Der innere Schweinehund

Der innere Schweinehund

Jeder kennt ihn, jeder hat schon einmal versucht, ihn zu überwinden. Langfristig glückt es aber oft, oder soll ich sogar sagen, meistens oder gar, nie, nicht. 

Die Rede ist von unserem inneren Schweinehund. Regelmäßig taucht er besonders am Ende des Jahres auf, wenn auch oft nur kurz. Die Tage des alten Jahres werden immer weniger, es ist Zeit, zurückzuschauen und Zeit, nach vorne zu blicken. Rückwirkend betrachtet war das Jahr in vielerlei Hinsicht, wie die vielen Vergangenen, teilweise ein Reinfall. Zumindest, was die selbstgesteckten Ziele betrifft. 

Man sitzt oder noch eher, liegt auf dem Sofa, müde, ausgelaugt und wundert sich zuerst darüber, dass eine Hand in einer Tüte Chips steckt. Wenn man dann aufstehen will, fragt man sich, wo die Tüten Naschis eigentlich herkommen, die quer über den Tisch und dem Sofa verbreitet sind. Wie oft habe ich den Satz bereits gehört, was man kauft, das isst man auch. Lass mal echt keine Naschereien mehr kaufen. Und jedes Mal habe ich wohlwollend und, zumindest in dem Moment, auch ernst gemeint, genickt. 

Die Woche geht zu Ende, der nächste Einkauf steht an. Ja, die Worte klingen noch nach. Lass mal nichts mehr kaufen. Ist man aber im Supermarkt seiner Wahl, schauen einen überall Mengen Süßigkeiten an. „Die sind im Angebot“, sage ich dann meistens zu Becca und halte ihr eine Tüte Chips entgegen. „Wir wollten doch nichts mehr kaufen“, sagt sie und hat bereits eine Tüte Schlümpfe in der Hand. Zugegeben, auch im Angebot. 

Zu Hause angekommen passen die neuen Schätze mit viel zu viel Zucker mal wieder kaum in die dafür vorgesehene Schublade, sorry, in die dafür vorgesehenen Schubladen. 

Oft ist es so, komischerweise, dass wenn ich mein (meist) gesundes Abendessen gerade so geschafft habe, kurz danach tief aus meinem Inneren der Ruf nach einem Nachtisch erklingt. Der passt aber eigentlich gar nicht mehr rein, so wie die letzte gesunde Kartoffel auf meinem Teller kurz zuvor. Ein paar Lakritzen oder eine Handvoll Salziges geht aber trotzdem. Ein Phänomen! 

Schaue ich mir dann wieder einmal mein Sixpack an, das vermutlich tief unter den Fettschichten meines Bauches ganz bestimmt irgendwo wohnt, bereue ich bereits meine Taten. 

Ab Montag gibt es jeden Tag ein Stück Obst und maximal einmal pro Woche einen Naschtag. Ganz fest vorgenommen. Ich glaube, es waren mal knapp drei Wochen, die ich durchgehalten habe. 

Neues Jahr, neuer Körper. Immer ein Klassiker ist dann das Thema Sport. Ich muss einfach mehr machen. Einmal die Woche Yoga, dazu noch Yin Yoga, also eine Form des Yogas, bei der man meistens auf der Matte verweilt, reicht nicht aus. Die Ausrede Corona ist ja, zumindest noch, erst einmal nicht anwendbar, geht ja fast alles wieder. Auch das hält dann wieder ein paar Wochen. 

Irgendwann ist es dann wieder soweit. Ich steige aus dem Bett, der untere Rücken fühlt sich an, als wäre er bereits mindestens 100 Jahre alt. Heute Abend hole ich aber endlich mal wieder die Black Roll raus und werde meine Faszien richtig bearbeiten. Gesagt, getan. Es ist Feierabend und es wird gerollt. Da ich das schon so lange nicht mehr gemacht habe, sind die Schmerzen fast unerträglich. Das wird jetzt aber wieder mehrmal die Woche gemacht. Und jeden Abend ebenso meine Übungen, die mir mein Orthopäde verordnet hat. 

Naja, was soll ich sagen. Manchmal halte ich es tatsächlich eine ganze Zeit durch. Aber dann höre ich es schon wieder lachen, das blöde Schwein im Unterbewusstsein. 

Samstags gehen wir immer zum Yoga. Immerhin, was mich betrifft. Das heißt wiederum, der Wecker muss gestellt werden. Schließlich will ich ja rechtzeitig da sein, um ja meinen Lieblingsplatz, letzte Reihe an der Wand, zu bekommen. Einmal nicht hetzen, versprechen wir uns am Freitag gegenseitig. Und tatsächlich, meistens sind wir rechtzeitig auf. Aber auch hier wird dann wieder oft getrödelt, der Hintern mal wieder nicht zeitig hochbekommen. Und das Ende vom Lied, wieder hetzen. Und das am freien Wochenende. 

Gesunde Ernährung und Sport, wie gesagt, die Klassiker. Aber warum schaffen wir es einfach nicht, diesen inneren Schweinehund dauerhaft zu besiegen? Es gibt doch genug Menschen, die es schaffen, Ihr Leben von einem auf den anderen Tag umzukrempeln. Plötzlich halbe Fitness- oder, vielleicht sogar und, Gesundheit-Gurus werden. Sie blühen auf, beseitigen ihr überflüssiges Körperfett, können komplett auf ungesunde Naschis verzichten und fühlen sich komplett wohl damit, und das sieht man ihnen auch noch an. Also warum kann ich das nicht auch? Ist das Bequemlichkeit, mangelnde Disziplin, fehlendes Durchhaltevermögen? Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. 

Natürlich ist mir hundertprozentig bewusst, dass es mir besser geht, wenn ich mehr auf mich achte. Aber das Sofa ist einfach zu bequem, das Wetter zu nass, die Praline zu lecker. 

Heute ist der 19.11.2021 und vor uns liegen schwere Tage. Weihnachten, das Fest der Dominosteine und des Spekulatius, da kann man einfach nicht mit einem neuen Leben  anfangen. Und nur Sport ohne gesunde Ernährung bringt ja auch nichts, rede ich mir schon wieder ein. 

Also ist das Startdatum (wieder einmal) das neue Jahr, der 1.1.2022 dieses Mal! Was meint Ihr, macht Ihr mit? Dieses Mal muss es einfach klappen. Die schwersten Steine sind die, die man sich selber in den Weg legt. Also lasst sie uns aus dem Weg räumen. 

Ich bin zuversichtlich und motiviert zugleich. Und bis dahin ist ja auch noch etwas Zeit, es soll sich ja auch lohnen. 

Fortsetzung folgt…

 

 

 

 

 

Photo by Pascal Debrunner on Unsplash