Möwen

Wenn ein neues Jahr begonnen hat, fallen viele erst einmal in ein kleines Loch. Ich gehöre auch dazu. Alles beginnt von vorne, keiner weiß, was das Jahr bringen wird. Im Januar kommen einem jede Menge Rechnungen ins Haus geflattert und es ist Winter!

Bevor die Temperaturen also wieder steigen, muss man im Normalfall also noch etwa fünf Monate warten. Gruseliger Gedanke.

Nun gibt es Paare, die sich über Geld, das Fernsehprogramm oder irgendwelche Freizeitaktivitäten streiten. Dazu gehören wir glücklicherweise nicht. 

Was allerdings manchmal zu Diskussionen führt, allerdings meistens zu müden, ist die Frage, Fenster auf oder zu im Schlafzimmer. Natürlich gibt es auf der Welt auch Frostbeulen, dazu gehört meine Frau (manchmal leider) nicht. Es geht mir natürlich nicht darum, dass es mir zu kalt ist (doch, kommt vor)!. Nein, eher darum, dass es mir zu laut ist. 

Nun ist es zum Jahresanfang meistens recht ruhig. Unser Schlafzimmer liegt zum Glück nicht zur Straße, sodass man tatsächlich in den ersten Monaten so gut wie keine Geräuschkulisse wahrnehmen muss. 

Mit geschlossenen Augen, ohne die Veränderungen der Natur optisch zu bemerken, kann ich den nahenden Frühling aber eindeutig erkennen. Die Vögel sind wieder im Land. Amsel, Drossel, Fink und Star, wie es so schön in dem Lied heißt, scheinen nach und nach alle auf unserem Hof Einzug zu halten. Ein immer lauter werdendes Zwitscher-Konzert holt mich immer früher aus dem Schlaf. So schön dieses Konzert tagsüber auch sein mag, muss der Kartenverkauf bereits vor fünf Uhr morgens beginnen?

Auch die Tauben kommen aus ihrem Urlaub zurück und gurren immer und immer wieder den gleichen Laut. Ich muss zugeben, ich habe auch schon mal eine, natürlich etwas vertrocknete, Kartoffel in aller Frühe auf eine im Baum sitzende Taube vom Balkon geworfen. Müde, frierend und nur im Schlafanzug. Nicht, um sie zu treffen, nur um ihr einen Schrecken einzujagen, damit sie wegflattiert und ich endlich weiterschlafen konnte. Hat natürlich nichts gebracht.

Irgendwann im Laufe des Jahres hat man dann das Gefühl, es wird gar nicht mehr richtig dunkel. Man wacht auf und denkt, es sei Zeit zum Aufstehen. Ein Blick auf die Uhr verrät einem dann aber, dass es gerade mal 5:15 Uhr ist. Um so mehr freut es einen, wenn man sich dann noch einmal umdrehen kann. Wäre da nur nicht weiterhin das nächste Konzert in vollem Gange. 

Ich kann gar nicht sagen, ob im Juli oder August die Vogel-Konzerte nicht mehr stattfinden. Denn plötzlich steht ein neues Programm an. Die Singvögel sind verschwunden und haben den Möwen die Bühne überlassen. Während ich noch ein paar Tage vorher die kleine Meise unter dem Fenster verflucht habe, wünsche ich mir alle Vögel nun wieder zurück. Denn die Laute der Möwen rauben einem auf eine wesentlich unangenehmere Art und Weise den Schlaf. Eine Mischung aus Katzengejammer und Babygeschrei. Apropos Baby, noch viel schlimmer ist es dann, wenn diese Möwen ihren Rentenbeitrag leisten und Nachwuchs in die Welt setzen. Der immer gleiche Laut dieser Kleinen bringt einen fast um den Verstand. 

Aufstehen und das Fenster schließen geht nur in absoluten Ausnahmesituationen. Schließlich bin ich einfach zu müde und bekomme dann, wenn ich mich denn doch mal dazu aufraffe, anscheinend selbst schlafend einen bösen Blick zugeworfen. 

Die Vögel klangen zwar schön, waren aber so früh am Morgen anstrengend. Allerdings nichts gegen diese blöden Möwen. Was war das noch schön, als die ausschließlich am Strand oder am Meer gewohnt haben? Wer hat die bloß in die Stadt eingeladen? 

Getoppt wird das aber dann nach einer Weile spätestens Anfang/Mitte September, wenn wiederum die Krähen, ja, es sind keine Raben, also die Krähen die Möwen verscheuchen. 

Die sitzen dann nicht nur auf den Bäumen auf dem Hof, die scheinen irgendwann überall zu sitzen. Teilweise mag man gar nicht durch eine Straße gehen, wenn man sich die ganzen zugekack… Autos ansieht und die Krähen einen von oben auszulachen scheinen und nur darauf warten, dass du unter ihnen durchgehst. Diese Geräusche sind wirklich schlimm, einfach auch, weil es so viele sind. 

Aber gefühlt geben auch die nur ein kurzes Gastspiel. Plötzlich hat man das Gefühl, es wird morgens gar nicht mehr hell und abends noch vor Feierabend schon wieder dunkel. Und die Krähen sind dann auch plötzlich wieder verschwunden. 

Und spätestens dann, wenn diese tristen Tage kommen, ist das Jahr schon wieder fast zu Ende und man fragt sich, wo es geblieben ist. Beängstigend. Spätestens dann freue ich mich schon wieder auf das nächste Vogel-Konzert.

 

 

 

 

 

 

 

Foto: thom-masat-h2ZTEoRz0wY-unsplash