Neue Besen

Neue Besen kehren gut. Dieses alte Sprichwort scheint nie aus der Mode zu kommen. Aber, dass tatsächlich ein neuer Besen besser kehrt, ist ja selbstverständlich. Zumindest, wenn man über den ordinären Besen zum Saubermachen spricht.

In diesem Zusammenhang ist aber eher ein neuer Kollege, ein neuer Vorgesetzter, eine neue Vorgesetzte gemeint. Eine Geheimwaffe, ein Top-Mann oder natürlich auch eine Top-Frau. 

In letzter Zeit höre ich im Bekannten- und Familienkreis von immer mehr dieser eindrucksvollen Maschinen, die zu Fleisch geworden sind. Menschen, die einem von Anfang an oft unsympathisch sind, ohne, dass sie einem etwas getan haben. Zumindest noch nicht. 

Das ist eigentlich nicht gerade unvoreingenommen. Ganz im Gegenteil. Aber woran liegt das, dass wir über Menschen vorab urteilen, obwohl wir uns gar kein Bild von der Person machen konnten. Die Person ist uns ja oft gänzlich unbekannt. Natürlich gibt es auch Besen, die wir schon lange kennen und nun die Treppe hinauf gefallen sind. Macht es meistens auch nicht besser. Gestern noch Deine Kollegin, heute Deine Vorgesetzte.

Aber warum sind wir oft so skeptisch, woher kommt diese nicht vorhandene Empathie oder gar dieser Ekel? Sind wir neidisch, dass wir nicht zum neuen Besen gekürt wurden? Das ist sicher auch mal der Fall, aber oft möchte man gar nicht tauschen. 

Die Vorschusslorbeeren lösen diese unangenehme Vorahnung oft aus, die sich dann leider auch oft bewahrheitet. Sehr oft stellt sich aber auch die Frage, wieso bitte der oder die? Welche Fähigkeiten hat diese Person, die man selber oder der andere Kollege nicht hat?  Natürlich ist das aus der eigenen Sicht anders, als aus Sicht der Verantwortlichen, die für die Einstellung oder Beförderung zuständig sind.  

Diese Verantwortlichen, die in der Regel in ihrem Einzelbüro über die Angestellten herrschen, sorry, entscheiden, kennen ihren Kandidaten aus dem einen oder anderem Gespräch. Andere, die seit Jahren diesem Besen gegenübersitzen, sind dann oft ratlos. Wahrscheinlich haben sie nicht die Gabe, die besonderen Fähigkeiten des Ernannten zu erkennen. 

Ein Beispiel: Im Juni 2004 übernimmt der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns Bertelsmann, Thomas Middelhoff, die Führung beim Einzelhandelskonzern Karstadt-Quelle. Natürlich ist es unfair, beim Anblick seines Portraitfotos schon schlechte Laune zu bekommen, wie es vielleicht einigen der hart arbeitenden Angestellten ergangen ist. Eine der ersten Handlungen des Managers war es, Firmenimmobilien zu veräußern und Mitarbeiter freizusetzen. Doch das Engagement des Managers hatte am Ende die Insolvenz des Unternehmens zur Folge. Den kurzen Gastauftritt ließ sich Middelhoff aber fürstlich entlohnen. Abfindung, Bonus, Rente, zusammengerechnet wohl einige Millionen. Nicht verwunderlich, dass die Geheimwaffe 2014 wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Ein Manager muss ins Gefängnis? Natürlich nicht. Er kam 2016 selbstverständlich in den offenen Vollzug. Musste er seine drei Jahre absitzen, wenn man beim offenen Vollzug überhaupt von absitzen reden kann? Nein, nochmal natürlich nicht, denn er wurde bereits 2017 vorzeitig entlassen. Dieser Besen hatte somit eine kurze Laufzeit.

Ob es wohl ein Handbuch oder einen Masterplan für neue Besen gibt? Die ersten Punkte heißen dann sicherlich: 

Erstens: Ändere sofort etwas, auch wenn Du noch überhaupt keinen Überblick hast. Schließlich könnte es ja sein, dass Du diesen nie bekommst. 

Zweitens: Mitarbeiter freisetzten, egal, ob man sie vermissen wird oder die Arbeitsqualität darunter leidet, können ja, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, wieder eingestellt werden. 

Drittens: Fälle Entscheidungen entweder alleine oder nimm Führungspersonen dazu, die genau wie Du nicht am Puls sitzen, die sich Prozesse zwar vorstellen können, aber nicht wissen, was dahinter steckt. Nimm keine Personen aus dem Fußvolk dazu, die täglich mit dem Thema zu tun haben. 

Viertens: Verschaffe Dir von Anfang an Respekt. Ein guter Vorgesetzter muss nicht von allen gemocht werden. Also verändere etwas, egal was, Hauptsache, es tut weh. Richtig gut kommt es, wenn man Kollegen, die wie ein gut geöltes Getriebe seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, auseinander schlägt, sie umsetzt und wahllos neu zusammen setzt. 

Fünftens: Höre nicht auf die Mitarbeiter mit langer Erfahrung. Das sind die ewig Gestrigen. Höre ausschließlich auf Dich selber und Kollegen, die noch nicht länger als 12 oder maximal 24 Monate im Unternehmen sind. Spätestens nach diesen 24 Monaten wechseln diese meistens sowieso wieder den Arbeitgeber. Also schnapp sie Dir, solange sie noch zur Verfügung stehen und voll motiviert sind.

Sechstens: Kommunikation und Motivation sind Worte, die Du als Führungskraft nicht in den Mund nimmst. Entscheide alleine, Du hast die Macht dazu. Teile Dein Wissen nicht, behalte es für Dich. Wissen ist Macht und unwissende Mitarbeiter machen nichts. Und nicht, dass durch Dein Lob, Deine Motivation, jemand auf die Idee kommt, eine Gehaltserhöhung zu verlangen. Also lass es einfach, erwartet heutzutage sowieso niemand mehr.

Laut Engagement Index vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup, hat ein Fünftel der deutschen Beschäftigten bereits innerlich gekündigt. 25 Prozent sind mit der direkten Führungskraft unzufrieden. 69 Prozent machen nur noch Dienst nach Vorschrift, 18 Prozent haben keinerlei Bindung zum Unternehmen. 81 Prozent glauben, dass es eine gute Zeit ist, eine neue Arbeit zu finden. 

Laut Gallup entsteht durch diese Einstellung ein jährlicher volkswirtschaftlicher Schaden von 118 bis 151 Milliarden Euro.

Wenn das kein Grund ist, einen neuen Besen in Betracht zu ziehen? 

🙂