Was zählt ist der Mensch

In einer Zeit, wo alles immer schneller geht, es immer neue Superlativen gibt, man immer weniger miteinander persönlich spricht, sondern eher sein Smartphone dafür benutzt, besinnt man sich immer wieder auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Zumindest mir bzw. uns geht das so.

Bei unserer letzten großen Reise vom hohen Norden Deutschlands bis weit runter in den Süden nach Venedig bin ich mir wieder einmal eines Gefühls bewusst geworden. Dieses Gefühl möchte ich heute gerne an dieser Stelle beschreiben.

Worum geht es? 

Dass man das Gefühl hat, die Welt wäre kälter geworden, und das trotz der Klimaerwärmung, haben gerade in der letzten Zeit viele Menschen. Vielleicht auch ein Stück durch Corona. Viele Menschen scheuen immer mehr den Kontakt zu anderen Menschen, isolieren sich. Der Alltag, das Miteinander, wird oft immer oberflächiger, immer unpersönlicher. Keiner hat mehr Zeit für den anderen, jeder ist am liebsten mit sich selbst beschäftigt. Das ist natürlich keine pauschale Erkenntnis, es gibt zum Glück auch oft das Gegenteil.

Auf unserer Reise, bei der wir etwa 3.200 km durch die Lande ziehen wollten, hatten wir uns vorgenommen, den Weg zum Ziel zu machen. Der Satz, häufig gehört, klingt fast schon abgedroschen. Aber er wird in meinen Augen immer wichtiger. Der Weg ist das Ziel. Aber was genau soll er eigentlich bedeuten? Das Ziel ist doch erst erreicht, wenn ich da angekommen bin, wo ich hin will, oder nicht? Das würde bedeuten, wir fahren am besten nachts los, brettern Richtung Ziel, und legen es darauf an, schnellstmöglich dort anzukommen. Im Navi stellen wir immer die schnellste Route ein. Alles zieht an uns vorbei, möglichst wenig Pausen, und schon gehts weiter. Schließlich wollen wir doch Zeit sparen. Zeit, die wir dann am Ziel verbringen können. Ist doch vollkommen normal, oder?

Nun sind wir in unserem Leben wirklich schon viel herumgekommen. Vor Corona waren wir viele Jahre zweimal im Jahr in den USA, haben weit mehr als die Hälfte aller US-Bundesstaaten gesehen und somit eine Menge Hotels.

In den USA ist es völlig anders in einem Hotel zu übernachten, als in Deutschland oder generell in Europa. Auf der Durchreise bucht man meistens ein Hotel aus einer Kette. Ein Best Western oder ein Hyatt zum Beispiel. Eine Verbindung zu den Mitarbeitern stellt man hier so gut wie nie her. Man checkt ein und meistens nicht einmal mehr aus, ist ja auch kaum noch nötig. Aber in unserem Lieblings-Best-Western-Hotel Westgate Inn & Suites in Leland North Carolina stießen wir auf einen Mitarbeiter, der tatsächlich das Gespräch suchte und auch in einem anderen Jahr noch dort tätig war. Daran hatten wir uns erinnert und gerne erneut dort gebucht. Oder in Fort Lauderdale Florida, unserer bis vor Corona zweiten Heimat, haben wir über Jahre hinweg eine sehr angenehme Beziehung zur Managerin Andrea in der Villa Venezia aufgebaut, schrieben uns immer mal wieder per WhatsApp. Das sind aber eher absolute Ausnahmen.

Zurück zu unserer Reise in den Süden. Wir wollten es gemütlich angehen lassen und nicht viel mehr als 500 Kilometer am Tag fahren. Lieber einen netten Zwischenstopp einlegen und auch diesen Ort erkunden und die Zeit dort genießen. Dafür muss es natürlich nicht ein sehr hochpreisiges Hotel sein, aber so, dass man sich wohlfühlen kann. 

