Hohes Gut

Wir leben in einem Land des Wohlstandes. Nicht zuletzt haben wir das sicherlich auch einigen unserer Vorfahren zu verdanken. Genauer gesagt, geht das bis ins Jahr 1873 zurück. Im Mai wurde in diesem Jahr nämlich der erste Flächentarifvertrag durch einen Streik der Buchdrucker erkämpft.  

Das Streikrecht ist ein hohes Gut!

Welche Zeit des Jahres ist für die meisten Menschen die schönste? Ich würde mal vermuten, wenn man nicht gerade ein Workaholiker ist, die Urlaubszeit. Meistens freut man sich das ganze Jahr darauf, fiebert der Auszeit entgegen. Und oft plant man diesen Urlaub auch schon weit im Voraus. Denn bei vielen Berufstätigen ist das gar nicht so einfach. Urlaub einreichen, genehmigt bekommen und schon wird geplant. So schnell geht das heutzutage nicht immer. Es muss sich mit den Kollegen und Kolleginnen abgesprochen werden, mit der Partnerin. Vielleicht mit den Kindern, den Ferien oder Brückentagen geplant werden, es ist also vieles zu bedenken. 

Oft gibt es Frühbucher Rabatt, den man gerne mitnehmen möchte. Denn Urlaub ist in den letzten Jahren immer teuer geworden. Und wegen der Pandemie war Verreisen die letzten Jahren gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Aber dieses Jahr kann es endlich wieder losgehen. Das haben wir uns bei den vielen Einschränkungen wohl auch verdient, oder?

Durch den Krieg in der Ukraine ist natürlich noch einmal alles wesentlich teurer geworden und man muss rechnen, ob eine Reise überhaupt im Budget liegt. Für viele ist es kaum noch zu finanzieren, oder es muss stattdessen auf vieles verzichtet werden. Aber Erholung ist nun einmal wichtig, vielleicht wichtiger, als je zuvor, in dieser schweren Zeit.

Eigentlich wollten wir im Frühjahr mal wieder in die Berge fahren. Aber dann haben wir es uns doch anders überlegt und uns für die Sonne entschieden. Da uns unser Urlaub auf Fuerteventura in unserem Hotel (hier mehr zu dem Hotel) zweimal so gut gefallen hat, sollte es tatsächlich ein drittes Mal in den Süden gehen. Der Countdown auf dem Handy wurde aktiviert, die Vorfreude ebenfalls.

Die Zeit vergeht ja immer wie im Fluge und das Datum rückte näher. Am Freitag sollte es endlich losgehen. Die letzten beiden Tage der Freude sollten allerdings (mal wieder) ein plötzliches, jähes Ende nehmen. Als ich auf mein Smartphone schaute, erschrak ich, als die Worte STREIK erschienen. Auch eine E-Mail nach der anderen kam plötzlich rein, gefolgt von zahlreichen Push-Nachrichten des Reiseveranstalters. 

Verdi ruft mal wieder zu Warnstreiks auf, und wie fast immer, sehr kurzfristig. An unserem Abreisetag sollen die Flughäfen in Frankfurt, München, Hannover, Stuttgart, Bremen, Dortmund UND Hamburg bestreikt werden. Also fast bundesweit. Gleich drei Berufsgruppen würden die Arbeit niederlegen. Bodenverkehrsdienste, die eine generelle Erhöhung fordern, Luftsicherheit, die Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste verlangen und der öffentliche Dienst. Letzterer hat völlig legitime Vorstellungen. Nämlich eine Lohnerhöhung um 10,5 Prozent oder 500,- Euro. Es muss natürlich nicht jeder meiner Meinung sein, aber bei dieser Forderung frage ich mich ernsthaft, ob man einen „an der Klatsche“ hat.

Wenn in unserer Firma die Angestellten 500,- Euro mehr Gehalt fordern würden, wie soll mein Chef das denn bezahlen. Wächst ihm das Geld aus der Tasche? Hat nicht auch er immense Mehrkosten? Schon ohne Gehaltsanpassungen?

