Ich liebe das Leben

Spätestens heute, nach diesem Blogbeitrag, kann ich wohl nicht mehr verheimlichen, dass ich schon etwas länger auf dieser Erde wohne. Es sind schon ein paar Jahre vergangen, seit meiner Geburt. Ich kann auf das eine oder andere Jahrzehnt zurückschauen. Aber das ist aus vielen Blogbeiträgen ja auch herauszulesen und kein Geheimnis.

Dafür muss man sich natürlich keinesfalls schämen, ganz im Gegenteil, man kann für jedes erreichte Lebensjahr froh und dankbar sein.

Wenn ich heute das Wort „Star“ in den Medien lese, dann sind das für mich Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen oder standen und im Normalfall irgendein Talent besitzen, mit dem andere eventuell nicht beschenkt wurden. Also große Sänger oder Sängerinnen, Schauspieler, Menschen, die bekannt und berühmt sind. Ob international oder national, prominente Persönlichkeiten eben. Personen, die etwas geleistet und sehr viel Arbeit investiert haben. Die von anderen bewundert werden, vielleicht auch beneidet oder aber auch gehasst oder zumindest nicht gemocht werden. Kann ja auch nicht jeder denselben Geschmack haben. 

Heutzutage wird das Wort „Star“ aber oftmals, meiner Meinung nach, missbraucht. Es wird oft eingesetzt, wenn jemand zum Beispiel gerade mal in der Musikbranche angekommen ist, einen Film gedreht hat oder im Internet bei irgendwelchen Plattformen einige Follower seine nennen kann. Talent ist nicht mehr unbedingt gefragt. Es reicht auch, wenn Du einfach nur gut aussiehst, also so, dass viele der Meinung sind oder auch, wenn Du strohdoof, ein echter Vollpfosten bist, aber einmal in irgendeiner Sendung dabei warst und nun von einem Format ins nächste tingelst. Darum wollen auch so gerne so viele ins Dschungelcamp. Das kann der absolute Karrieresprung sein. Ob man das will, ist eine andere Sache.

Es geht aber auch eher traditionell. Als unsere Yogalehrerin uns neulich nach einem Kurs verabschiedete und sagte, „bis nächste Woche“, entgegnete ich, dass wir da nicht können. „Wir sind auf einem Konzert von Vicky Leandros“, antwortete ich. Der junge Mitarbeiter hinter dem Tresen hörte interessiert zu und schaute uns fragend an. „Dafür bist Du noch viel zu jung“, sagte ich, als ich das Fragezeichen in seinem Gesicht sah. „DEN kenne ich nicht“, antwortete er lächelnd. Jetzt mussten wir lachen. Woher soll er „den“ auch kennen?

Denn Vicky Leandros ist ja erst seit 57 Jahren im Geschäft. Mit ihrer außergewöhnlichen und unverwechselbaren Stimme hat sie über 55 Millionen Tonträger verkauft. Und sie hat 1972 den Grand Prix Eurovision, wie der Wettbewerb früher hieß, mit dem Lied „Après toi“ gewonnen, das in 56 Ländern veröffentlicht wurde. Respekt. 

Ich mochte ihre Musik schon immer. Natürlich, weil meine Eltern sie gerne zu Hause auf Schallplatte spielten und sie auch durch ihre vielen TV-Auftritte kannte und bewunderte. Vor vielen Jahren haben wir sie auch hautnah auf einem Ball kennengelernt und waren beeindruckt. Nicht nur von ihrer Stimme, sondern auch von ihrer Erscheinung, ihrer Ausstrahlung und die bodenständige, sympathische Art. Ein echter Star zum Anfassen.

Um so gespannter waren wir, als wir sie nun erneut live sehen sollten. Es wäre der Geburtstag meines Vaters gewesen, der sie, wie gesagt, ebenfalls sehr mochte. Also, wenn das kein gutes Omen war. 

Nach einem leckeren Abendessen waren wir pünktlich vor der Konzerthalle, als es plötzlich zu regnen begann. Leider sind die Treppen vor der Halle nicht überdacht und so wollten alle nur noch schnell rein, stellten sich aber, mehr oder weniger, diszipliniert an. Nur einer drängelte sich plötzlich rechts an allen vorbei, während er zumindest seiner Frau galant sein Jackett überwarf. Wer drängelt sich denn einfach da vorbei, dachten viele der anderen, brav wartenden. Auch ein „Star“, der es natürlich nicht nötig hatte, zu warten. Wolfgang Kubicki. Na ja, wenn er meint, dass er was Besseres ist. 

