Zeitenwende

Unser scheidender Bundeskanzler hat bei aller Kritik eines geschafft, er geht in die Geschichte ein. Jetzt werden einige sicherlich denken, das passiert ja automatisch, wenn man Kanzler eines Landes war. Das ist sicherlich richtig. Aber ganz besonders wird man sich immer an ihn erinnern, weil er am 27.02.2022 seine berühmte Rede im Bundestag hielt und den Begriff Zeitenwende verwendete. Dieses Wort ist nicht von ihm erfunden worden, aber es hat sich irgendwie eingebrannt. 

Die Rede an diesem Tag galt der veränderten deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er beschreibt den Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Seitdem ist Zeitenwende ein zentraler Begriff in politischen und gesellschaftlichen Debatten in Deutschland.

Ich kann mich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern. Damals gingen viele Menschen auf die Straße, um gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa zu protestieren. 1982 waren es weltweit über 1 Million die gegen Atomwaffen demonstrieren. 

In den 1990er Jahren wurden dann nach Ende des kalten Krieges viele Atomwaffen abgebaut. Seit 2022 wird auch in Deutschland wieder massiv aufgerüstet. Die Rüstungsindustrie kann gar nicht so schnell nachkommen. Es wird überlegt, Atomwaffen zum Schutz auch in Deutschland zu stationieren. 

Aber der deutsche Bundeskanzler hat den Begriff von der Zeitenwende nicht gepachtet. Der neue starke Mann in den USA läutet seinerseits eine ein. Während der verlangt, dass die Nato-Länder massiv mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, droht er, bei Nichteinhaltung, Russland zu ermutigen, „zu tun, was immer sie wollen“ und seine Verbündeten fallenzulassen. Man bekommt eine Gänsehaut, wenn man so etwas hört, oder?

Dass sich zwei Weltmächte zusammensetzen und über das Schicksal eines angegriffenen Landes entscheiden wollen, ohne dieses angegriffene Land einzubinden ist zwar unfassbar, aber nicht überraschend. Dass ein Präsident vor der Welt in allerschlimmster Gutsherrenart vor der gesamten Welt, vor laufenden Kameras demontiert und gedemütigt wird, das ist neu. 

Aber Vorfälle wie diese passieren nicht nur auf ganz großer Bühne, sondern auch im normalen Alltag. Die Macht des Stärkeren ist schon lange wieder salonfähig geworden. Egal, wo man hinhört, es passiert täglich. Solange man mit der Welle schwimmt, solange man in ein System passt, mag noch alles gut sein. Aber sobald man mal eine andere Meinung hat, kann das zu Problemen führen. 

Aber auch das Thema Geschlechter gibt es eine Zeitenwende. Bereits 2013 entschied das Bundesverfassungsgesetz, dass Menschen mit intergeschlechtlichen Merkmalen nicht zur Angabe „männlich“ oder „weiblich“ gezwungen werden dürfen. Daher kann das Geschlecht im Geburtenregister seit dem offen bleiben. 

Manche Städte und Behörden führen geschlechtergerechte Sprache offiziell ein. Texte wie diese hier gelten bei Befürwortern als normal: 

In unserer Gesellschaft sind Veränderungen und Fortschritt kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit vieler engagierter Bürger*innen, Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen. Besonders in Bildungseinrichtungen setzen sich Pädagogin*nen und Erzieher*innen täglich dafür ein, dass Schüler*innen und Studentin*nen chancengleich gefördert werden.

Auch in Unternehmen sind Mitarbeiter*innen, Führungskräfte und Entwickler*innen gefragt, um nachhaltige Lösungen für die Zukunft zu gestalten. Ohne die wertvolle Arbeit von Forscher*innen, Politiker*innen und Aktivistin*nen wäre unser gesellschaftlicher Fortschritt nicht möglich.

Wer es möchte, soll es machen. Meine Blogbeiträge werden allerdings wie vor dieser Zeitenwende geschrieben. 

Eine Zeitenwende, die immer mehr zu hitzigen Debatten führt, ist das Thema innere Sicherheit in unserem Land (und in anderen). 

Freibäder: In den letzten Jahren gab es Berichte über zunehmende Gewalt, sexuelle Belästigung und Respektlosigkeit gegenüber Personal und anderen Badegästen. Einige Städte mussten verstärkt Sicherheitskräfte einsetzen.

Weihnachtsmärkte & Großveranstaltungen: Nach Terroranschlägen wie dem auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 gibt es verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, inklusive Betonpollern und mehr Polizei. Die Angst vor Übergriffen oder Anschlägen hat zugenommen. Wie man in jüngster Zeit festgestellt hat, leider zurecht. 

Um nur einige weitere Probleme dieser Art zu nennen, Respektlosigkeit gegenüber Lehrern, Respektlosigkeit gegenüber Polizei und Rettungskräften, Ärzten, Gewalt auf Schulhöfen, immer wieder Messerangriffe, Organisierte Kriminalität. In immer mehr Geschäften steht Wachpersonal. In Zügen und auf Bahnhöfen kann man sich auch nicht mehr sicher fühlen.

Die einst unbeschwerte Art zu Leben hat sich dramatisch verschlechtert. Von den Belastungen des Sozialstaates, dem Wohnungsmarkt und dem Gesundheitssystem mal ganz zu schweigen. Und egal wie man zu dem Thema steht, das sind alles Tatsachen. 

Wenn ich also wieder einmal das Wort Zeitenwende höre, denke ich nicht nur an den 27. Februar 2022 und an Olaf Scholz. 

Ich denke an die vielen Veränderungen und hoffe, es kommt bald eine Zeitenwende, in der Eigenschaften wie Herz, Empathie, Liebe, Wertschätzung, Respekt, Mitgefühl, Geduld, Vertrauen, Aufrichtigkeit, Freundlichkeit, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Loyalität, Verständnis, Güte, Bescheidenheit, Höflichkeit, Fairness, Nachsicht, Aufmerksamkeit, Großzügigkeit, Mut, Vergebungsbereitschaft, Friedfertigkeit, Authentizität und Demut wieder an der Tagesordnung sind. 

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In Kürze werde ich einen ganz besonderen Blogbeitrag veröffentlichen. Er trägt den Namen „Eine Frage der Ehre“ und so viel sei schon einmal verraten: Er handelt von zwei Gesprächen, die ich mit zwei Personen geführt habe, die zusammengerechnet 203 Jahre sind, oder leider muss ich sagen, heute wären. Denn eine der beiden Damen weilt nicht mehr unter uns. Es war für mich ein wertvoller Moment und ich freue mich, diesen Moment demnächst mit Euch teilen zu dürfen. 

Also seid gespannt. 

Ich werde ihn in zwei Teilen veröffentlichen. 

Es lohnt sich also, dranzubleiben!

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