Und woher bekommen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes ihr Gehalt? VON UNS, den Steuerzahlern. 

OK, erst einmal abwarten, war die Devise. Noch steht unser Flug von Hamburg auf planmäßig. Allerdings hat uns der Flughafen Hamburg bereits auf den Streik und seine Folgen aufmerksam gemacht und eine Stornierung des Parkplatzes angeboten. Abwarten, redete ich mir angespannt immer wieder ein.

Am Donnerstag gab es dann die Nachricht, dass der Flughafen sich geändert hat. Statt Hamburg jetzt Berlin. Klasse, heißt also Parkplatz Hamburg stornieren, Berlin buchen, dachte ich genervt. Aber wann fährt man los, wenn der Flug um 10.00 Uhr startet? Nachts oder einen Tag vorher mit einer Übernachtung? Wer das bezahlt, brauche ich sicherlich nicht zu erwähnen, oder? Man selber natürlich. Aber was nützt mir ein parkendes Auto in Berlin, wenn der Rückflug nach Hamburg geht? 

Also die nette TUI-Mitarbeiterin gefragt, ob wir den Rückflug nach Berlin umbuchen können. Selbstverständlich, aber erst, wenn wir in Spanien angekommen sind. Vorher hat man keinen Zugriff auf das System, bekam ich als Erklärung. Das war mir allerdings zu unsicher und ich bestand darauf, zumindest zu schauen, welche Flüge am Abreisedatum nach Berlin gehen. Das war schnell geklärt, keiner. OK, zum Glück also vorher noch gecheckt. 

Was bleibt, Anreise mit der Bahn. Die ist ja generell sehr zuverlässig, immer auf die Minute pünktlich und komfortabel, wenn man in Japan lebt. In Deutschland eine einzige, immerwährende Katastrophe, meiner Meinung und der meiner Frau nach, die oft mit der Bahn unterwegs ist. 

Zur Auswahl steht ein Zug- und Gleiswechsel mit Gepäck innerhalb von wenigen Minuten, was bei den üblichen Verspätungen nicht zu schaffen ist oder ein dreistündiger Aufenthalt mitten in der Nacht in Schwerin. Beides ätzend.

Ein Leihwagen ist nach reiflicher Suche einfach unverhältnismäßig teuer, kommt also auch nicht infrage. 

Letzte, spontane Idee, Flixbus. Starte um 2:20 in der Nacht und ist um 8:15 Uhr am Flughafen BER in Berlin. Auch irgendwie eine gruselige Vorstellung, aber was soll’s? So lernt man den „Pannen-Flughafen“ also auch mal kennen. 

Also Taxi für 1:45 Uhr bestellt, natürlich vorher kein Auge zugemacht, pünktlich am ZOB angekommen. Allerdings weit und breit weder Menschen, Flix-Busse noch Beschilderungen für Flix-Busse zu sehen. Taxifahrer wusste auch nicht, wo er hält. Also am Bahnhof die anderen Taxifahrer gefragt. „Unter der Brücke“, hieß es dann. Also schnell zur Brücke mit dem Gepäck auf nüchternen Magen gelaufen, Flix-Bus entdeckt, aber leer. 

Ebenfalls niemand zu sehen, außer einen Busfahrer eines anderen Anbieters, der diesen gerade parkte. „ZOB“, bekamen wir von ihm zu hören. Und als wir uns gerade wieder auf den Weg zurück machen wollten, schlug er vor, uns kurz mit seinem Privatwagen hinzufahren. Vielen lieben Dank noch einmal an dieser Stelle an den netten Mann. 

Flix-Bus stand bereits bereit, eingestiegen und pünktlich ging es los. Deutsch sprach im vollen Bus außer uns anscheinend niemand. Auch die Fahrer nicht, Endziel war nämlich Polen. Störte uns ja aber auch nicht, schließlich wollten wir versuchen zu schlafen, statt uns zu unterhalten. Die Fahrer wechselten sich immer wieder ab. Während einer fuhr, versuchte der Andere zusammengerollt auf dem Beifahrerplatz zu schlafen. Wenn die streiken, verdienen sicherlich einen „Hungerlohn“, würde ich das bei diesem anstrengenden Job vollkommen verstehen.