Davon lässt man sich natürlich nicht den schönen Abend vermiesen, sondern wartet im Regen weiter. War auch gar nicht schlimm und schon waren wir in der Halle und nahmen unsere Plätze ein. 

Die Bühne war optisch sehr ansprechend aufgebaut, schöne Farben und die Musiker, wenn ich richtig gezählt habe, waren es insgesamt neun Männer und Frauen gemischt, nahmen ihre Plätze ein und begannen zu spielen. 

Als Vicky die Bühne betrat, sah sie aus, als hätte man sie erst letzte Woche gesehen. Hammer Figur, tolles Outfit, von Anfang an präsent und stimmsicher. Sie zog die Zuschauer sofort in ihren Bann. Und wenn man nun denkt, es waren ausschließlich Menschen mit grauen Haaren im Publikum, dem war nicht so. Klar, überwiegend schon, aber es waren auch junge Leute da und eine Gruppe von Männern mit langen Bärten, die eher wie ZZ Top persönlich aussahen. 

Ich mag es sehr, wenn Künstler während ihrer Lieder auch etwas über sich erzählen. So war es bei Vicky auch. Die 1949 geborene Vicky Leandros, eventuell auch 1948 oder 1952, die Quellen schreiben es unterschiedlich, erzählte, dass sie 1958 von Korfu nach Deutschland kam. Damals wohnte sie in Hamburg. Mit Unterstützung ihres Vaters erhielt sie Gesangs-, Ballett- und Gitarrenunterricht. Ihre Debütsingle mit dem Titel „Messer, Gabel, Schere, Licht“ erschien 1965. Damals sagte einer ihrer Kritiker, so erzählte sie auf ihre sympathische Art, dass sie nie Karriere machen würde. Wie man sich täuschen kann.

Richtig großen Erfolg hatte sie 1972, als sie den Gran Prix gewann. Besonders beeindruckend fand ich, als sie erzählte, dass man in den USA ganz groß mit ihr ins Geschäft kommen wollte und sie bereits einen Vertrag hatte. Aber als sie bereits, ich meine, es war New York auf dem Weg nach Hollywood war, fühlte es sich nicht gut für sie an und sie nahm die nächste Maschine zurück nach Hause. Geld ist eben nicht alles, großes Kompliment.

Mit ihrem Lied „Theo, wir fahr’n nach Lodz“, das 1974 veröffentlicht wurde, hatte sie ihren bis dahin größten Hit in Deutschland gelandet und war viele Wochen auf Platz 1 der deutschen Verkaufshitparade. Einen weiteren Hit und das Lieblingslied vieler, meines übrigens auch, landete sie 1975. „Ich liebe das Leben“! Eigentlich ein eher trauriges Lied, aber das hielt uns Zuschauer nicht davon ab, es aus voller Kehle mitzusingen. 

Besonders beeindruckt war ich, als sie erzähle, dass sie sogar in Japan Lieder auf Japanisch aufgenommen hat. 

Des Weiteren nahm sie Lieder in den Sprachen Griechisch, Englisch, Französisch, Niederländisch und Spanisch auf. Unfassbar, was für ein Talent. Publikumsnah ging sie auch in die Mengen und sang mit ihren Fans. Eine schöne Geste. 

Ein Star zum Anfassen eben. 

Warum sie nun ihre Abschiedstournee gibt, erklärte sie damit, dass der Funke, der von ihr seit vielen Jahrzehnten aufs Publikum überspringt, vielleicht eines Tages nicht mehr da sein wird. Und das wolle sie auf keinen Fall. 

Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören, sagt man immer wieder. Viele können das aber einfach nicht. So kann man gespannt sein, ob es bei Vicky Leandros tatsächlich so sein wird. Bis dahin kann ich nur empfehlen, falls sich die Möglichkeit ergibt, sie noch einmal live zu erleben auf einem ihrer vielen Konzerte. 

Eine tolle Frau, sympathisch und trotz des Erfolges bodenständig und nahbar. Ein außergewöhnliches Talent, das sich den Erfolg erarbeitet hat. Ein echter Star. 

Ein Mensch, der seinen Fans fehlen wird. 

Wie heißt es so schön in ihrem Lied: Nein, sorg Dich nicht um mich! Du weißt, ich liebe das Leben. Und weine ich manchmal noch um Dich, das geht vorüber sicherlich.

Danke Vicky für die vielen schönen Lieder.