In dem Moment, in dem wir unser erstes Zuhause beziehen, sind wir noch blind und alles ist ganz neu für uns. Es fällt uns schwer, uns zu orientieren. Wir müssen uns erst zurechtfinden. Aber schon in diesem Moment lernen wir zu vertrauen, es bleibt uns auch zunächst gar nichts anderes übrig. Wir vertrauen unserer Vermieterin. Im wahrsten Sinne des Wortes ist es tatsächlich blindes Vertrauen. Aber wenn wir spüren, dass wir gut aufgehoben sind, uns sicher und beschützt fühlen, kommt auch der Moment, in dem wir uns etwas umschauen können. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir nicht allzu lange an diesem Ort sein werden. Im besten Fall fühlen wir uns behütet und freuen uns vielleicht unterbewusst darauf, die „Übergangsvermieterin“ persönlich kennenzulernen. Wir vertrauen darauf, dass unsere erste Begegnung Liebe auf den ersten Blick sein wird. Das ist unsere erste Begegnung mit Vertrauen, auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt gar nicht wissen, was das ist.

Nach etwa neun Monaten erblicken wir dann das Licht der Welt und es warten viele Momente auf uns, in denen wir erneut vertrauen müssen. 

Alle kann ich gar nicht aufzählen. Aber ich habe vor einer Weile mal darüber nachgedacht, wem ich denn, mehr oder weniger, eigentlich täglich, mein Vertrauen schenke.

Dass die Eltern für einen nur Gutes wollen und uns beim Aufwachsen helfen, ist fatalerweise nicht bei jedem so. Wir vertrauen darauf, dass wir in der richtigen Schule untergebracht werden. Der passende Verein uns vielleicht viel Freude bereitet. Eine liebevolle Kindheit geschenkt wird. Eine gesunde Ernährung. Hilfestellungen bei kleinen und großen Entscheidungen, unseren Weg in die richtigen Bahnen zu lenken. Als Kind sind wir noch unvollständig, haben noch nicht gelernt, was Vertrauen eigentlich bedeutet. Da kann es leider passieren, dass der Onkel mit dem Hund, der uns in sein Auto locken will, leider kein guter Mensch ist, dem wir vertrauen sollten. Und auch wenn unsere Eltern uns das viele Male versucht haben, beizubringen, in einem gewissen Alter gehen wir zunächst nur von guten Menschen aus. Zum Glück (oder leider) ändert sich das im Laufe des Lebens.

Wir lernen Freunde kennen. Lehrkräfte und vielleicht ein großes soziales Umfeld. Allerspätestens müssen wir dann versuchen abzuschätzen, wem wir vertrauen können und wem nicht. Wir müssen lernen, dass Vertrauen einen sehr großen Wert besitzt, den man nicht leichtfertig verschenken sollte. Ein Grundvertrauen auf das Gute in der Welt ist sicherlich wünschenswert. Aber nicht alles ist gut, nicht jedem kann man generell vertrauen. 

Wir werden unsere ersten Erfahrungen sammeln, bei dem unser Vertrauen gebrochen wird. Das sind meistens sehr schmerzhafte Erfahrungen, aus denen wir im besten Fall lernen und die uns auch ausmachen. Kein Grund, dann generell skeptisch zu werden. Allerdings ein Grund zur Vorsicht. 

Wie ein Puzzle setzen wir uns im Laufe unseres Lebens zusammen. Es fehlen am Anfang so viele Teile, dass es scheint, als würden wir nie fertig und nie komplett werden. Und eigentlich ist es auch so. Wir lernen zwar immer dazu, aber immer wieder werden auch mal ein paar Puzzleteile wieder weggenommen. 

Nun gibt es Personen, bei denen Vertrauen essenziell ist. Das Wichtigste überhaupt. Das ist in einer Partnerschaft so. Ohne Vertrauen kann eine gute Beziehung nicht funktionieren. Hat man vielleicht einmal kurzfristig Zweifel daran, ist das sicherlich nichts Unnormales. Dann muss man am besten darüber reden und das Vertrauen wieder herstellen. Aber die Basis ist meiner Meinung nach blindes Vertrauen in einer Partnerschaft. Ist das nicht vorhanden, muss man bei jedem Tastenklick auf dem Mobiltelefon, jedes Mal, wenn der Partner vielleicht etwas später nach Hause kommt, sich die Frage stellen, wird mir etwas verheimlicht? Undenkbar und viel zu anstrengend. Eine Partnerschaft ist wie nach Hause kommen. Man muss sich zu hundert Prozent wohl und sicher fühlen. Sich entspannen können in dem Bewusstsein, einander komplett vertrauen zu können.

Es gibt dann Menschen, die meinen, niemanden vertrauen zu können. Das geht aber gar nicht. Überlege doch einmal, wem Du heute, bevor Du angefangen hast, diesen Beitrag zu lesen, alles Dein Vertrauen geschenkt hast. Es fängt schon morgens an, wenn Du Dich frisch machst. Du vertraust darauf, dass das Wasser, das Du aus der Leitung trinkst, sauber, frei von Schadstoffen, also gesund ist. Dass Deine Zahncreme für Deine Zähne nur das Beste will. Dass der Busfahrer, der Dich vielleicht zur Arbeit fährt, am Vortag nicht zu viel getrunken hat und Dich sicher ans Ziel bringt. Dass, wenn Du über die Ampel gehst, derjenige, der diese für den Verkehr programmiert hat, seine Arbeit gut gemacht hat und die Ampel nicht versehentlich auf Grün springt, wenn der Gegenverkehr noch fährt. Dass die Mitarbeiterin die Kaffeemaschine für den Kaffee, den Du Dir gerade gekauft hast, nicht versehentlich, um schnell Feierabend machen zu können, mit einem gesundheitsschädlichen Mittel gereinigt hat. Dass Dir in der Apotheke die richtigen Medikamente ausgehändigt wurden, ohne dass Du es noch einmal prüfen musst. Dass Dein Arzt bei Deinem Jahrescheck gründlich und nicht in Gedanken bei den Geburtstagsvorbereitungen seiner Tochter war. Dass Dein Chef mindestens genauso gute Arbeit leistet, wie Du selber und die Firma solide führt, damit Du auch morgen noch einen sicheren Arbeitsplatz vorfindest. 

Es gibt so viele Begegnungen jeden Tag, in denen Du Dein Vertrauen verschenkst. Und das oft, ohne darüber nachzudenken. 

Das Schlimmste am Vertrauen ist, dass Du als Kind noch nicht gelernt hast, wem Du vertrauen kannst und wem nicht. Und je älter Du wirst, so kann es passieren, dass eine Zeit kommt, in der Deine mühsam gesammelten Puzzleteile wieder weniger werden. Und auch, wenn Du es vor ein paar Jahren selber bei anderen noch belächelt hast, passiert es Dir plötzlich doch. Der Polizist am Telefon, dem Du vertraust, ist kein guter Mensch. Denn Dein Enkel ist gar nicht in Schwierigkeiten und braucht auch kein Geld von Dir. Aber wie in der Kindheit scheint bei manchen Menschen im Laufe des Lebens das Urvertrauen wieder das Kommando übernommen zu haben. Und so schwer es Dir dann in einem solchen Moment auch anscheinend fallen mag, sollte zumindest eine Person, die schon lange Dein wertvolles Vertrauen genießt, mit einbezogen werden. 

Vertrauen ist ein kostbares Gut, neben Liebe sicherlich das Wertvollste. Beides steht uns nicht unendlich zur Verfügung. Wir müssen lernen, wer es wirklich wert ist, dieses kostbare Gut von uns geschenkt zu bekommen.