Während ich in den Portalen bei den Ketten nachschaute, suchte meine Frau eher nach kleinen und individuellen Hotels. Gästehaus Sonnenhof schlug meine Frau vor. Ehrlich gesagt, bei dem Namen hatte ich leichte Vorurteile. Aber warum nicht, dachte ich, warum immer den großen Ketten das Geld in den Rachen werfen, warum nicht kleineren Anbietern eine Chance geben? Vor der Anreise sendete ich an das Hotel Sonnenhof eine kurze E-Mail mit der Frage, ob eine Wallbox zum Aufladen für unser E-Auto zur Verfügung steht. Schon kurze Zeit später bekam ich eine Antwort, dass leider keine vorhanden ist, aber wir gerne über eine normale Steckdose aufladen könnten und ob man dafür „den Schuppen auflassen solle“? Ich fand dieses Angebot total lieb. 

Da wir sehr spät im Hotel eincheckten, entnahmen wir unseren Zimmerschlüssel einem Safe und konnten erst am nächsten Tag persönlich begrüßt werden. Das Gebäude hat eine lange Tradition, wurde bereits 1913 erbaut und ging 1949 in den Besitz eines Ordens. Später wurde es ein Erholungsheim und besaß sogar eine Kapelle. Genau dort, wo der Altar stand, haben wir gefrühstückt. 

Wir waren beeindruckt und vor meinem geistigen Auge versuchte ich mir die Zeit vorzustellen, wie es einst hier wohl einmal war. Ein schöner Gedanke. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin oder vielleicht auch die Chefin, nahm sich die Zeit, uns etwas über das Hotel und deren Geschichte zu erzählen. 

Nun waren wir auf den Geschmack gekommen und entschieden uns als nächstes für eine Übernachtung im Genusshotel und Historischen Brauereigasthof Hirsch. Auch hier waren die Bilder vielversprechend. Eine Mischung aus Tradition und Moderne. Als wir hier eincheckten, war unser erster Eindruck, was das Persönliche anging, eher enttäuschend. Die Mitarbeiterin war nett, die Begrüßung maximal Standard. Kein Wort zu viel. Schade eigentlich, es kostet ja nicht mehr, zu fragen, ob man eine gute Anreise hatte und ein herzliches Willkommen gibt es auch umsonst. Der moderne Hotelteil blieb uns verborgen, statt dessen waren wir im Historischen Dorfgasthof Hirsch von 1906 untergebracht, in dem sich 19 unterschiedliche Zimmer befinden.

Das Zimmer war urig, man musste es mit einem riesigen Schlüssel öffnen. Man fühlte sich in die alte Zeit zurück versetzt. Der Gasthof sei immer sehr gut besucht, wurde uns gesagt und so reservierten wir einen Tisch. Wirklich wahrgenommen wurden wir von den „wuselnden“ Mitarbeiter weder, als wir unser Zimmer bezogen, noch, als wir unseren Tisch zum Abendessen einnahmen. Wir waren sehr gespannt auf das Essen, da die Mitarbeiterin am Empfang die Beliebtheit des Gasthofes mehrfach unterstrich. Allerdings wurden unsere Erwartungen nicht wirklich erfüllt. Das Essen war in Ordnung, aber nicht gerade liebevoll angerichtet. Auch nach dem Essen nahm keiner Notiz von uns und wir gingen an den Tresen, um bezahlen zu können. Das wiederholte sich am nächsten Tag beim Frühstück erneut. Ob wir nun wirklich Gäste waren oder einfach von der Straße mit Hunger herein marschiert waren, es wäre nicht aufgefallen. Wieder nahm eigentlich niemand von uns Notiz. Beim Auschecken natürlich nicht anders, als beim Einchecken. Schade eigentlich.

Das Highlight der Reise kam dann aber, als wir für knapp eine Woche im Hotel Rogen ankamen. Ein äußerst herzlicher Empfang, bei dem wir sofort davon überzeugt waren, die Herzlichkeit ist echt gemeint. Es war die Eigentümerin persönlich, die uns begrüßte und machte sogar eine kleine Führung mit uns. Es gab einen kleinen Plausch, perfekte Ankunft. Das setzte sich dann auch während unseres gesamten Aufenthaltes so fort.

