Die dunkle Jahreszeit

Nachdem man sich gefühlt gerade noch auf den beginnenden Frühling gefreut hat, war kurz darauf die Vegetation bereits in voller Blüte und die Temperaturen stiegen schon wieder an, der Sommer stand ins Haus. Wir im hohen Norden sind ja schwankende Temperaturen gewohnt und mit einem kontinuierlichen, perfekten Sommer nicht gerade verwöhnt. So war auch dieser Sommer sehr unbeständig, zu nass, zu heiss, zu trocken, ich kann es jetzt schon wieder gar nicht mehr genau sagen. Doch eines weiß ich, er war definitiv mal wieder viel zu schnell zu Ende. 

Kaum ist er da, man versucht ihn zu genießen, da kommen bereits die ersten Vorboten, die auf den nahenden Herbst hinweisen. Das Schönste für mich im Sommer ist, dass es morgens nach dem Aufstehen bereits hell ist und dass das auch bis spät in die Abendstunden so bleibt. Ist es nicht herrlich, wenn man um 22.00 Uhr noch draußen sitzen und den Sonnenuntergang genießen kann? Am besten noch in kurzen Hosen und T-Shirt, einfach zu schön. Für die Stimmung von unschätzbarem Wert.

Doch genau so schnell wie der Sommer gekommen ist, geht er auch schon wieder. Die Blätter fallen langsam von den Bäumen und irgendwann ist es dann wieder da, dieses Geräusch, wenn man auf genau diese tritt und das Laub dabei knirscht, als wäre es schon lange vertrocknet.

Von da an scheint alles wie im Zeitraffer abzulaufen. Der Tag, an dem die Uhren wieder zurückgestellt werden, ist da. Ja, man kann eine Stunde länger ausschlafen. Aber das ist zunächst auch der einzige Vorteil. Denn ab jetzt ist sie tatsächlich schon wieder da: Die lange, dunkle, Jahreszeit.

Man steht im Dunkeln auf und geht im Dunkeln nach Hause. Ich mag Dunkelheit immer weniger. Ich mag es nicht, im Dunkeln durch die Straßen zu laufen. Alles ist trist, man sieht gar nicht, wer einem entgegen kommt, wer hinter einem steht. Auch das Autofahren macht nicht wirklich Spass bei Dunkelheit. Überall liegen Blätter, es ist feucht und rutschig, Rehe überqueren ständig die Straßen, ein Spaß ist das alles nicht. Und dann stehen im Kalender Tage wie Volkstrauertag und Totensonntag. Das drückt die Stimmung noch weiter nach unten.

Am Totensonntag geht man meist zu seinen vorgegangenen Menschen, um eine Kerze anzuzünden, ein Gesteck zu platzieren. Ich muss ehrlich sagen, ich brauche keinen separaten Tag, um mich an diese Menschen zu erinnern. Ich kann 365 Tage im Jahr an meine Liebsten denken, gedanklich bei ihnen sein, sie vermissen, mit ihnen reden. OK, man macht das an diesem Tag vielleicht gebündelt mit anderen, das hat dann natürlich auch seine Daseinsberechtigung. 

Ich kann jedenfalls für mich sagen, das der November echt nicht mein Freund ist. Daher sind wir die letzten Jahre auch meistens im November in Florida gewesen. Noch einmal Energie, Sonne und Licht tanken. Dort sind um die Zeit meistens immer noch zwischen 25 und 30 Grad. Allerdings wird es natürlich auch in Florida viel früher dunkel und man muss früher aufstehen, um etwas vom Tag zu haben. Trotzdem ist die Stimmung eindeutig besser als bei uns. 

Man muss also schon etwas für sich selber tun, um durch diese dunkle Jahreszeit zu kommen, um gefühlstechnisch nicht in ein Loch zu fallen. Vielleicht mal ins Kino oder Theater gehen, sich mit Freunden treffen, lecker kochen und so oft wie möglich kuscheln, halten und gehalten werden. 

Das gute am November, auch wenn er gefühlt der längste Monat des Jahres ist, auch der ist irgendwann zu Ende und je näher dieses Ende naht, um so mehr kann man sich bereits auf den Dezember freuen. Ist der Totensonntag erst einmal wieder Geschichte für das Jahr, erklingt im Radio das erste Weihnachtslied. Die Wohnung und auch draußen ist spätestens jetzt vorweihnachtlich geschmückt, die Stimmung hebt sich.

Die dunkle Jahreszeit ist zwar noch lange nicht geschafft, aber ab dem 21.12. werden die Tage zumindest endlich wieder ein wenig länger. Wirklich länger hell wird es dann aber leider erst wieder ab Mitte Februar werden. Aber immerhin, dass Schlimmste ist bereits überstanden. 

Heute, am 26.11.2021, ist der November tatsächlich schon fast wieder Geschichte. Nur noch wenige Tage und das Glitzern der Lichterketten erhellt unsere Stimmung. Dezember! Alleine der Name Dezember lässt in mir eine innere, wohlige Wärme entstehen. Die Vorfreude ist ja meistens die Schönste. Und vielleicht werden wir ja dieses Jahr endlich mal wieder mit weißen Weihnachten nach den vielen Einschränkungen belohnt. Verdient hätten wir es doch allemal. Also lasst uns froh und munter sein…