Wenn es heute folgende Umfrage geben würde, wäre ich über das Ergebnis wahrscheinlich nicht wirklich überrascht. 

Die Frage würde lauten: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem großen, gemütlichen Raum, mit Ihrer gesamten Familie und allen Freunden, die Ihnen besonders am Herzen liegen und die Ihnen besonders wichtig sind. Der Raum ist so groß, dass alle Menschen dort Platz haben. Das können bei dem Einen zehn sein und bei dem Anderen tausend. Es spielt keine Rolle. 

Auf einmal fängt es an zu brennen und Sie dürfen nur zusammen mit sich selber einen der Anwesenden in Sicherheit bringen. Wer ist für Sie am wichtigsten? Der eigene Partner, ein Elternteil, der beste Freund oder die beste Freundin? Worauf können Sie sich nicht vorstellen, im Leben zu verzichten?

Die Antwort lautet: Mein iPhone!

Ich kann mich noch daran erinnern, als ich mir mein erstes Mobiltelefon gekauft habe. Es hat ein Vermögen gekostet, obwohl, das tut es ja heute auch wieder. Aber es hatte einen ganz anderen Sinn als heute. Man hat es zum Telefonieren benutzt. Ihr wisst schon, man unterhält sich live mit dem Gegenüber, man diktiert nicht rein und wartet auf die Antwort per Sprachnachricht. 

Damals hatten die Handys noch kleine Antennen und waren so groß, dass man sie nicht in die Hosentasche stecken konnte, ohne dass diese dann wegen des Gewichts herunterrutschen würde. Ich weiß noch, dass ich mal im Urlaub auf einer Seilbahn saß und dass dieses erste Handy tatsächlich klingelte. Mitten in den Bergen. Das war unfassbar. 

Erst später gab es dann die SMS-Funktion. Für jede SMS, sie durfte aber nicht länger als 160 Zeichen sein, musste man, soviel ich mich erinnere, 39 Pfennige bezahlen. Aber das ist schon etwa 30 Jahre her.

Heutzutage hat man in seinem Handy fast sein komplettes Leben gespeichert. Tausende von Bildern und Videos, Erinnerungen von Urlauben oder Erinnerungen mit der Familie und Freunden. Seine Finanzen, ob Konto oder Versicherungen und Vermögensangelegenheiten, seinen digitalen Autoschlüssel, wenn man hip ist, sämtliche Termine und Geburtstage. Außerdem Kontakte, Nachrichten und Wetterdaten und das Wichtigste, seine sozialen Medien. Ohne Instagram, Facebook, TikTok und Co. geht heutzutage ja gar nichts mehr. Dazu sind alle Passwörter über eine Cloud im Handy gesichert und vieles mehr. 

Also völlig undenkbar, wenn das weg wäre. Da fällt es viel leichter, auf den Partner zu verzichten. Denn eine Sicherung dieses kostbaren Gerätes wird in den meisten Fällen nicht durchgeführt. Das fällt einem erst dann ein, wenn es ohne Funktionen aus der Toilette gezogen wird oder unauffindbar, trotz Ortungsfunktion, verschollen und mit leerem Akku im Wald liegt. Übrigens, ich führe gerade jetzt auch meine erste lokale Sicherung auf meinem iMac aus, während ich diesen Beitrag schreibe. Die Cloud ist schon ewig voll! 🙂

Als ich gerade gestern nach dem Sport im Wellnessbereich entspannt, und wie Gott mich schuf, im Relaxpool dümpelte, staunte ich doch nicht schlecht, als zwei junge Mädchen, beide bestimmt mit jeweils fünfstelliger Follower Anzahl, neugierig im Bikini die Anlage erkundeten. Beide zogen dann, halt Dich fest, aus ihrem Bikinihöschen ihr knapp sieben Zoll großes Handy und fingen an, alles um sie herum zu fotografieren. Vielleicht war es auch ein Livestream, das konnte ich aus dem Becken nicht erkennen. Dass im Wellnessbereich, also im Nacktbereich, Handys verboten sind, das hatten die Beiden sicherlich am Eingang überlesen. Vielleicht konnten sie aber auch mit einem Piktogramm, auf dem ein durchgestrichenes Mobiltelefon abgebildet ist, nichts anfangen. Als sie nach einer Weile zu mir in den Pool stiegen, überlegte ich, ob ihre Geräte wohl wasserfest seien und entschloss mich, den Ort zu verlassen und stattdessen in die 90 Grad Sauna zu flüchten. So viel ich weiß, hält diese Temperatur kein Smartphone aus. 

Ich muss aber auch zugeben, dass ich selber nie ohne mein iPhone aus dem Haus gehe. Wenn ich es tatsächlich mal vergessen habe, fühle ich mich sofort unwohl, es fehlt etwas. Klar, ich bin natürlich auch mit meiner iWatch erreichbar, aber was, wenn dieser Akku mal wieder vorzeitig in die Knie geht. Über den ganzen Tag komme ich nie mit einer Ladung. Es könnte ja etwas passieren und ich bekomme es nicht mit. Wie konnte ich nur meine Kindheit ohne das alles überleben?

Tatsächlich wird es ja immer mehr, was man in seinem Handy abspeichert. Es wäre auch für mich eine Katastrophe, wenn es einmal weg wäre. Und es gibt doch nichts Schöneres, als sich damit die Zeit zu vertreiben. Früher hat man sein Mickey Mouse Heft mit an den stillen Ort genommen, heute ist es eine ganze Bibliothek und Videothek, die den Besuch dort immer in die Länge ziehen. 

Und trotz der gigantischen Auswahl an Abendunterhaltung, es läuft ja oft nur Mist, findet man selten etwas, dass ungeteilte Aufmerksamkeit benötigt. Was liegt da also näher, als nebenbei auf das geliebte Smartphone zu schauen. Allerdings hasse ich das gleichzeitig auch. Statt sich mal wieder bei einem Glas Wein intensiv zu unterhalten, vielleicht ein analoges Brettspiel zu spielen oder einen spannenden Film oder die neue Lieblingsserie ohne ein Smartphone oder Tablet zu genießen, sind diese Teile einfach nicht mehr wegzudenken. 

Man kann die Zeit nicht mehr zurückdrehen und Steve Jobs böse sein. Er hat ganze Arbeit geleistet. Dank ihm sind wir immer und überall live dabei. Können uns mit der ganzen Welt austauschen. Haben alle Daten immer digital bei uns. Aber alles hat eben auch seine Kehrseite. 

Ist es nicht mehr die Zeit für intensive Gespräche, Zweisamkeit ohne Ablenkung, ein Konzert genießen zu können, ohne es filmen zu müssen, um es mit der Welt zu teilen? Sich persönlich zum Geburtstag zu gratulieren, anstatt eine Sprachnachricht zu schicken, mit dem Bankberater zu plaudern, von Angesicht zu Angesicht, also zum Anfassen sozusagen, statt nur noch alles online zu erledigen? Oder seine neuen Schuhe im Laden zu kaufen, statt bei Amazon zu bestellen, eine Umarmung statt ein Herz-Emoji zu verschicken, das Leben einfach zu genießen? Ja, man kann die Zeit tatsächlich nicht mehr zurückdrehen. 

Man kann jedoch, wenn man es tatsächlich möchte, das Smartphone einfach mal in die Schublade legen. Was soll schon passieren?  

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