Hans-Joachim Grobosch Dallas

Andy Warhol hat einmal gesagt: „In Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein.“

Am 27. Juni 1994 sollte das auch auf mich zutreffen. Mehr oder weniger! Allerdings war ich mir dessen damals eigentlich erst gar nicht bewusst. Es war 16.00 Uhr Ortszeit im texanischen Dallas. Im Cotton Bowl Stadion waren etwa 50 Grad Celsius. Schon lange vor dem Anpfiff war dieser Ort fest in der Hand deutscher Fußballfans. Es war ein fantastisches Gefühl, soweit von der Heimat entfernt, Landsleute zu treffen, die fast alle in Trikots und Nationalfarben durch die Straßen liefen. Man grüßte sich, fragte, aus welcher Gegend man denn käme und freute sich auf das Spiel.

Es war die WM in den USA, bei der wir als Titelverteidiger starteten. Meinem Kollegen und Kumpel Ralf konnte ich zu der Reise überreden. Er war zwar kein Fußballfan, wollte aber dann doch dabei sein.

Wir machten noch einen Abstecher nach Las Vegas und schauten uns die komplette Vorrunde an. Zwei Spiele in Chicago, im Solider Field Stadion, Gegner Bolivien (1:0 gewonnen), Spanien (1:1). 

Durch meine Lieblings-Serie „Dallas“ hatte ich ganz besonderes Interesse bei dieser WM dabei zu sein. Natürlich gehörte ein Besuch der Southfork Ranch dazu. Für echte Fans natürlich ein echtes Highlight. Aber ich schweife schon wieder ab, sorry. 

In den ersten beiden Spielen konnte unsere Mannschaft nicht wirklich überzeugen. Damals waren echte Größen in unserer Mannschaft. Bodo Ilgner, Lothar Matthäus, Thomas Berthold, Jürgen Kohl, Andy Breme, Thomas Häßler, Thomas Struuuunz, Andy Möller, Kalle Riedle, Mario Basler, Jürgen Klinsmann und eben Stefan Effenberg

Letzterer war mein persönlicher Freund, Freund der Sonne. Es gibt ja nun mal Menschen, die einem unsympathisch sind. „Effe“ konnte ich einfach nicht leiden. Aber so wie mir ging es etwa 50 % der Deutschen. Die anderen 50 % liebten ihn und waren echte Fans. Seine Art war aber so gar nicht meins. 

Übrigens, bei der Eröffnungsfeier am 17. Juni in Chicago waren wir ja auch dabei. Das war wirklich ein Hammer-Spektakel. Bill Clinton sprach mitten in der Menge, heutzutage undenkbar, und wünschte Helmut Kohl, der in seiner Reihe saß, und besonders allen Deutschen, die im Stadion saßen oder eher gesagt standen, viel Glück. Das war wirklich ein einmaliges Gefühl, dabei zu sein. Franz Beckenbauer brachte dann, über den Rasen schreitend, den Pokal zum Anpfiff ins Stadion.

Feiern und Show machen können die Amerikaner ja wie keine andere Nation. Es war ein ganz besonderes Erlebnis in vielerlei Hinsicht. 

10 Tage später, am 27. Juni, waren wir also in Dallas bei unserem dritten Gruppenspiel wieder live dabei. Es war im Stadion fast unerträglich heiß. Wirklich an die 50 Grad. Für die Spieler muss es nahezu unerträglich gewesen sein. Das Spiel war erneut eher Krampf als ein ansehnliches Spiel. Wir führten zwar mit 3:0 gegen Südkorea, aber schön war das Ganze trotzdem nicht anzuschauen. 

Ein Spieler fiel aber auf. Und das war Stefan Effenberg. Allerdings fiel er nicht mit seinem Engagement auf, sondern genau das Gegenteil war der Fall. Eine derartige schlechte Leistung hatte ich zuvor noch nie gesehen und dazu absolute Lustlosigkeit. 

Aus dem sicheren 3:0 Vorsprung wurde dann ein 3:2 und die wendigen Koreaner trumpften immer mehr auf. Unsere Mannschaft wurde immer „blasser“ und bei dem Spieler Effenberg sah es gewaltig nach „Arbeitsverweigerung“ aus. Ich war außer mir. 

„Das ist Arbeitsverweigerung“, rief ich frei heraus. Es war geradezu nicht mehr mit anzusehen, also schrie ich als nächstes: „Effe raus“! Und ich war überzeugt davon, dass er der Schuldige war! Ich wiederholte nun meine Forderung und rief immer lauter: Effe raus, Effe raus“! Ich war nicht der Einzige, der das so sah und steckte einige Fans in unserem Block mit meinen Rufen an. Ob Ihr das jetzt glaubt oder nicht, es wurden immer mehr. In der Presse konnte man nach dem Spiel lesen, dass etwa 1000 Fans lautstark forderten, Effenberg auszuwechseln. Irgendwann sah das anscheinend auch der Bundestrainer Berti Vogts genauso und ließ ihn tatsächlich auswechseln. Davon war dieser so begeistert, dass er uns Fans den berühmten „Stinkfinger“ gezeigt hat“. Wir waren außer uns.

Das Spiel endete dann glücklich mit 3:2 für uns. 

Am nächsten Tag telefonierte ich dann mit meinem Vater, der mir dann erzählt hat, dass es in der Nacht noch ein Gespräch zwischen dem Verbandsboss Braun und Berti Vogts gab und beschlossen wurde, Effenberg aus der Mannschaft zu nehmen. Nach Protesten für diese Entscheidung durch einige seiner Mitspieler drohte dann Braun wohl tatsächlich, die gesamte Mannschaft aus dem Turnier zu ziehen. 

Als ich das alles hörte, wusste ich, das waren meine berühmten fünf Minuten, die ich aber nur ganz alleine für mich hatte. Im Nachhinein tut es Effenberg leid, konnte man dann irgendwann einmal lesen. 

OK, im Nachhinein tut es mir auch leid. Zumindest etwas! 🙂

Zumindest etwas!!!

Der "Spargeltarzan" in der Mitte vor dem Stadion bin ich! 🙂

PS.: 

Die momentane Lage ist leider alles andere als freudig. Daher möchte ich mit meinen Beiträgen dafür sorgen, dass Du Dich etwas davon ablenken kannst.

Es gibt keinen Grund, sich auch in diesen Zeiten nicht über Dinge zu freuen oder zu lachen. Ablenkung ist ganz wichtig. Alles andere hilft niemanden und macht nur krank!