Nicht nur das Hotel war komplett perfekt, sondern auch das ganze, für uns wichtige, Drum und Dran. Die Mitarbeiter waren ausnahmslos überaus freundlich, kompetent und nahmen sich immer wieder Zeit für ihre Gäste. Der Höhepunkt war, dass die Senior-Chefin, die immer noch in der Küche Leckereien zubereitet, während des Frühstücks mit ihrer Schürze aus der Küche kam und Klönschnacks, wie wir es im Norden nennen, mit den Gästen hielt und sich nach deren Wohlbefinden erkundigte. Auch die Eigentümer suchten immer wieder den Kontakt mit ihren Gästen, packten überall mit an und waren immer präsent. Ein Familienhotel, mehr geht nicht. 

Die Verabschiedung war genauso freundlich wie die Ankunft. Alles richtig gemacht. Natürlich steht das Hotel ganz oben auf unserer Liste, und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir hier unseren Urlaub verbracht hatten.

Schon im letzten Jahr waren wir in Südtirol, im Hotel Bacher. Auch das Hotel ist eigentümergeführt und der besonders nette persönliche Kontakt zu Herrn Bacher hat uns davon überzeugt, dass wir dieses Jahr wieder dorthin fahren. Eigentlich ist es viel zu weit weg für eine Woche, aber wenn der Mensch und alles andere auch, stimmt, nimmt man das gerne in Kauf.

Auf dem Rückweg machten wir u.a. im Augsburg Hotel Sonnenhof einen Zwischenstopp. Der Mitarbeiter hinter dem Tresen machte einen erstklassigen Job. Das Einchecken war auch hier sehr persönlich und wir hatten viel Spaß. Irritiert waren wir allerdings, als wir fragten, ob wir die Ladestation benutzen können und wie die Konditionen dafür wären. „35,- Euro pauschal“ bekamen wir zur Antwort. Also egal, ob Dein Akku fast vollständig aufgeladen werden muss oder nur einige Kilowatt nachgeladen werden müssen. Wir dachten zuerst, der Mann würde uns veralbern, weil er einfach gut drauf war, aber mitnichten. Das Konzept konnte anscheinend selbst der Mitarbeiter nicht wirklich nachvollziehen. Das Zimmer sowie das gesamte Hotel war völlig ok. 

Das Frühstück auf der Dachterrasse war dann eher wieder unterer Durchschnitt. Das lag aber weder an den Speisen, den Getränken oder der Location. Das lag leider an den Mitarbeitern. „Welche Zimmernummer?“, wurden wir als Begrüßung gefragt. Kein, „guten Morgen“, kein netter Hinweis, wie zum Beispiel, wo was zu finden ist. Sehr schade. So etwas hinterlässt immer einen bleibenden negativen Eindruck. Das wir dann den Tisch mit einem Tablett abräumen und dieses dann zu einer Rückgabestelle bringen mussten, war ebenfalls befremdlich. Hatte etwas Kantinen-Charakter. Nicht, dass wir uns zu fein wären, einen Tisch abzuräumen. Aber das kenne ich von Karstadt zum Beispiel, aber nicht nach einem Frühstücksbuffet im Hotel.    

Beim Auschecken trafen wir wieder auf den sympathischen Mitarbeiter vom Vortag und berichteten auf seine Nachfrage, ob alles in Ordnung war, von unserem Eindruck beim Frühstück. Er entschuldigte sich und wusste von dem Problem. Die Mitarbeiterinnen waren neu, wohl Schülerinnen, die noch eine Menge lernen mussten. War ja jetzt auch keine Vollkatastrophe, aber eben mit viel Luft nach oben. Aber durch die sympathische und ehrliche Art dieses Mitarbeiters würden wir dem Hotel auf jeden Fall eine zweite Chance geben.

Der Mensch kann immer den Unterschied ausmachen. Ein Lächeln, ein nettes Wort, eine freundliche Geste, kann auch einen Preisunterschied oder einen Mangel ausgleichen. Und wenn man sich wohl fühlt, kommt man auch gerne wieder. 

Ein Lächeln, ein nettes Wort, eine freundliche Geste, sind wertvoll. Kosten verursachen sie nicht.  

 

Mein Tipp: Schau einmal auf meine Bewertungen für das Hotel Rogen und das Hotel Bacher. Ein Aufenthalt dort lohnt sich wirklich. Da ist selbst eine weitere Anreise locker zu verschmerzen.