Phantomschmerzen

Laut Wikipedia wird der Begriff Phantomschmerzen wie folgt erklärt: 

Unter Phantomschmerz versteht man eine Schmerzempfindung in einer amputierten Gliedmaße oder auch in einem Organ.

Es wird von einem Phantomglied oder Phantomempfindung unterschieden, bei dem noch die Empfindung besteht, die Gliedmaße sei noch ganz oder teilweise vorhanden und bewege sich auch, ohne dass dies aber als Schmerz wahrgenommen wird.

Irgendwie ein gruseliger Gedanke, finde ich. Ich habe mein Bein verloren und trotzdem schmerzt es. Das möchte man ganz sicher nicht erleben.

Meiner Meinung nach gibt es aber auch so etwas Ähnliches, was unsere Gedanken betrifft. Viele von uns neigen zum Grübeln. Natürlich ist es völlig normal, wenn man zum Beispiel abends im Bett liegt und manchmal über kommende Ereignisse nachdenkt. Man kommt ins Grübeln. Das Problem ist dann aber oft, dass man nicht wieder aufhören kann. Wir lassen uns von diesen Gedanken gefangen nehmen, wie in einer Schleife, wie in einem Kreis, aus dem wir nicht wieder herauskommen. Je länger wir das zulassen, umso intensiver empfinden wir das. An einschlafen ist dann, solange diese Gedankenverfolgung in Gange ist, nicht zu denken. Zum Aufstehen ist man dann aber oft zu faul, Schäfchen zählen funktioniert auch nicht, um endlich einzuschlafen. Meistens handelt es sich dabei natürlich um negative Gedanken. Über Dinge, die eintreffen könnten und uns Schmerzen bereiten, bevor sie überhaupt eingetreten sind. 

Wenn man nun zurückschaut und an seine Lebenserfahrungen denkt, weiß man, die meisten Befürchtungen sind gar nicht eingetreten und werden auch nicht eintreten. Diese Schmerzen sind also auch eine Art Phantomschmerz. Dabei geht es zwar nicht um irgendwelche Gliedmaßen oder Organe, es geht rein um unsere negativen Vorstellungen. 

Das Beste, was man in einer solchen Situation machen könnte, wäre aufzustehen und es sich auf dem Sofa gemütlich machen. Zusammen mit einem ganz dicken und unglaublich langweiligem Buch. Vielleicht noch einen Schlaftee zubereiten, und nach einiger Zeit fallen einem die Augen zu und diese unangenehmen Gedanken sind endlich weitergezogen. 

Beim Yoga, während der Entspannungsübungen, wird immer empfohlen, sich die Gedanken wie Wolken vorzustellen. Man lässt sie zwar zu, verhindern kann man es oft auch gar nicht, dass sie auftauchen, aber packt sie dann auf eine der Wolken und schaut zu, wie sie weiterziehen und dann immer kleiner werden und verschwinden. Mal funktioniert es, mal nicht.

Unsere Ängste beziehen sich eigentlich immer auf die Zukunft. Die Vergangenheit ist schließlich erledigt, liegt hinter uns, wir können sie nicht mehr ändern. Die Zukunft haben wir zum allergrößten Teil ebenfalls nicht in unserer Hand, können sie nur teilweise, wenn überhaupt, beeinflussen. Das einzige, was wir in der Hand haben, sind unsere Entscheidungen im Hier und Jetzt. Und die allermeisten Befürchtungen, die wir unserer Zukunft betreffend haben, treten zum Glück nicht ein.

Ich könnte etliche Beispiele aufzählen, wenn einer meiner Phantomschmerzen umsonst war.

Ich bin zwar kein Hypochonder, also ein Mensch, der sich Krankheiten einbildet, die er gar nicht hat, aber ich ertappe mich doch manchmal, wenn ich mir etwas einbilde. Ich hatte vor einiger Zeit mal Schluckbeschwerden, die irgendwie einfach nicht weggehen wollten. Die üblichen Hausmittel und Medikamente halfen nicht, ein Arztbesuch wurde aber hinausgeschoben. Ich hasse es, wenn mir jemand im Hals herumfummelt. 

Also, wie so oft, Dr. Google befragt. Und die Diagnose, die meistens dann nach langer Recherche herauskommt, ist ein Tumor. Je länger man sich damit beschäftigt, umso schlimmer wird es und man stellt sich dann irgendwann die Frage, ob sich ein Arztbesuch überhaupt noch lohnt, da man sowieso bald das Zeitliche segnet. Ich übertreibe natürlich jetzt ein klein wenig. 

Also dann doch einen Termin ausgemacht und dem Arzt gesagt, was mein Problem ist und dabei das Wort „Fremdkörper“ erwähnt. So fühlt es sich an. Sein Gesicht verfinsterte sich etwas und ich sah, wie er zu einem langen, metallartigem Röhrchen griff. „Fremdkörper“, was erzählte ich denn da, ärgerte ich mich. Während der Untersuchung hatte ich das Gefühl, er macht gleichzeitig eine Magenspiegelung, statt nur mal eben in meinen Hals zu schauen. 

Diagnose: Emotionale Gründe, die den Hals zuschnüren lassen. Genau wie einem etwas auf den Magen schlägt, die Angst im Nacken sitzt. Es gibt einige Empfindungen, die mit unseren Gedanken und unserem Geist zu tun haben. Als ich also erfahren hatte, dass da rein gar nichts in meinem Hals war, was da nicht hingehört, und ich mich einige Zeit entspannt hatte, war das unangenehme Gefühl auch weg.

Wie wird der Tag in der Firma? Bekomme ich die Präsentation hin? Was, wenn ich beim Wandern abstürze, genau wie die Frau, von der sie gerade in der Zeitung schreiben? Was, wenn ich einen geliebten Menschen verlieren werde, werde ich dann jemals wieder glücklich? Was, wenn der Krieg sich weiter ausbreitet? Viele im Verwandten- und Bekanntenkreis schildern mir genau diese Gedanken. 

Es gibt immer Fragen, die einen beschäftigen, die einem Angst machen und Schmerzen bereiten. Schmerzen, die unnötig wären. Phantomschmerzen. 

Statt einfach den Tag zu genießen, verderben uns immer wieder negative Gedanken. 

Besonders die Sorge, geliebten Menschen könnte etwas zustoßen, aufgrund des Alters oder einfach so, bereiten vielen immer wieder mal Bauchschmerzen. 

Statt den Tag und das Leben zu genießen und nicht mit diesen Gedanken zu verschwenden, beschäftigen diese uns immer mal wieder. 

Daher habe ich mir einen Motivations-Spruch überlegt, der das verhindern soll.

Genieße die kostbare Flasche dankbar und bewusst und mach Dir keine Gedanken über deren Verlust, bis der letzte Tropfen das Glas verlassen hat.