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Hör mal, wer da hämmert!

Wer kennt diese Sitcom mit diesem Titel aus den 90ern, die damals das Sprungbrett für die Schauspieler Tim Allen und Pamela Anderson war? Ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich bewusst eine der insgesamt 204 Folgen gesehen hätte. 

Das spielt auch gar keine Rolle. Doch der Titel ist mir in letzter Zeit sehr oft durch den Kopf gegangen. Warum? Ganz einfach, weil bei uns im Haus, oder besser gesagt, irgendwo in einem Nebenhaus, seit Monaten gehämmert wird. Sehr früh am Morgen, am späten Abend, sonntags, feiertags, irgendwie andauernd. Und in unserem Haus weiß niemand, wo es herkommt. Und der Spuk dauert immer nicht lange, nur ein paar Minuten, dann ist er erst einmal wieder vorbei. Das ist wirklich schräg und nervt total. 

Dass mal gehämmert und gewerkelt werden muss, ist ja völlig normal. Aber über so einen langen Zeitraum?

Mein heutiger Gedanke gilt einer bestimmten Beziehung zwischen Menschen, die fast jeder auf dieser schönen Erde eingeht oder eingehen muss. Der Eine hat sie nur in sehr weiter Entfernung, die Andere ganz dicht neben, über oder unter sich. Vielleicht sogar in allen Richtungen. Die Rede ist von Nachbarn. 

Wir haben also meistens Nachbarn in unmittelbarer Umgebung. Aber wir haben nicht nur welche, die wir kennen. Auf der anderen Straßenseite sind ebenfalls Menschen, die in unserer Nachbarschaft wohnen. Andere, die an der Stadtgrenze wohnen. Natürlich auch welche, die in einem anderen Land wohnen. Und Nachbarn und Nachbarinnen, die auf einem anderen Kontinent leben. Die meisten unserer Nachbarn kennen wir also nicht und werden sie auch nie kennenlernen. Vielleicht haben wir sogar Nachbarn, die auf einem anderen Planeten wohnen. Die wollen wir vielleicht auch gar nicht kennenlernen. Aber das Thema hatten wir ja bereits letzte Woche.

Nachbarn kann man sich in der Regel generell nicht aussuchen. Es gibt eine Menge sehr unterschiedlicher „Nebenbewohner“. Es gibt welche, die Dir sympathisch sind, mit denen Du eine Beziehung aufbaust. Man freust sich, wenn man sie im Haus triffst, hält ein nettes Schwätzchen mit ihnen. Du bist interessiert daran, wie es ihnen geht und umgekehrt. Du lädst sie vielleicht sogar auf einen Sherry oder ein Glas Wein zu Deinem Geburtstag ein. Oft wächst daraus sogar eine Freundschaft.

Und es gibt Nachbarn, bei denen Du die Straßenseite wechselst, wenn Du sie triffst. Die es nicht schaffen, Dich zu grüßen. Dir die Tür vor der Nase zufallen lassen. Die Du immer wieder dabei beobachtest, wie sie ganze Essensreste aus dem Fenster werfen, um die Möwen zu füttern und damit sämtliche Ratten aus der Umgebung anlocken. Die bei eisigen Temperaturen ständig das Fenster im Treppenhaus öffnen, weil allein sie es so mögen. Die auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, die einfach unangenehm sind und für die Du äußerst ungern ein Paket annehmen möchtest. 

Es gibt Alte, die Junge nicht leiden können. Die behaupten, die haben keinen Respekt und sind ständig laut. Nehmen keine Rücksicht auf alte Menschen.

Es gibt Junge, die Alte nicht leiden können. Sie riechen komisch und haben ständig etwas zu meckern, bekommen eh nichts mehr mit.

Es gibt die mit Kindern, die der Meinung sind, ihre Kinder dürfen alles. Schließlich müssen sie sich frei entfalten können. Verstehen gar nicht, wenn der Nachbar nach einer harten Woche am Sonntag mal bis acht Uhr ausschlafen möchte. Soll er doch aufs Land ziehen, wenn ihn Kinder stören.

Es gibt Kinderlose, die Kinder nicht leiden können. Die anscheinend nie selber Kind waren und nie Lärm gemacht oder getobt haben. Die gar nicht verstehen, wie man sich überhaupt Kinder anschaffen kann und erst recht nicht, wie man mit Kindern in eine Wohnung ziehen und allen anderen Bewohnern des Hauses auf die Nerven gehen kann.

Streit unter Nachbarn ist an der Tagesordnung. Bei den Rechtsschutzversicherungen ist das ein Dauerthema. Laut Welt.de liegen etwa 11,6 Millionen Haushalte im Clinch. Das sind eine Menge Menschen. Hauptgründe sind Lärmbelästigung durch Musik und zu laute Fernseher, Verschmutzungen, Lärm durch Kinder, Belästigung durch Haustiere, zu laute Partys, Lärm durch Hausarbeit, Geruchsbelästigung durchs Rauchen oder Grillen, Lärmbelästigung durch Sex. Die Liste ist lang.

Seit 1995 wohne ich in einem Mehrfamilienhaus und habe viele dieser Streitigkeiten von der Liste ebenfalls sehr oft erlebt. Es gab Kompromisse, es gab Beschwerden, es gab Nachbarn, die man im Vorbeigehen wie Luft behandelt hat und auch so behandelt wurde, es gab tatsächlich eine Menge Streitigkeiten. Ich hatte auch schon einmal um 20:03 Uhr die Polizei mit drei Beamten vor der Tür stehen, weil ich ein Loch in die Wand gebohrt hatte und aufgefordert wurde, sofort meine Lärmbelästigung einzustellen. Eine Nachbarin hatte sich beschwert. Sie und ihre Tochter waren übrigens fast permanent laut. 

Doch das gehört in unserem Haus der Vergangenheit an. Seit vielen Jahren kann ich behaupten, mit allen Nachbarn ein sehr angenehmes Verhältnis zu haben. Es gibt sogar eine WhatsApp-Gruppe, in der man sich austauscht. Mal ist es ein Corona-Test, der kurzfristig benötigt wird und schnell vor die Tür gelegt wird, mal sind es Brötchen, die verteilt werden, ein Paket, das angenommen wurde oder A-Capella-Karten für eine Veranstaltung, die verschenkt werden, da diejenige erkrankt ist. Generell hilft man sich aus. Im Haus wird oft laut gelacht, musiziert und auch mal gefeiert. Gemeinsam auf dem Hof gegrillt. Das alles macht eine gute Nachbarschaft aus.   

Man grüßt sich freundlich und ehrlich und hält ein Schwätzchen im Treppenhaus. Genau so wünscht man sich seine „Mitbewohner“. Natürlich ist es auch großes Glück, wenn die sympathischen Nachbarn leider aufs Land ziehen, aber durch ebenso sympathische Nachfolger ersetzt werden. Im Leben ist nun einmal vieles Glück und natürlich auch ein gutes Händchen des Vermieters, diese Auswahl zu treffen.

11,6 Millionen Haushalte liegen sich im Clinch. Das sind eine Menge Menschen. Mit etwas mehr Rücksicht und Toleranz wären sicher viele Streitigkeiten zu vermeiden. Offen sein und Kompromisse eingehen, zuhören, miteinander reden. Klingt eigentlich gar nicht so schwer.