Pünktlich auf die Minute in Berlin angekommen, rein in den Flughafen. Sehr schöner und moderner Flughafen, sieht wirklich klasse aus. Hat ja auch lange genug gedauert und gekostet. Einchecken am Gerät funktionierte nicht, Pannen-Flughafen wurde selbst von dem Personal, was außergewöhnlich freundlich, kompetent und zuvorkommend war, kurz erwähnt. 

Endlich am Gate pünktlich angekommen, wurde dieses kurzfristig geändert. Der Versuch, zum anderen Gate zu kommen, kostete uns dann etwa 20 Minuten Zeit und viele Nerven. Einzelheiten erspare ich den Lesern jetzt. 

Der Urlaub, nach dem wir gute zwei Stunden vom Flughafen Fuerteventura bis zum Hotel geeiert sind, war dann schön. In Hamburg angekommen kann es ja kein Problem sein, einen Leihwagen nach Kiel zu nehmen. Das kann ja wirklich nicht so teuer sein! Inklusive Einweggebühren für einen Fiat 500 bei Sixt, 179,- Euro. Armes Deutschland! 

Wenn ich allerdings 500,- Euro mehr Lohn bekomme, ist das ja locker zu verschmerzen.

Resümee:

Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Leider wird es meiner Meinung, und damit stehe ich ganz sicherlich nicht alleine da, viel zu oft missbraucht. Jedes Jahr gibt es Streiks an unseren Flughäfen. Dieses Mal sind etwa 2400 Flüge ausgefallen, 300.000 Passagiere konnten nicht fliegen. Was für ein Schaden für die Volkswirtschaft entsteht, kann man sich denken. Wir hatten noch Glück im Unglück, dass wir überhaupt fliegen konnten. Laut TUI wurden die meisten Reisen komplett abgesagt. Sämtliche Pläne über den Haufen geworfen, Kosten nicht erstattet, die schönste Zeit des Jahres einfach mal so weggewischt. 

Wenn jemand seinen Job verlieren soll, wenn es katastrophale Arbeitsbedingungen zu bekämpfen gibt, wenn auch nach etlichen Verhandlungen eine realistische Forderung nicht mal in Erwägung gezogen wird, nach Urabstimmungen und Schlichtungsversuchen, dann habe ich auch mal Verständnis für einen Streik. Aber bei uns wird das viel zu schnell entschieden. Man bedauert die „Unannehmlichkeiten“ und hofft auf Verständnis

Wir, die Reisenden, können gar nichts dafür, zahlen die Gehälter der Streikenden und müssen jedes Jahr darunter leiden. 500,- Euro mehr! Ist diese Forderung  angemessen? Alle haben Mehrkosten zu tragen, doch nicht alle streiken. Und wenn gesagt wird, dieses Jahr muss es aber sein, ist das ja nicht die Wahrheit. Jedes Jahr muss es sein. Irgendein Flughafenangestellter, egal ob Pilot, Sicherheits- oder sonstiges Bodenpersonal, streikt doch immer. Der finanzielle und auch emotionale Schaden wird dabei leider völlig vernachlässigt. 

Urlaub ist wichtig, Urlaub soll Spaß machen, auch im Vorfeld. Aber nicht, wenn Gewerkschaften und deren Mitglieder das auf dem Rücken jener austragen, die ihre Gehälter bezahlen. 

Anscheinend geht es einigen in Deutschland immer noch zu gut!

 

Du möchtest Dich vom Streik erholen oder einfach mal so die Seele baumeln lassen? Wie wäre es dann mit einem Besuch in Heiligenhafen? Meinen Tipp dazu findest Du, wenn Du auf den unterstrichenen Link klickst. Da wurde, so viel ich weiß, noch nie gestreikt! 🙂 

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