerlaken bedeckt wird, Tierhoden essen oder Kuhurin trinken muss. Ja, die Welt hat sich verändert, das Fernsehen hat sich verändert, wir haben uns verändert.  

Aber klar, es wird ja niemand gezwungen, einzuschalten. 

Und da ich gelernt habe, immer ehrlich zu sein, gebe ich an dieser Stelle zu, zu den 44 Prozent der Zuschauer zu gehören, die diese eigentlich unmögliche Show mit verfolgen. Wenn meistens auch nur mit einem Auge, aber immerhin. Schäme ich mich jetzt dafür oder ist es mir peinlich, das zuzugeben. Ja und nein. 

Vielleicht braucht man in der heutigen Zeit, die nicht immer leicht ist, einfach mal wieder so eine Art der schwachsinnigen Unterhaltung.